Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Seiteninhalt springen Zum Footer springen

19.06.2017 | Blog

Diese Kuh ist meine Hoffnung für die Zukunft

In Äthiopien sterben die Kühe während der Dürre weg. Die Hirten bangen um ihre Existenzgrundlage. Es gibt aber Hoffnung: In einem Fütterungszentrum der Welthungerhilfe werden die Tiere wieder aufgepäppelt.

Kuhhirtin mit einer Ihrer Kühe.
Adi Aleche setzt all ihre Hoffnung in ihre Kuh. Im Moment wird das Tier im Fütterungszentrum der Welthungerhilfe wieder aufgepäppelt. © Francesca Schraffl
Selamawit Tsegaye Landesbüro Äthiopien

Meinen ersten Einsatz als Kommunikationsbeauftragte für das Büro am Horn von Afrika hatte ich in Yabelo, einer Kleinstadt in Borena im Süden Äthiopiens. Vor der Reise war ich sehr aufgeregt, weil es das erste Mal war, dass ich in meiner neuen Funktion als Kommunikationsbeauftragte ein Projekt besuchen sollte. Ich hätte nie gedacht, dass mich das, was ich auf Reise erlebe, so erschüttern wird…

Yabelo ist eines der Gebiete, das am stärksten von der derzeit herrschenden Dürre betroffenen ist. Die meisten Einwohner Borenas sind Pastoralisten, deren wichtigste Existenzgrundlage die Tierzucht ist. Die in der Region gezüchteten Kühe wurden einst als große und starke Rasse angesehen, deren Fleisch stets sehr geschätzt wurde. Der Handel mit Vieh, deren Haut und Fleisch bildete jahrhundertelang das Rückgrat für das Leben der Menschen hier. Ihr Leben und Arbeiten ist stark abhängig von Regen: ihre Tiere trinken das Wasser und die Pflanzen, die sie fressen, gedeihen mit Hilfe des Regens.

Es gibt kein Essen mehr, kein Futter und kein Wasser

Doch die Dürre hat den Menschen in Yabelo ihre Existenzgrundlage genommen: das Vieh verendet, es gibt kein Futter für die überlebenden Tiere, keine Nahrungsmittel für die Menschen, keine Medikamente, kein Trinkwasser… Fast 90.000 Haushalte sind betroffen. Multipliziert man diese Zahl mit fünf (die durchschnittliche Personenzahl je Haushalt), bedeutet das, dass 450.000 Personen ihre Nahrungsmittelquelle und Existenzgrundlage verloren haben.

An den zwei Tagen, die ich in Yabelo war, traf ich einige der Betroffenen: Ihr Schicksal und ihre Not, die sie aufgrund der Dürre erleiden müssen, gingen mir sehr zu Herzen. Da ist zum Beispiel Adi Aleche. Sie ist 70 Jahre alt, verwitwet und lebt zusammen mit ihren Angehörigen, einschließlich Kindern und Enkelkindern, von denen das jüngste zwei Jahre alt ist. Sie verlor all ihre zehn Kühe, eine nach der anderen, weil es an nutzbarem Weideland und Wasser mangelte. „Ich hatte nichts mehr. Alle meine Kühe waren tot, ich hatte nichts zu essen und keine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Wie sollte ich meine Familie ernähren?“, fragt die Siebzigjährige.

Weizen und Mais gab es nur ein einziges Mal

Adi nimmt am Sicherheitsnetzprogramm teil, einer Initiative der Regierung, bei der arme Menschen in öffentliche Arbeiten eingebunden werden und für die geleistete Arbeit entweder Naturalien oder Bargeld erhalten. Leider bekam Adi nur einmal in drei Monaten Weizen und Mais. „Wie sollen wir davon überleben?“, fragt sie. Ihr knochiges und trauriges Gesicht ist gezeichnet von Elend. Dennoch hatte Adi Glück im Unglück: die Dorfgemeinschaft hat ihr geholfen. „Ich bekam von der Gemeinschaft eine Kuh, weil ich selbst keine mehr hatte. Diese habe ich zum Fütterungszentrum gebracht. Diese eine Kuh ist meine einzige Hoffnung für die Zukunft“.

Das Fütterungszentrum, in welchem Adi ihre Kuh untergebracht hat, wurde von der Welthungerhilfe eingerichtet. Für zwei Monate läuft das Projekt, das die Welthungerhilfe in der Dürrezeit gestartet hat. 750 Haushalte, die besonders von der Trockenheit betroffen sind,  dürfen jeweils zwei Kühe zum Fütterungszentrum bringen. Hier erhalten die Tiere täglich eine Kombination aus Heu und Futterkon­zentrat. Der Mix soll helfen, dass die Tiere wieder zu Kräften kommen und hoffentlich überleben, bis es wieder Weideland gibt.

Am meisten erschüttert hat mich das Schicksal von Ato Dalecha und seiner Familie. Der 32 Jahre alte Familienvater verlor nach und nach 18 seiner 20 Kühe. Die beiden, die überlebt haben, sind jetzt im Fütterungszentrum. Als Begünstigte des Sicherheitsnetzprogramms der Regierung erhielt seine Familie vor drei Monaten Weizen und Mais. Die Ration ist mittlerweile vollständig verbraucht – wie sie jetzt an Essen kommen soll, weiß die Familie nicht. Die Muttermilch meiner Frau reicht nicht aus für unser zehn Monate altes Kind. Ich bekomme etwas Milch von unseren Nachbarn und rühre sie in den Tee, den ich meinem Sohn gebe. Etwas anderes zum Essen habe ich nicht für ihn.“

Viele Nichtregierungsorganisationen haben die Gegend verlassen

Als dreifache Mutter dachte ich: „Tee mit ein bisschen Milch für ein zehn Monate altes Baby? Das kann nicht wahr sein.“ Schockiert und ungläubig bat ich ihn, das noch einmal zu bestätigen. „Ja“, sagte er, „es ist das einzige Nahrungsmittel, das wir für ihn haben“. In diesem Moment wurde mir klar, wie unendlich hart das Leben für diese Menschen ist.

Für die Zukunft setzt er all seine Hoffnungen in seine zwei Kühe. Sein größter Wunsch: Die Tiere sollen sich bald erholen und wieder mehr Milch geben. Es ist bewundernswert, dass diese Menschen trotz Hunger, Durst und Sorgen nicht verzweifeln. Stattdessen helfen sie sich weiterhin gegenseitig und geben das Wenige, das sie haben, um jenen zu helfen, denen nichts geblieben ist. Ihr entschlossener Wille, allen Widrigkeiten zu trotzen, berührt mich sehr.

Mit traurigem Herzen habe ich Yabelo verlassen. Ich konnte nichts für die Menschen hier tun. Was mich hingegen hoffen lässt, ist die Arbeit, die die Welthungerhilfe in der Region leistet. Noch nie war die Nothilfe so gering, obwohl diese Dürre schlimmer zu sein scheint als jene von 2011. Viele Nichtregierungsorganisationen haben die Gegend verlassen, doch die Welthungerhilfe ist vor Ort und unterstützt Menschen und Tier beim Überlebenskampf und dabei, die Widerstandsfähigkeit für die Zukunft zu stärken.

Das könnte Sie auch interessieren