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21.10.2016 | Blog

Refugees welcome, auch für immer

Uganda heißt Flüchtlinge aus dem Südsudan willkommen. Von dieser Politik profitiert auch die Wirtschaft. Bei der Erstversorge benötigt das Land jedoch Unterstützung.

Ein Zelt einer Flüchtlingsfamilie steht inmitten einer Grünfläche.
Flüchtlinge bekommen in Uganda ein Stück Land zugewiesen ... und dürfen bleiben. Notfalls für immer. © Welthungerhilfe
Simone Schlindwein Journalistin

Uganda gilt als stabile Insel im krisendurchzogenen Herzen Afrikas, das Flüchtenden aus dem Südsudan und den vielen anderen kriegs- und krisengeschüttelten Nachbarländern Zuflucht bietet. Wer etwas über Flüchtlingspolitik jenseits von Abschottung lernen möchte, sollte nach Uganda schauen, denn es gilt weltweit als Beispiel für eine liberale Flüchtlingspolitik. Wer hier Schutz sucht, bekommt ein Stück Land zugewiesen, um sich niederzulassen – zur Not auch für immer. Ugandas Wirtschaft profitiert davon.

Ugandas größtes Flüchtlingslager Nakivale, gelegen im unbesiedelten Westen des Landes zwischen grünen Hügeln, ist mittlerweile eine Kleinstadt mit über 100.000 Einwohnern. Flüchtlinge der verschiedenen Nationalitäten finden sich in „Stadtteilen“ zusammen und benennen diese nach den Hauptstädten ihrer Heimatländer, wie Ruanda oder Somalia: „Klein-Kigali“ oder „Klein-Mogadishu“ steht auf Hinweisschildern, die durch das Lager führen. Derzeit stampfen burundische Flüchtlinge auf einem weiteren Hügel „Klein-Bujumbura“ aus dem Boden: Aus Holz und Lehm bauen sie ihre eigenen Häuser mit Strohdächer. Jede Familie bekommt von Ugandas Regierung einen Acker zugewiesen, den sie bepflanzen darf. Bis dort etwas wächst, verteilt das UN-Welternährungsprogramm monatlich Lebensmittel.

Frieden in Klein-Burumbura

Mit nichts als den Kleidern am Leib war Familienvater Pierre Karimumujango mit seiner Frau und den drei Kleinkindern aus seinem Dorf in Burundi geflüchtet. Zu Fuß und mit dem Bus hat sich der Bauer bis nach Uganda durchgeschlagen, um dort Schutz zu suchen. Jetzt steht er stolz vor seiner neuen, kleinen Hütte, harkt mit Liebe seinen Kassawa-Acker. Bald wird er zum ersten Mal ernten:

„Wir haben Asyl bekommen und ein Stück Land. Ich bin glücklich, dass wir in Uganda Frieden gefunden haben“, sagt der 39-Jährige.

So wie Pierre Karimumujango aus Burundi überqueren täglich hunderte verzweifelte Menschen die Grenzen, um in Uganda Schutz zu suchen. In den vergangenen acht Wochen sind erneut über 70.000 Südsudanesen ins Nachbarland geflohen, die meisten zelten entlang der Grenze. Das kleine Land in Ostafrika zählt weltweit zu einem der Länder mit einer liberalen Flüchtlingspolitik. Über eine halbe Million Flüchtlinge beherbergt Uganda derzeit, so viele wie noch nie in der Geschichte des ostafrikanischen Landes.

Insel der Stabilität

Uganda gilt als stabile Insel im krisengeschüttelten Herzen Afrikas: Im Nachbarland Kongo herrscht seit über 20 Jahren Bürgerkrieg, im nördlich gelegenen Südsudan eskalierte Ende 2013, nur zwei Jahre nach der Staatsgründung, der Konflikt zwischen Regierung und Opposition erstmalig in gewaltsamen Kämpfen. In Burundi terrorisiert die Staatsmacht die Bevölkerung, über 200.000 Menschen sind geflohen, die meisten nach Ruanda und Tansania. Doch die Lager dort sind überfüllt – jetzt ziehen auch die Burundier weiter nach Uganda, weil sie wissen, dass sie sich dort auch langfristig niederlassen können.

Das Zentrum von Nakivale, wo die Lagerleitung ihre Büros hat und die Hilfsgüter und Lebensmittel verteilt werden, wirkt wie die Ortsmitte einer Kleinstadt. In den engen Gassen reihen sich Tischlereien, Schneidereien, Werkstätten, Apotheken und Läden aneinander, alle von Flüchtlingen betrieben. Viele bringen ihre Nähmaschinen, Werksbänke, Werkzeuge oder gar die Getreidemühle aus ihrer Heimat nach Nakivale. In einem Internetcafé sitzen Jugendliche vor den Computern, auf dem zentralen Platz spielen junge Männer Fußball. Sport ist eine gute Beschäftigung, Traumata zu bewältigen und auch Konflikte unter den Flüchtlingen im Lager auszutragen.

Gleich dahinter liegen die ruandischen und kongolesischen Viertel, die ältesten in Nakivale. Die Häuser sind massiver gebaut, viele mit Wellblechdach. Zwischen den Grundstücken wachsen Hecken. Die meisten Ruander und Kongolesen leben schon seit über 20 Jahren hier, seit dem Völkermord in Ruanda 1994 und dem daraus resultierenden Krieg im Ostkongo. Die ethnischen Konflikte sind auch in Nakivale nicht zu übersehen. Hier leben die Kongolesen und Ruander zumeist nach Ethnien getrennt: auf der einen Seite die Hutu und der anderen Straßenseite die Tutsi. Im Tutsi-Viertel weidet eine Rinderherde auf einer Wiese. Viele Tutsi sind mit ihren Kühen nach Uganda geflohen. Sie grasen jetzt auf den Weiden rund um das Lager.

Probleme sind Versorgung und Hygiene

„Obwohl wir eine sehr offenherzige Politik verfolgen, ist unser Problem die Versorgung der Flüchtlinge, wenn sie in Massen kommen“, gibt Flüchtlingsminister Mussa Ecweru zu. Ugandas Regierung sei bei der Erstversorgung daher auf internationale Hilfe angewiesen. Diese würde jedoch immer weniger, da auch Europa mit einem Flüchtlingsansturm klarkommen muss.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR spricht derzeit von der größten Flüchtlingskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. In Anbetracht der zahlreichen Kriege weltweit ist auch bei den UN-Hilfsagenturen das Geld knapp. UNHCR und WFP kommen nicht hinterher, den Flüchtlingsstrom zu versorgen. In vielen Zeltlagern entlang der Grenze zu Südsudan ist die Cholera ausgebrochen. Ugandas liberale Flüchtlingspolitik kommt nicht von ungefähr. Während der 1970er und 1980er Jahre, als die Diktatoren Idi Amin und Milton Obote mit Terror regierten, waren viele Ugander selbst Flüchtlinge in den Nachbarländern. Ugandas heutiger Präsident Yoweri Museveni hat im Exil in Tansania seiner Guerillabewegung gegründet, die 1986 letztlich das Land eroberte und bis heute die Regierung stellt.

Flüchtlinge bringen Wirtschaftswachstum

Präsident Museveni weiß also um die politische Macht dieser Willkommenspolitik: In der Regel fliehen Oppositionelle zuerst aus ihren Heimatländern und suchen bei den Nachbarn Unterschlupf. Derzeit beherbergt Uganda sämtliche Oppositionelle aus Burundi, Südsudan, Ruanda oder gar aus Somalia und Äthiopien. Darunter sind auch einst bewaffnete Rebellen, die den Krieg in ihrer Heimat verloren haben und in Uganda eine Auszeit nehmen. Mit Hilfe dieser „Flüchtlinge“ zieht Museveni die Fäden weit über die Landesgrenzen hinaus.

Auch Ugandas Wirtschaft profitiert: Aus den Krisenländern retten sich auch die Unternehmer und die Mittelklasse. In Ugandas Hauptstadt Kampala sieht man große Geländewagen mit burundischen oder südsudanesischen Kennzeichen. Die meisten schlagen mit ihrem ganzen Ersparten auf, um sich ein neues Leben aufbauen: Sie mieten ein Haus, eröffnen ein Geschäft oder Restaurant, betreiben Handel mit ihren Verwandten in der Heimat – und zahlen im Bestfall sogar Steuern und stellen ein paar Ugander ein.

„Uganda hat eine sehr offenherzige Flüchtlingspolitik und profitiert langfristig auch wirtschaftlich davon“, sagt Charly Yaxlei vom UN-Flüchtlingshilfswerk in Uganda.

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