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13.01.2016 | Blog

Death In Small Doses – Pestizide in Kambodscha

Die Vorstellung, dass es eines Tages keine Bienen mehr geben könnte, macht mich traurig. Die Honigbiene spielt eine entscheidende Rolle für die Bestäubung zahlreicher Nutzpflanzen, wie Äpfel, zahlreiche Beerenarten, Kirschen oder Mandeln. Würde es die Honigbiene eines Tages nicht mehr geben, müssten wir auf diese Köstlichkeiten verzichten.

Hand berührt Ähren
Was wie gesunde Ähren aussieht ist häufig sehr stark mit Pestiziden belastet. © Hacky Hagemeyer
Julia Thienhaus Country Office Myanmar

Die Gründe für das seit Ende der 2000er Jahre einsetzende Bienensterben in Europa und Nordamerika bleiben nach wie vor ein Rätsel.

Wissenschaftler sind sich jedoch einig, dass es für das Phänomen mehrere Gründe gibt:

Die Pestizidgruppe der Neoniconoide steht im Verdacht, Bienen besonders zu gefährden: Ihre Lernfähigkeit und ihr Gedächtnis nehmen ab, die Arbeiterinnen finden häufig nicht mehr zu ihrem Bienenstock zurück und müssen sterben. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sprach in einer Pressemitteilung im Jahr 2013 auch für den Menschen eine Warnung für einige Neonicotinoide aus: Möglicherweise können diese auch die Entwicklung unseres Nervensystems negativ beeinflussen. 

Alle in der EU zugelassenen Wirkstoffe müssen regelmäßig geprüft werden, um die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Mittels feststellen zu können. Danach entscheidet sich, ob diese in der europäischen Landwirtschaft verwendet werden dürfen. Dies ist schonmal ein wichtiger Schritt. Die Situation in anderen Teilen dieser Erde sieht jedoch anders aus, wie zum Beispiel in Kambodscha, wo ich derzeit für die Welthungerhilfe tätig bin.

Obwohl die Wirtschaft in Kambodscha wächst, ist es nach wie vor eines der ärmsten Länder Südostasiens. Die Welthungerhilfe ist hier seit über zwanzig Jahren aktiv und setzt sich vor allem für die Rechte der Zivilbevölkerung ein, sorgt für die Verbesserung der Ernährungslage und möchte die Menschen für den Naturschutz sensibilisieren

Warum gibt es so viele Pestizide auf den Feldern?

Um gute landwirtschaftliche Erträge erzielen zu können, entscheiden sich viele Bauern für die Verwendung von Pestiziden. Wie in anderen großen Branchen wird auch der Pestizid-Sektor von nur wenigen, jedoch einflussreichen Konzernen dominiert. Mit einem gemeinsamen Anteil von 47% wird rund die Hälfte des globalen Pestizid-Weltmarktes von folgenden Konzernen beherrscht: Syngenta (19% Anteil), Bayer Crop-Science ( 17%) und BASF (11%). (Quelle: Pestizid-Aktionsnetzwerk e.V.) Alle drei Konzerne sind in Europa ansässig, zwei sogar in Deutschland.

Viele der Pestizide, die in Kambodscha verwendet werden, kommen meist illegal aus den Nachbarländern über die Grenze. 60% der Beschriftungen auf den Verpackungen sind in Thai oder Vietnamesisch – Sprachen, die für die khmersprechende Bevölkerung nicht verständlich sind. Oft verlassen sich die Kunden daher auf die Empfehlungen der Verkäufer. Doch die haben meist selbst nur wenig Ahnung von der Anwendung der Chemikalien. Daher kommt es häufig zu gefährlichen Mischungen von unterschiedlichsten Pestiziden.

Bauern kennen die Gefahren der Pestizide oft nicht

Eine sichere Anwendung der Gifte konnte bisher in den meisten Entwicklungsländern nicht gewährleistet werden. Und nur wenige Anwender wissen über die Risiken Bescheid. Einige der verwendeten Pestizide fallen unter die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Klassen 1a und 1b. Zu diesen hochgefährlichen Pestiziden zählen solche, die akut sehr giftig sind, gesundheitliche Langzeitschäden verursachen oder für die Umwelt extrem schädlich sind.

Einem Bericht unserer kambodschanischen Partnerorganisation CEDAC zufolge schützen sich viele Bauern während der Feldarbeit nicht ausreichend. CEDAC setzt sich u.a. dafür ein, die Bauern hierzu aufzuklären. Schutzkleidung und Atemmasken sind jedoch meist nur schwer erhältlich, zudem teuer und unkomfortabel bei der tropischen Hitze.

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass die Nutzung von Pestiziden mit großen gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Langzeitschäden wie Krebs, Erbgutschäden oder Störungen des Hormonsystems werden in Kambodscha jedoch kaum erfasst.

Frauen und Kinder besonders durch Chemikalien gefährdet

Besonders Frauen und Kinder sind gefährdet und den gesundheitlichen Belastungen durch Pestizide ausgeliefert. In Kambodscha arbeiten rund 60 Prozent der Frauen in der Landwirtschaft. Viele kommen mit Pestiziden in Berührung.

Vor allem die Situation schwangerer Frauen schockt mich: Pestizide können in die Plazenta gelangen und so den Fötus schädigen. Einem Bericht des Pestizid Aktions-Netzwerkes (PAN) zufolge ist die Fehlgeburtenrate von Frauen in der Kandal Provinz, die regelmäßig Pestizide versprühen, um 25 Prozent gestiegen.

Neben gesundheitlichen Schäden zeigt der massive Einsatz von Pestiziden sein wahres Gesicht in der Landwirtschaft erst Jahre später: Das Ökosystem ist bereits nachhaltig geschädigt. Zwar können durch den Einsatz von Düngemitteln Ernteausfälle auf bereits erodierter Erde noch eine Zeit lang herausgezögert werden, doch zeitgleich wird unser Lebensraum weiter zerstört. Es entsteht ein Teufelskreis.

Giftmüll auf den Feldern gefährdet Mensch und Natur

In diesem Zusammenhang bereitet mir auch die Entsorgung leerer Pestizidbehälter in Kambodscha erhebliches Kopfzerbrechen: Leere Behälter bleiben meist auf den Feldern liegen, wo sie vergraben oder verbrannt werden. Andere werden in nahegelegenen Flüssen oder Tümpeln entsorgt. Von manchen werden die leeren Behälter jedoch auch wiederverwertet, wie zum Beispiel als Kerosinlampe. Es kam jedoch auch schon vor, dass sie zur Essensaufbewahrung verwendet wurden. Eine schreckliche Vorstellung!

Doch der Einfluss der Lobbyisten großer Konzerne macht eine solche Trendwende eher unwahrscheinlich, denn sie profitieren vom massiven Einsatz der Pestizide. „Buy one, get one free“ ist eine beliebte Methode, um ihre Produkte zu vermarkten.

Nur wer Ziele hat, kann etwas erreichen

Gerade deswegen haben wir uns zum Ziel gesetzt, etwas zum Positiven zu verändern! Gemeinsam mit den in Kambodscha ansässigen Alliance-Partnern (PIN und ACTED) erarbeite die Welthungerhilfe derzeit die Kampagne ‚What is in your Food‘. Nachdem wir Obst- und Gemüsesorten von lokalen Märkten auf ihren Pestizidgehalt hin getestet haben, wollen wir die Rechte der Bauern und der Verbraucher in den Mittelpunkt staatlicher und unternehmerischer Verantwortlichkeit rücken. Unser Ziel ist es, die Bevölkerung über die Gefahren von Pestiziden aufzuklären.

Pestizidverseuchte Lebensmittel sind nicht nur in Kambodscha, sondern weltweit ein Problem, und so hoffe ich, dass durch unsere Kampagne ein Wandel hervorgerufen wird! Denn wie dieses Beispiel zeigt, muss in dieser Hinsicht noch viel mehr getan werden – auch bei uns in Europa, damit das Bienensterben gestoppt werden kann!

Der Artikel ist im Rahmen der WWF-Blogparade zum Thema Wie schaffen wir Veränderung? Brauchen wir bessere Vorsätze? entstanden.

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