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29.06.2015 | Blog

Auf Feldbesuch in Kambodscha

Kilometerlange Kautschukfarmen und der Kampf um Landtitel

Mehrere Fotos aus Lebenssituationen der Kambodschaner
Fotomontage mit mehreren Bildern aus Ratanakiri
Stella Peschel Landesbüro Kambodscha

Eine Woche Feldvisite in Ratanakiri… Phnom Penh liegt bald hinter mir und damit auch der unglaubliche Verkehr, die ungeduldigen Tuk-Tuks, die tausenden von Stromkabel, die die Straßen schmücken, die lauten und engen Märkte, die starken Gerüche, der Müll und die unfassbare Hitze dieses faszinierenden städtischen Dschungels.  Sechs Uhr morgens. Die Sonne verbreitet schon ihre ersten Strahlen und unser Minivan saust Richtung Norden – Richtung Ratanakiri. Der Name selbst gefällt mir, er drückt etwas Magisches aus…

Auf geht’s: Entlang an kilometerlangen Kautschukfarmen

Der Wagen ist rappelvoll – gefüllt mit Leuten, Kisten, Kartons und Produkten, die für Nachschub in den fern liegenden Provinzen sorgen sollen.  Nach und nach ändert sich die Landschaft. Sie wirkt trocken und kahl, denn die Regenzeit hat noch nicht richtig angefangen und lässt dieses Jahr besonders lang auf sich warten. An der Straße entlang erstrecken sich hunderte Kilometer von Gummibäumen, die sich mit dichtem und wildem Wald abwechseln. Wie ich hier erfahren habe erobern große Kautschukfirmen das Land, um ihre Monokultur anzupflanzen. Es scheint für mich so, als ob man den Bäumen ins Fleisch schneidet und sie bluten würden. (Hier noch ein Video-Tipp: Landgrabbing in Kambodscha )

Das «weiße Gold» nimmt mittlerweile weite Flächen ein, dort wo früher Jahrhunderte Jahre alter Wald stand und Menschen in ihren Dörfer lebten.

Die Erde wird immer röter, die Hügel immer dichter und grüner. Der Kontrast zwischen beide Farben ist stark, der Himmel grell und das Licht blendet.

Nach sieben Stunden kommen wir in Ban Lung an

Ban Lung ist die ruhige Hauptstadt der Provinz Ratanakiri, die sich um ihren Zentralmarkt organisiert. Ich entdecke eine ganz neue, andere Seite Kambodschas als die, die ich in der Hauptstadt kennengelernt habe. Obwohl auch Ban Lung touristisch gut erschlossen ist und es durchaus ein städtisches Treiben gibt, geht hier alles etwas ruhiger von statten. Verkehr gibt es hier natürlich auch, aber man merkt dennoch, dass es eine Kleinstadt ist, vor allem an der geringen Anzahl der Tuk-Tuks. Ban Lung ist außerdem bekannt für seinen roten Staub, der vor allem in der Trockenzeit alles um sich herum färbt – die Blätter, die Tiere, die Häuser… und er kitzelt die Augen und kratzt im Hals. Im Umland gibt es viele rauschende und heilige Wasserfälle oder Seen. Sobald man etwas weiter aus der Provinzhauptstadt raus und in die Distrikte fährt, gibt es immer weniger Westler, sogenannte Barangs, und erst recht kaum Touristen. Das Land hier wird von verschiedenen indigenen Kommunen bewohnt und bestellt, von Jarai, Brov und noch von einigen anderen. Es wachsen Reis, Bananen und Mangos auf den Feldern, Rattan, Bambus und wildes Gemüse im Wald…

Doch zurück nach Ban Lung – Jenny (meine Kollegin) stellt mir die dortigen Mitarbeitenden der Welthungerhilfe und ihrer lokalen Partnerorganisationen vor. Ihr breites Lachen steckt mich an. Das Office liegt gegenüber einem runden See in einem schönen Holzhaus. Wir sitzen oben auf der Terrassenbank, trinken einen sehr typisch süßen kambodschanischen Kaffee und bereiten unsere Feldvisite vor. Ich fühle mich ein bisschen wie vor einem Marathon, denn ich weiß, die nächsten Tage werden gleichzeitig unglaublich spannend und anstrengend werden.

Zu Besuch: Neugierige Blicke zur Begrüßung

Unser Besuch im Feld beginnt im Andong Meas Distrikt. Die Wege sind schlecht, eng und von Löchern durchsähet. Manchmal frage ich mich, wie wir überhaupt durchkommen können. Doch unser Fahrer kennt sich aus und bald kommen wir durchgeschüttelt aber gut im ersten Dorf an. Unser Ankommen bleibt nicht unbemerkt, viele neugierige und irgendwie auch überprüfende Gesichter schauen uns an. Doch der Gemeindechef heißt uns gleich herzlich willkommen – für ihn war unsere Ankunft keine Überraschung.

Zuerst halten sich die Kinder zurück. Doch nach und nach kommen sie näher und ein Junge traut sich an uns heran. Er überlegt eine Weile, prüft die Lage, schaut kurz zu seiner Mutter herüber, die uns ebenfalls betrachtet und rennt plötzlich auf uns zu, um uns in die Hände zu klatschen. Ein paar Minuten später versammeln sich alle Kinder um uns herum. Sie drücken uns Durianfrüchte in die Hand, während die Frauen in Gruppen im Schneidersitz sitzen und Bananenblätterzigaretten rauchen, dabei spucken sie regelmäßig auf den Boden, was hier schlichtweg normal ist. Sie kämmen sich die langen schwarzen Haare und lachen über das Schauspiel und den Spaß, den die Kinder und die Barangs zusammen haben.

Wie leben und arbeiten die Menschen in den Dörfern?

Die ganze Gemeinde sitzt bald am Tisch und verteilt Reis, eingewickelt in Bananenblätter. Dazu gibt es leckeres Gemüse, von dem ich leider den komplizierten Namen vergessen habe. Männer trinken mit selbst gemachten Strohhalmen traditionellen Reiswein aus einem Krug. Nach dem Essen zeigt uns ein Dorfbewohner die traditionellen Werkzeuge der Jarais. Die Hände voller Erde und Blasen, erzählt er uns stolz über seine Arbeit im Feld. Die Mittagssonne brennt auf unserer Haut und die Hitze macht uns müde.

Schweine, Hunde und Hühner laufen frei rum. Die Häuser bestehen aus Holz, Bambus und einfachem Wellblechdach oder auch Bananenblättern. Die meisten Dorfbewohner*innen leben von ihren Tieren und Landwirtschaft. Sie stehen mit der Sonne auf, leben mit dem Tageslicht, besitzen keine Elektrizität und leben von ihrer Tagesarbeit im Feld. Sehr wenige können lesen und schreiben. Von außen betrachtet würde man sie als arm bezeichnen, doch im Inneren kaum. Ich bewundere ihre Kraft und Selbstständigkeit. Ich fühle mich auf einmal sehr klein im Vergleich zu ihnen, aber auch sehr fremd.

Erfahrungsaustausch stillt Wissensdurst

Die zwei nächsten Nächte verbringen wir in der Gegend. Wir bauen unser Lager auf – ein paar Hängematten unter einem Haus, es gibt Stehtoiletten und Wasserkübel zum Duschen. Mein eigener Alltag ist gerade weit weg – einmal mit einer anderen Realität konfrontiert zu sein, tut mir gut.

Als ich am nächsten Morgen aufwache steht schon eine Gruppe von Frauen und Kleinkindern im Garten und wartet auf den Beginn des Workshops, der für diesen Tag von den Projektmitarbeiter*innen organisiert wurde. Begeistert verbringe ich den Tag damit, zu beobachten.

Die Frauen tauschen untereinander Ratschläge und Erfahrungen aus. Sie haben Wissensdurst, wollen das Land verteidigen, auf dem sie seit vielen Jahren leben und kämpfen für ihre Rechte als Frau und für ihre Landtitel.

Ein Schritt weiter in Richtung Landtitel: Komitee wählen, das die Interessen der Gemeinde vertritt

Unsere Woche im Feld endet mit einer Feier im Ta Veng Distrikt. In Tumpuon Roeung Thum Village wird heute gefeiert, denn das Dorf ist im Prozess des Communal Land Titling wieder einen großen Schritt weiter gekommen und ernennt nun offiziell die Mitglieder des Komitees. Die ganze Kommune ist gekommen, Regierungsvertreter sind anwesend, sowie viele der Mitarbeiter der Welthungerhilfe und ihrer Partnerorganisation CEDAC.

Ein großes Holzgebäude trohnt in der Mitte des Dorfes und ist geschmückt mit Blumen und Bananenblättern. Wir kommen genau richtig zum Beginn der Zeremonie. Männer und Frauen stehen sich in traditioneller Kleidung am Eingang des Hauses gegenüber und formen eine Linie links, eine andere rechts – die Männer spielen auf ihren Trommeln, die Frauen malen tanzend Wellen mit ihren Händen in die Luft und singen, während wir feierlich durch diesen überwältigenden Empfang in die Versammlung einlaufen. Zu Beginn des Ereignisses trinken alle Repräsentanten der anwesenden Parteien wieder einen Schluck vom Reiswein, damit die guten Geister das Fest beschützen.

Nachdem die Mitglieder für das Komitee gewählt worden sind, wird gegessen, getrunken, getanzt… und rund um die Musikanten formt sich ein Kreis, der uns zuwinkt und ehe wir uns versehen, sind wir mitten drin in der tanzenden Menge.

Sie möchten mehr zu Landgrabbing erfahren? Auf unserer Landgrabbing Seite gibt es mehr Informationen!
Erfahren Sie Wissenswertes auch in dem Video „Kein Land – kein Leben“

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