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13.08.2015 | Blog

Unerwartete Eindrücke von meinen ersten Tagen auf Madagaskar

„Bienvenue à Madagascar“ hieß es vor vier Wochen – das erste Mal in meinem Leben betrete ich afrikanischen Boden.

Ein Junge zieht ein Pousse-Pousse (Ein Riksha-ähnliches Taxi)
Typisch für Madagaskar: Ein Junge mit einem Pousse-Pousse. © Welthungerhilfe
Marius Moniak FSJ (2014/2015)

Angekommen in der Hauptstadt Antananarivo, die hier nur kurz Tana genannt wird, werde ich vom Flughafen abgeholt, freundlich im Landesbüro der Welthungerhilfe empfangen und abends von meinen neuen Kollegen Susana und Daniel bereits auf ein erstes kulinarisches Abenteuer mitgenommen. Schon am nächsten Tag breche ich mit Susana in den Südosten des Landes nach Farafangana auf. Seither konnte ich schon viele unerwartete Facetten des Landes kennenlernen und jede Menge Eindrücke sammeln, von denen ich euch berichten will:

Eindrücke aus Tana: Kein Paradies für Autofahrer

Die staubigen Straßen von Tana sind nur schwer zu passieren und an jeder Ecke scheint Markt zu sein. In Hülle und Fülle werden hier die verschiedensten Früchte und Verkaufsartikel angeboten. Für die erstaunlich vielen großen Autos ist hierbei in den schmalen Straßen kaum ein Durchkommen. So manch ein Regierungsfahrzeug brettert mit lautem Hupen durch die Straßen.

Die Leute sind warm gekleidet, da auf der ostafrikanischen Tropeninsel gerade der Winter eingezogen ist. Statt tropischer Hitze, wie in Deutschland, habe ich es hier mit Temperaturen um die 20° C zu tun.

Reise nach Farafangana: Reisfelder und Grassteppen statt Regenwald

Entgegen meiner Erwartungen bekomme ich statt Lemuren in erster Linie streunende Hunde und Hühner zu Gesicht. Die Straße in Richtung Süden ist auch nicht von Regenwäldern umsäumt, sondern meist von Reisfeldern umgeben. (Kein Wunder, wo hier scheinbar zu jeder Essenszeit Reis verzehrt wird.)

Die meisten großen Wälder sind schon vor langer Zeit gerodet worden, um Platz für Ackerflächen und Viehweiden zu schaffen. Wie in den meisten tropischen Ländern ist oft bereits nach drei Jahren der Boden landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar und verkommt zur Steppe. Die Bauern und Viehzüchter sind gezwungen weiterzuziehen und neue landwirtschaftliche Flächen durch Waldrodungen zu erschließen. Inzwischen sind bereits 90 Prozent der Waldflächen abgeholzt. Damit verschwindet auch der Lebensraum der über siebzig Lemuren-Arten, für die das Land so bekannt ist.

Extreme Armut und Landflucht

Je weiter wir uns von der Hauptstadt entfernen, umso spürbarer wird die große Armut in Madagaskar. In den Städten fielen mir schon die vielen bettelnden Kindern auf – auf dem Land sehe ich, dass die meisten Kinder und Jugendliche schon in jungen Jahren arbeiten müssen, damit ihre Familien genug zu essen haben. Für einen Großteil der Menschen entspricht ein Euro dem Einkommen eines ganzen Tages.

Madagaskar hat in den letzten Jahren eine rückläufige Entwicklung durchlaufen und gehört inzwischen zu den ärmsten Ländern der Welt.

Der Tagesrythmus, wie er im Südosten Madagaskars vorherrscht, unterscheidet sich deutlich von dem in der hektischen Hauptstadt und ist mir bisher fremd gewesen. Gerade auf dem Land, wo es meist keine Elektrizität gibt, richtet sich der Tagesablauf nach der Sonne. Um sechs Uhr morgens arbeiten die meisten Menschen schon oder sind auf den Straßen unterwegs, während sich abends ab 18 Uhr nach Sonnenuntergang die Leute in ihre Häuser zurückziehen.

Der Alltag ist in meinen Augen sehr beschwerlich. Um einen Markt in der nächstgrößeren Ortschaft zu erreichen, müssen die Frauen und Männer dutzende Kilometer Fußmarsch zurücklegen. Alternativen zur Landarbeit gibt es nicht. Und so zieht es immer mehr vor allem junge Madagassen vom Land in die Städte. Hier versprechen sie sich die Chance auf etwas größere Geldeinnahmen, indem sie zum Beispiel mit den landesüblichen Pousse-Pousse Kunden durch die Straßen kutschieren. Überall trifft man dieses verbreitete Personentransportmittel an, das wie eine Rikscha von einem Mann und manchmal auch von einem Kind gezogen wird.

Reisen mit Hindernissen

Vieles, was in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist, gestaltet sich in Madagaskar äußerst schwierig. Allein die Reise von einer Region in eine andere kann schon ein kleines Abenteuer werden. Madagaskar ist riesig, mit 587.000 km² ist die Insel tatsächlich so groß wie Kenia oder Frankreich, doch die Infrastruktur hinkt weit hinterher. Seit der politischen Krise zwischen 2009 und 2013 wurde kaum noch in das Straßennetz investiert.

Es gibt kaum funktionierende Bahnstrecken und die nationale Fluggesellschaft (nicht umsonst auch Air Mad genannt) befindet sich wochenlang im Streik. Für die Autofahrt in den Südosten bis Farafangana brauchen wir ganze zwei Tage, auf einer Strecke nur etwas länger als München-Berlin. Die sogenannte „Route National“ ist vielerorts so durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Wir müssen in Schritttempo und Slalom um die Schlaglöcher herum fahren.

Rund 20 Kilometer vor Farafangana hört die „Route National“ im Grunde ganz auf zu existieren. Der Asphalt, den es einmal gab, ist schon vor langer Zeit von Wirbelstürmen weggetragen worden. Wenn so die Hauptstraßen aussehen, lässt sich erahnen, welchen Zustand wohl die Nebenwege zu den abgelegenen Dörfern haben.

Während der Regenzeit sind viele Dörfer von der Außenwelt völlig abgeschnitten, berichten mir die Kollegen.

Straßenreparaturen mit der Welthungerhilfe

Hier setzt die Welthungerhilfe mit ihren Projekten in der Region an. Die Rehabilitierung des Straßen- und Wegenetzes hat einen festen Bestandteil darin. Die Bevölkerung erhält benötigtes Werkzeug und führt dann die Reparaturen selbst durch. Als Lohn erhalten die Menschen Nahrungsmittel – das nennt sich auch ‚Food for Work‘-Ansatz. Damit wird gleichzeitig zur Ernährungssicherung beigetragen.

Mit der verbesserten Infrastruktur können Händler die Dörfer erreichen und die Dorfbewohner ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse verkaufen. Damit haben sie nun endlich die Möglichkeit, ihr Einkommen zu steigern und darüber hinaus lokal nicht verfügbare Produkte zu kaufen. Ein stabiles Straßen- und Wegenetz zur Anbindung der Dörfer ist eine der ersten Voraussetzungen für die Entwicklung der Region.

Damit sich auch lange nach Projektende die Straßen nicht wieder verschlechtern, kümmern sich Anwohnerkomitees um die Instandhaltung. Und so müssen wir im Welthungerhilfe-Auto am Kontrollposten brav eine Abgabe zahlen – erst dann dürfen wir die neue Straße passieren. Das ist konsequente Hilfe zur Selbsthilfe. Denn nach Projektende soll die Straßeninstandhaltung mit diesen Einnahmen finanziert und unabhängig von der Unterstützung der Welthungerhilfe selbständig fortgeführt werden.

Mit diesen Eindrücken aus meinen ersten Wochen in Madagaskar verabschiede ich mich.

Veloma! (Tschüss!)

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