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16.07.2014 | Projektupdate

20 Jahre Welthungerhilfe auf Kuba

Welche Erfolge die Kubaner in ihren Projekten feiern, und welche guten Gründe es hierfür gibt, berichtet Michael Hofmann, Marketing-Vorstand der Welthungerhilfe. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Welthungerhilfe machte sich der gebürtige Kubaner persönlich ein Bild von den Projekten in seiner karibischen Heimat.

Michael Hoffmann und ein Bauer im Gespräch
Michael Hofmann, Marketing-Vorstand der Welthungerhilfe zu Besuch auf Kuba. © Welthungerhilfe
Michael Hofmann Vorstand Marketing (bis 2017)

Dieses Projekt ist abgeschlossen.

Schon vor der Abreise war mir klar, dass diese Projektreise für mich besonders sein würde. Kuba ist sowohl mein Geburtsort als auch die Heimat meiner Mutter. Vor 56 Jahren, zeitgleich mit dem Ende der Revolution und dem Sieg Fidel Castros, wurde ich in der Hauptstadt Havanna geboren. Bereits ein Jahr später verließen meine kubanische Mutter und mein deutscher Vater mit mir das Land. Zuletzt war ich vor 25 Jahren auf Kuba, kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der nachfolgenden Wirtschaftskrise, damals von der kubanischen Regierung auch „Sonderperiode in Friedenszeiten“ genannt.

Ernährungssituation für viele Kubaner nach wie vor schlecht

Die Versorgungskrise, aber auch die immer wiederkehrenden Wirbelstürme und ihre zerstörerischen Folgen brachten die Welthungerhilfe 1994 nach Kuba. Zur Linderung größter Not wurden städtische Landwirtschaftsprojekte ins Leben gerufen, die wegweisenden Charakter hatten. Auf Kuba verhungert zwar niemand mehr, doch die Ernährungssituation ist für viele Kubaner immer noch schlecht. Viele Menschen leben unter sehr ärmlichen Bedingungen. Besonders betroffen sind diejenigen, die keinen Zugang zu Devisen aus dem Tourismussektor oder Verwandte im Ausland haben.

Vieles auf meiner Kubareise erinnert mich heute an Erzählungen meines Vaters aus der Nachkriegszeit in Deutschland: Noch immer werden hier Rationierungskarten ausgegeben, die Wohnsituation ist prekär und beengt, viele Kubaner müssen täglich unendlich viel Zeit dafür aufwenden, die nötigsten Lebensmittel und Hygieneartikel zu organisieren. Schlange stehen – sei es bei Behörden, vor den Bodegas für subventionierte Lebensmittel oder für den Bezugsschein für Holzkohle und Petroleum – gehört bis heute zum kubanischen Alltag.

Seit der schweren Krise in den 90ern hat sich jedoch auch viel getan, wie ich bei meinen Besuchen zahlreicher Projekte in der Hauptstadt Havanna sowie in den Provinzen Santiago und Holguín feststelle. Die Folgen der wirtschaftlichen Liberalisierung unter Raúl Castro sind bereits überall sichtbar. Vor drei Jahren hatte die Regierung ein umfassendes Reformpaket verabschiedet – und der konsequente Selbsthilfeansatz, den die Welthungerhilfe mit ihren Projekten verfolgt, brachte die beteiligten Menschen in eine klare Vorreiterrolle innerhalb dieses Öffnungsprozesses.

Unternehmerisches Denken für die Zukunft Kubas

Die Welthungerhilfe konzentriert sich gemeinsam mit ihrer lokalen Partnerorganisation ACPA, der Kubanischen Vereinigung für Tierproduktion, auf die Beratung und Unterstützung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Diese gingen mehrheitlich aus der notwendigen Umstrukturierung großer Staatsbetriebe hervor. Wie sich jetzt zeigt, war es gut und vorausschauend, diesen Genossenschaften nicht nur bessere Produktionstechniken zu vermitteln, sondern sie auch in strategischem und unternehmerischem Denken zu schulen.

Bei meinem Besuch der Produktionsgenossenschaft CPA Abel Santamaría in Santiago bestätigt mir dies der langjährige Geschäftsführer Paco in eindrucksvoller Weise: „Früher haben wir nur die Missstände beklagt und den Staatsbetrieb für alles verantwortlich gemacht. Jetzt haben wir gelernt, unsere Stärken und Schwächen besser zu erkennen, in realistischen Möglichkeiten zu denken und diese in konkrete Businesspläne umzusetzen.“ Und mir ist klar: Allein der Begriff „Businessplan“ wäre früher undenkbar gewesen …

Von neuen Produktionen und Einkommensquellen profitiert die gesamte Kooperative

Die positiven Folgen für die Familien in dieser Kooperative sind unverkennbar: Ihr Einkommen hat sich mehr als verdoppelt, und sie haben neue Einkommensquellen erschlossen. Ursprünglich nur auf die Fleisch- und Milchproduktion innerhalb strenger Planvorgaben konzentriert, erwirtschaftet die Kooperative heute bereits 40 Prozent ihrer Einnahmen aus der Weiterverarbeitung von Früchten (z.B. früher ungenutzten Mangos). Das Fruchtfleisch verkaufen sie zum Beispiel an Eisfabriken. So können die Mitglieder – durch die Schulungen gut vorbereitet – alle Möglichkeiten der wirtschaftlichen Liberalisierung für sich nutzen. Und damit ist auch ihre eigene Ernährungsgrundlage deutlich vielseitiger geworden.

Resistenter gedeckte Dächer trotzen dem nächsten Sturm

Zahlreiche Wirbelstürme machten in den letzten Jahren aber auch wiederholt Nothilfeeinsätze der Welthungerhilfe erforderlich. Noch immer unterstützen Kollegen die Menschen vor Ort dabei, die Folgen des Hurrikans Sandy zu beseitigen - Ende 2012 hatte dieser mit unglaublicher Wucht weite Teile der Provinz Santiago zerstört. Bei meinem Besuch der geförderten Bauernkooperativen in der Region zeigen mir Arbeiter der Baubrigaden wie sie die beschädigten Dächer nach einem neuartigen Verfahren decken, welches Dächer resistenter gegen Stürme machen soll. Dank der Schulungen und der neuen Arbeitsgeräte ist ihre Expertise nun überall sehr gefragt, erklären sie mir. Andere Kooperativen und selbst staatliche Institutionen fragen ihre Dienstleistung an und sie erwirtschaften damit ein zusätzliches Einkommen.

Gute Zusammenarbeit auch in schwierigen Jahren

Der abschließende Festakt in Havanna zur 20jährigen Kooperation war ein sehr bewegendes Ereignis für mich. Sogar der inzwischen pensionierte erste Projektleiter der Welthungerhilfe auf Kuba, Peter Sasse, war zusammen mit seiner Frau privat angereist. Ohne ihn, sein hohes persönliches Engagement und seinem aus DDR-Vergangenheit und Angola-Einsatz gewonnenem praktischen Blick für Möglichkeiten innerhalb von Systemgrenzen, wäre vieles in den schwierigen Anfangsjahren der Zusammenarbeit nicht möglich gewesen. Beim Wiedersehen mit unseren kubanischen Partnern flossen daher auf beiden Seiten reichlich Tränen.

Typisch kubanisch wurde auf dem Festakt zum Abschluss sogar getanzt – auch zu dem Song „Acabemos con el hambre del mundo“ der Gruppe „Cubanos en la Red“; sie komponierten dieses Lied speziell für das Jubiläum der Welthungerhilfe. 

„No es fácil“ - es ist nicht einfach - war ein Spruch, den ich auf meiner Reise immer wieder hörte. In der Tat bleibt die Lage auf Kuba trotz wirtschaftlicher Öffnung sehr schwierig. Aber während meines Aufenthaltes habe ich auch gespürt, dass es in der Bevölkerung eine unglaubliche Welle von Eigeninitiative und unternehmerischen Ideen gibt, um ihre neuen Möglichkeiten besser ausschöpfen zu können. Ich bin gespannt, welche Erfolge die Menschen in unseren Projekten mir beim nächsten Treffen berichten können. Ganz nach dem Motto: „No es fácil – pero si, se puede“ - es ist nicht einfach – aber es ist möglich!

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