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30.07.2015 | Blog

Flüchtlingssiedlungen in Uganda – von wegen Zeltplane

Charlotte, meine weltwärts-Kollegin hier in Uganda, und ich waren vor einigen Wochen zu Besuch in einer Siedlung für Flüchtlinge im Norden Ugandas. Hier berichten wir beide von unseren Begegnungen.

Flüchtlinge in einer Flüchtlingssiedlung in Uganda
Das Übergangszentrum liegt in der Nähe der Kleinstadt Adjumani.
Alina Zalewski Freiwillige "Weltwärts"

Wir sind unterwegs nach Adjumani, im Norden Ugandas. Von den ca. 150.000 Süd-Sudanesen, die in Uganda derzeit Schutz suchen, sind hier mehr als 70% in Flüchtlingssiedlungen untergebracht. Uns interessiert: Was durchlebt eine Flüchtlingsfamilie, sobald sie die Grenze überquert? Wie leben Flüchtlinge aus dem Südsudan in dem für sie fremden Uganda? Welche Unterstützung erhalten sie? Was denkt die einheimische Bevölkerung? Fragen über Fragen. In unseren Köpfen haben wir Bilder von Zeltstädten, von kranken, unterernährten Kindern. Von einem Leben auf Zeit, ohne einen stabilen Alltag, jederzeit bereit, wieder nach Hause zurück zu kehren. Entsprechen aber unsere mediengeprägten Vorstellungen der Realität?

1. Station: Ankunft in Uganda. Zuerst müssen sich Flüchtlinge registrieren

Ein kleiner Bach, eine Brücke, ein paar Soldaten. Die Grenze ins sichere Uganda ist erreicht. Viele Südsudanesen überqueren tagtäglich die Grenze. Einige laufen und tragen ihr nötigstes Hab und Gut auf den Schultern. Viele fahren mit kleinen Mini-Bussen, eigenen Autos oder Taxis. Sie werden im Registrierungszentrum in Elegu von ugandischen Regierungsvertretern, Soldaten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen in Empfang genommen, nach Waffen durchsucht, und das Familienoberhaupt wird unter Angabe der Anzahl der Mitreisenden registriert. Hier wird auch kontrolliert, ob es sich wirklich um Flüchtlinge handelt.

85% der Flüchtlinge, die wir hier empfangen, sind Frauen und Kinder, darunter viele Waisen.

„Für den Moment werden die Kinder und Jugendlichen anderen Flüchtlingsfamilien, sogenannten ‚Care takers‘ zugewiesen. Meist kommen die Waisen schon mit anderen Flüchtlingen über die Grenze, weil sie sich auf ihrer Reise bis hierher eingeschlossen haben“, erklärt uns Susan, die für die Registrierung zuständig ist.

Nach den Formalitäten werden pro Person drei Packungen Kekse und etwas Seife verteilt. Wasser ist im Brunnen verfügbar. „Es ist nicht viel, aber immerhin etwas, um die akuten Bedürfnisse zu decken“, so Susan. Bei einer späten Uhrzeit wird den Ankömmlingen auch zuerst ein Schlafplatz zugewiesen, wo sie die Nacht verbringen können.

2. Station für Flüchtlinge: Warten im Übergangszentrum

Täglich gegen Nachmittag werden die Flüchtlinge vom Registrierungszentrum an der Grenze in das ca. 40 km entfernte Übergangszentrum in der Nähe der Kleinstadt Adjumani gebracht. Hier werden die Daten jeder einzelnen Person aufgenommen und man versucht, Verwandte, die schon in den Flüchtlingssiedlungen wohnen, ausfindig zu machen und sie zusammen zu führen. Vor allem bei allein reisenden Kindern ist das wichtig, meist jedoch überaus schwierig.

In dem Übergangszentrum sollen die Flüchtlinge maximal 14 Tage bleiben, oftmals dauert es jedoch länger, bis das „Office of the Prime Minister“ (OPM) kleine Landstücke den einzelnen Familien zugeteilt hat. Bis dahin leben die Flüchtlinge in Zelten, bekommen drei Mahlzeiten am Tag, haben Zugang zu sauberem Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Es ist ein kleines Zeltdorf = ein Flüchtlingslager, wie es oftmals in den Medien gezeigt wird. Hier im Übergangszentrum bei Adjumani leben derzeit etwa 2.700 Flüchtlinge. Die Zahl schwankt jedoch jeden Tag, da es nur eine kurzzeitige, und, wie der Name schon sagt, eine Übergangsstation ist.

3. Station: Umzug auf das eigenes Land – Leben in den Flüchtlingssiedlungen

Früher oder später bekommt jede Flüchtlingsfamilie vom OPM ein Landstück (20m x 25m) in einer der 16 Siedlungen zugewiesen. Es ist eine Siedlung mit Hütten, keine Zelte! Kein Lager oder Camp. Die Stammesgruppen der Dinker und Nuer werden vorsichtshalber getrennt, da es seit Ausbruch des Bürgerkrieges im Südsudan zu vielen Gewaltausschreitungen zwischen den beiden Gruppen kommt.

Die Dorfanlage ist rein pragmatisch strukturiert und gut organisiert; sie erinnert an das Schachbrettsystem US-amerikanischer Vorstädte. Es gibt Schulen, Marktplätze, kleine Shops, Friseure. Neue Familien bauen aus den verfügbaren natürlichen Materialien ihre Lehmhütten, konstruieren sich eine neue Unterkunft, eine neue Existenz. Sie bestellen mit dem zugeteilten Saatgut ihren kleinen Garten. Das Leben geht hier seinen gewohnten Gang; es wird längerfristig geplant und auch gehandelt.

Wie reagiert die einheimische Bevölkerung Ugandas auf die Flüchtlinge? Gibt es Neid oder Ärger?

Land ist ein rares Gut in Norduganda. Wir fragen uns, wie die lokale Bevölkerung reagiert, wenn viele Quadratmeter den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden. Das Leben in den Flüchtlingssiedlungen ist gut im Vergleich zu vielen ländlichen, armen Dörfern in Uganda. Materialien, Saatgut und Werkzeuge werden von NGOs zur Verfügung gestellt, Brunnen für sauberes Trinkwasser werden gebohrt. Kinder können kostenlos zur Schule gehen. Die einheimische Bevölkerung hat meist sehr ähnliche Probleme. Trotzdem bleibt es ruhig, und es kommt nicht zu Konflikten.

Die ugandische Regierung hat, um genau diesen Problemen entgegen zu wirken, ein Gesetz erlassen, dass 30% der Gelder, die in die Flüchtlingsprojekte gehen, der einheimischen Bevölkerung zu Gute kommen. Das heißt, bei einem Projekt, bei dem 20 neue Brunnen geplant werden, werden mindestens sechs in den umliegenden Dörfern errichtet. Auch lokal ansässige Schulkinder können die neuen Schulen mit besuchen, die zum Teil näher liegen und besser ausgestattet sind als ihre alten.

Keine Frage: Flüchtlinge wollen in ihre Heimat zurückkehren

Die meisten Flüchtlinge freuen sich, wenn sie zurück in ihre Heimat können – zurück zum eigenen Land, zu ihrer Familie. Doch die meisten planen, mindestens noch einige Jahre in Uganda zu bleiben. Die Lage in ihrem Heimatland sieht noch immer kritisch aus, und die UN ist weit davon entfernt, eine Entwarnung zu geben. Zudem denken viele Mütter an ihre Kinder. Rebecca erklärt uns: „Hier in Uganda können meine Kinder zur Schule gehen. Wer weiß, wie die Situation zu Hause ist. Ich möchte warten, bis meine Kinder mindestens die Grundschule abgeschlossen haben und somit im Südsudan bessere Chancen haben. Von der Welthungerhilfe habe ich gelernt, wie ich Felder bestellen kann. Mit diesem Wissen kann ich dann in meiner Heimat eine neue Zukunft starten.“

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9. Juli 2011: Südsudan erlangt nach jahrelangem Konflikt seine Unabhängigkeit. Zehntausend Südsudanesen sind auf den Straßen Jubas; feiern ausgelassen, singen und tanzen. Hoffnung liegt in der Luft. Heute, vier Jahre später gibt es keinen Grund mehr zum Feiern. Straßen sind ausgestorben. Man bleibt zu Hause. Einst vereint gekämpft für die Unabhängigkeit, bekriegen sich nun die beiden größten Stammesgruppen des Südsudans, die Dinka und die Nuer, um die Machtpositionen des neuen Staates.  Dieser neue Konflikt bedeutet vor allem eins: Angst, Gewalt, Missbrauch, Vertreibung und Verlust der Lebensgrundlage. Seit 2013 sind über 2,25 Millionen Südsudanesen (ca. 20% der Gesamtbevölkerung) auf der Flucht. Über 600.000 Menschen suchen Schutz und Hilfe in den Nachbarländern. Wie diese Flucht aussieht, wohin sie führt und wie die Zukunft danach wird, das weiß keiner. Die Hoffnung auf Sicherheit und Unterstützung treibt sie an. 

 

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