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09.06.2017 | Blog

In der Türkei feiern wir den Ramadan nicht

Der Ramadan hat begonnen. Viele Flüchtlinge, die aus Syrien in die Türkei geflohen sind, begehen den Fastenmonat hier nicht oder nur in abgeschwächter Form.

Ein Welthungerhilfe-Mitarbeiter verteilt Datteln an Flüchtlinge aus Syrien.
Die Welthungerhilfe verteilt Datteln an Flüchtlinge aus Syrien. Die Früchte werden traditionell zum Fastenbrechen gegessen. © Welthungerhilfe
Stephanie Binder Landesbüro Türkei/Syrien/Irak (bis 2018)

Am Samstag, 27. Mai 2017, begann der Fastenmonat Ramadan, in dem Muslime traditionell von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang fasten. Für viele Syrer in der Türkei ist es der vierte oder fünfte Ramadan, den sie als Flüchtlinge außerhalb ihrer Heimat verbringen. Zum Beginn des Ramadan hat die Welthungerhilfe mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes 1.000 Pakete Datteln an syrische und türkische Familien in der Türkei verteilt. Die Früchte werden traditionell zum Fastenbrechen gegessen. Ich habe mit einigen Syrern gesprochen und sie gefragt, wie sie den Ramadan vor dem Konflikt in ihrer Heimat verbracht haben und wie sie den Fastenmonat in der Türkei erleben.

Viele von ihnen erinnern sich wehmütig an die Traditionen und Bräuche zurück, die sie mit dem Fastenmonat in Syrien verbinden. Sie vermissen die Zeit, die sie damals mit Nachbarn, Freunden und der Familie verbrachten, denn in Syrien ist Ramadan vor allem ein Monat der Gemeinschaft.

„Die gesamte Familie kam zum Fastenbrechen“

„Wir fingen bereits eine Woche vor Beginn des Fastenmonats an, Lebensmittel für den Ramadan zu kaufen. Unser Kühlschrank war in dieser Zeit voll. Ich habe fünf Brüder und sechs Schwestern. Am ersten Tag des Ramadans wurden wir alle von meinen Eltern zum Fastenbrechen eingeladen. Am zweiten Tag luden wir alle ein, am dritten Tag lud einer meiner Geschwister die gesamte Familie ein, bis jeder von uns mindestens einmal alle eingeladen hatte“, erzählt Zeyneb Deiri*, die aus der syrischen Provinz Idlib geflohen ist und derzeit in Kahramanmaras lebt.

Andere Flüchtlinge haben mir von den schönen Gemeinschaftserlebnissen erzählt, die sie während des Ramadan hatten: Am frühen Abend trafen sie sich auf der Straße, um gemeinsam das traditionelle Fastenbrechen iftar (das Abendessen nach Sonnenuntergang) abzuwarten. Kinder spielten miteinander, Erwachsene unterhielten sich. Nach Sonnenuntergang endlich trafen sich dann Nachbarn, Freunde und die Familie zum gemeinsamen Essen. Überall waren die Küchen und Wohnzimmer voll von Menschen.

Liebesdramen flimmern über den Bildschirm

Später schaute man gemeinsam Fernsehserien, die speziell für den Fastenmonat produziert werden. Schon Wochen vor Beginn des Fastenmonats waren alle gespannt, welche Liebes- und Familiendramen sich während des Ramadans auf den Fernsehern von Millionen von Menschen in der arabischen Welt abspielen würden.

Viel Schlaf bekommt man in dieser Zeit nicht, denn schon bald ist es wieder Zeit für suhoor – das Frühstück am frühen Morgen vor dem ersten Gebet und dem Sonnenaufgang.

„Hier sind wir auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen“

„In Aleppo fingen wir zwei bis drei Tage vor Beginn des Ramadans an, Essen für das erste Fastenbrechen vorzubereiten. Hier in der Türkei ist das nicht so. Wir sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Normalerweise gehen wir täglich gegen 16:30 Uhr zur Moschee und warten bis zur Essenausgabe zum Fastenbrechen um 20 Uhr. Das Frühstück am frühen Morgen bereiten wir als Familie zu Hause vor“, erzählt Leen Alhasan*, die aus Aleppo stammt und jetzt in Kahramanmaras lebt.

Auch für Zeyneb Deiri ist der Ramadan in der Türkei ganz anders als in ihrer Heimat: „Hier feiern wir den Ramadan nicht. Es ist alles anders. In Syrien wurde man am frühen Morgen von jemandem geweckt, der trommelnd und singend durch die Straße zog, um die Fastenden für das traditionelle Frühstück vor Sonnenaufgang zu wecken.“

Viele Syrer empfinden ihren Alltag als Flüchtlinge in der Türkei als beschwerlich, das kam bei unseren Gesprächen heraus. Oft können sie sich Dinge des täglichen Bedarfs nicht mehr leisten. Sie sind auf Nahrungsmittel von lokalen Moscheen oder anderen Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen angewiesen – auch während des Fastenmonats Ramadan. Hier wird ihnen besonders schmerzlich bewusst, wie sehr der seit Jahren anhaltende Krieg in Syrien ihr Leben verändert hat.

* Namen von der Redaktion geändert.

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