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08.10.2015 | Blog

Mit Ökotourismus Perspektiven schaffen

Sechs Uhr morgens, die Sonne geht auf und verbreitet ihre Strahlen über den spiegelglatten See mitten in der Kleinstadt Ban Lung, im Nordosten Kambodschas.

Ein Boot auf einem breiten Fluss
Ökotourismus-Projekte: Was haben sie mit Einkommen, Naturschutz und Nahrungssicherung zu tun?
Hannah Döttling Online Team

Ich packe meinen Reiserucksack, denn heute steht eine Tour zu einem Ökotourismus-Projekt im Virachey National Park an. Es hat nicht geregnet in der Nacht und auch nicht am Abend zuvor, was untypisch ist für Mitte September. Kurz bin ich dankbar, dass die diesjährige Regensaison eher mäßig ausfällt, doch dann wird mir wieder bewusst, dass die Natur sie bitter benötigt.

Kambodschas Wald ist in Gefahr

Zusammen mit zwei Kollegen unserer lokalen Partnerorganisation “Save Cambodia’s Wildlife (SCW)“ starten wir unsere Reise in den Ta Veng Distrikt, den nordöstlichsten Distrikt Kambodschas. Er grenzt an Laos und Vietnam und besteht fast ausschließlich aus tropischem Regenwald. SCW und die Welthungerhilfe arbeiten dort sehr eng zusammen, um gemeinsam mit den dort lebenden indigenen Völkern ihre Natur und Lebensraum zu schützen. Kambodscha ist das Land mit der weltweit höchsten Abholzungsrate, immer mehr Waldflächen müssen riesigen Monokultur-Plantagen weichen.

Der tropische Regenwald – Lebensraum und Nahrungsquelle der Menschen in Kambodscha

Raus aus der idyllischen Kleinstadt, verwandelt sich die Straße sehr schnell in eine holprige Off-Road-Piste, die unseren Geländewagen ordentlich durchschüttelt. Wir passieren das Gate des Virachey National Parks und sind umgeben vom saftigen Grün des tropischen Regenwaldes. Der Park ist besonders beliebt bei Trekking-Touristen, die Natur ist hier noch unberührt, weit weg scheinen die zuvor passierten kilometerlangen Kautschuk-Plantagen, die bei mir einen traurigen Beigeschmack hinterließen. Hier im National Park soll der Wald erhalten bleiben, der nach wie vor eine weltweit einzigartige biologische Vielfalt beheimatet und außerdem von enormer Bedeutung für die dort lebenden Menschen ist: Seit Jahrhunderten ist ihr Leben eng mit ihm verknüpft, er ist ihre Nahrungsquelle und Lebensraum. Und mehr noch: Es ist das Land ihrer Vorfahren, ein spiritueller Ort, ein noch viel wichtigerer Wert als alles andere.

Das systematische Abholzen des Waldes zwingt sie daher sowohl zu einem kulturellen als auch überlebenssichernden Umdenken: Um sich weiterhin ernähren zu können, sind viele heutzutage auf den Verkauf von Brennholz angewiesen, was den ohnehin schon immer kleiner werdenden Wald noch mehr strapaziert. Einkommen zu erwirtschaften  – das gibt es eben kaum Optionen  für die Menschen im National Park. Oder etwa doch?

Ökotourismus-Projekte: Was haben sie mit Einkommen, Naturschutz und Nahrungssicherung zu tun?

Wir halten an, vor uns ein Schild: Otabok – MondulYorn – Okhampha Community Based Ecotourism. Ja, zu diesem Projekt möchten wir hin! Ökotourismus ist eine Möglichkeit, um sowohl die Touristen als auch die Einheimischen für die Natur und ihren Schutz zu sensibilisieren. Und im Dorf MondulYorn schafft der gemeindebasierende Tourismus eben auch Einnahmen für die Bewohner.

Kein Massentourismus, sondern die Menschen und ihre Gemeinde in den ­Mittelpunkt stellen

Gemeinsam mit den Dorfbewohnern in MondulYorn wurden sieben Homestay-Plätze geschaffen. Homestay bedeutet, dass die Touristen gegen eine Gebühr von 2,50 $ pro Nacht bei einer Familie übernachten. 50 Cent davon fließen in die Gemeinde – in die sogenannte Eco-Group, durch die weitere Ökoprojekte unterstützt werden. Den Rest behält die Familie. Auch wenn die Summe klein erscheint, hier in der Region Kambodschas bedeutet das eine wichtige Einnahme, um sich nahrhaft ernähren zu können.

Nach weiteren eineinhalb Stunden Bootsfahrt auf dem Sesan-Fluss laufen wir das letzte Stück zum Dorf durch den schattigen Wald. Wir sind froh darüber, denn mittlerweile ist es beinahe Mittag und die Sonne brennt vom fast wolkenlosen Himmel. Es zwitschert, zirpt, raschelt und knackt um uns herum, knorrige Baumwurzeln verwandeln den Trampelpfad in eine Stolperfalle. Wieder draußen aus dem Wald trifft uns die Hitze wie ein Schlag. Erstaunlich, wie viel kühler es unter einem dichten Blätterdach sein kann.

Als Tourist zu Gast

Vor uns liegt das Dorf: Mehrere zwischen Bäumen und Büschen verteilte, für Kambodscha typische Stelzenhäuser aus Holz, dazwischen spielende Kinder, frei laufende Hunde, Schweine und Hühner. Im Schatten sitzen die Ältesten, rauchen und beobachten das fröhliche Treiben. Auch unsere Ankunft bleibt nicht unentdeckt; wir werden mit einem Lächeln und Winken begrüßt – ein Zeichen, dass wir hier nicht die ersten Barangs – so werden hier oft westliche Ausländer genannt – sind. Unser Gastgeber Pat Thea erwartet uns schon und zeigt uns unseren Schlafplatz in seinem Stelzenhaus. Ich staune über die einfache, dabei so geschickte Bauart des Hauses. Es ist luftig, schützt jedoch vor dem starken Regen, der einige kambodschanische Regionen regelmäßig überflutet.

Armutsbekämpfung durch Tourismus ist mehr, als „nur“ Einnahmen zu erzielen. Die einheimische Bevölkerung nimmt an den touristischen Entscheidungen teil, die Menschen vor Ort werden gefördert und qualifiziert, um sich selbst im Tourismus ein Auskommen zu schaffen. Dabei gilt es immer die Rechte der Menschen zu schützen und zu achten, die kulturellen Gegebenheiten zu respektieren und die natürliche Lebensgrundlage wie hier den Lebensraum Regenwald zu schützen und zu erhalten.

Hannah Döttling

Nach der langen Reise brauchen wir dringend eine Abkühlung. Wie gut, dass das Ufer des Sesan nur ein paar Meter entfernt ist! Als wir ankommen, planschen schon ein paar Kinder im kühlen Nass. Auch wir genehmigen uns ein erfrischendes Bad und verbringen anschließend den restlichen Nachmittag mit einer Dorferkundung. Zurück zu unserer Gastfamilie zieht uns schließlich ein leckerer Duft … Verschiedene lokale kambodschanische Gerichte erwarten uns zum Abendessen, eine bunte Mischung aus Fisch, Kürbis, Spinat und Omelette. Natürlich fehlt es auch nicht an bai – Reis. Doch zuvor lädt uns Pat Thea ein, mit ihm eine ganz andere Spezialität des Dorfes zu genießen. Er bringt einen Tonkrug und ein paar selbst gemachte Strohhalme und ermutigt uns, einen Schluck zu trinken. SCW-Kollegin Makara klärt uns auf: Es ist traditioneller Reiswein, den die Dorfbewohner selbst herstellen. Nach und nach gesellen sich immer mehr Leute zu uns und unterhalten sich angeregt zuerst unter sich und dann mit uns: Mit einem Stück Kohle werden Namen auf den Holzboden geschrieben, die Geburtsjahre, Anzahl der Kinder und vieles mehr folgen.

Das geschäftige Stadtleben ist fast vergessen

Der Abend vergeht schnell. Müde und zufrieden machen wir es uns auf unserem Nachtlager bequem. Die Geräusche der Nacht beruhigen, erst das Hahnenkrähen am anderen Morgen weckt uns wieder auf. Ich habe kein Zeitgefühl, hier lebt man mit dem Tageslicht. Und es ist schon hell, man hört Kindergelächter, Pfannengeklapper und irgendwo trällert auch ein Radio. Ein etwas anderer Projektbesuch neigt sich dem Ende zu. Wir sind entspannt, der Besuch im Dorf ließ uns das laute und geschäftige Stadtleben in Phnom Penh vergessen.

Kaum verabschiedeten wir uns vom Dorf und unseren Gastgebern, da setzt der lang ersehnte Regen ein.

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