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05.10.2017 | Gastbeitrag

Reise zu einer Heldin der Hoffnung

Justina Mwangangi, Welthungerhilfe-Projektleiterin des Skill Up!-Projekts in Kenia, wurde in diesem Jahr mit dem Redaktionspreis „Helden des Alltags“ geehrt. TV-Moderator Jörg Pilawa hat sie vor Ort besucht, wo sie Tausenden Menschen ein besseres Leben aus eigener Kraft ermöglicht.

Jörg Pilawa Gastautor

Manchmal wohnen Helden gleich nebenan. Manchmal etwas weiter weg. Aber man findet sie überall, auf der ganzen Welt. Seit ich die Aktion „Helden des Alltags“ der TV-Zeitschrift Auf einen Blick unterstütze, bin ich vielen unglaublichen Menschen begegnet. Menschen, die anderen halfen, die über sich hinauswuchsen, die sich selbst nicht aufgaben. Eine ganz besondere Frau traf ich jetzt 6500 Kilometer und neun Flugstunden entfernt von hier. In Nairobi, Kenia, am Rande eines der größten Slums dieser Welt.

Im Einsatz für die Ärmsten der Armen

Justina Mwangangi (37), ihre Augen lächeln, ihr Händedruck ist fest. Sie trägt Jeans, T-Shirt. Es ist 8 Uhr morgens. Hinter ihr liegen Frühstück mit ihrer fünfjährigen Tochter, der Schulweg, die einstündige Fahrt hierher. Vor ihr ein Tag mit 150 Jugendlichen, die am Rande des mit 700 000 Einwohnern gigantischen Slums Kibera in Nairobi eine Ausbildung erhalten. Skill Up! heißt das Programm der Welthungerhilfe, „Qualifiziere dich!“. Finanziert wird die Ausbildungsförderung von der Hamburger Verlegerin Gudrun Bauer (Bauer Media Group, in der auch auf einen Blick erscheint).

Sie war es, die mir mit einem Leuchten in den Augen von Justina erzählte und mich so neugierig machte, dass ich sie unbedingt kennenlernen wollte. Justina ist die Projektleiterin von Skill Up! in Nairobi. Im Zeitraum von 2015 bis 2020 erhalten 1300 Jugendliche eine Ausbildung als Friseur, als Koch, als Kfz-Mechaniker, EDV-Spezialist, Schneider oder Elektriker. Dazu Berufsberatung für 5000 Jugendliche in den Schulen des Slums, Fortbildung für 36 Ausbilder.

Am Ende profitieren 600 kleine Betriebe von gut ausgebildeten Jugendlichen – und natürlich die jungen Menschen selbst. Ausbildung als Fundament des Lebens, Hilfe zur Selbsthilfe, die waghalsige Fluchtrouten nach Europa uninteressant macht. Ein Projekt, in das nicht nur Geld, sondern viel Herz fließt.

Ausbildung als Weg aus der Armut

„Ich bin ein grundlegender Optimist“, sagt mir Justina, die Wirtschaft und Soziologie studiert hat, selbst aus armen Verhältnissen stammt. „Ich glaube, dass jeder Mensch das Buch seines Lebens selbst schreiben kann.“ Die Ausbildung ist der Schlüssel zu diesem Buch. Um ein sandiges Fußballfeld und eine Grundschule herum liegen die einzelnen Klassen, in denen gekocht, geschneidert, geschraubt und gelernt wird.

60 Prozent der Schüler sind übrigens Frauen, viele von ihnen mit Kindern, die ebenfalls betreut werden. „Justina“, sagt mir Dennis (24), Ausbilder der Kfz-Mechaniker, „ist der Motor des Ausbildungsprojekts.“ „Justina“, sagt mir Esther (28), die Ausbilderin der Friseurinnen, „ist das Herz des Ganzen.“ Und beide haben sie recht.

Gleich hinter dem Zentrum ein Meer aus Wellblechhütten, der Slum Kibera, eine Stadt in der Stadt, mit engen, matschigen Pfaden. Strom gibt es manchmal, Toiletten irgendwo, für 20 Hütten jeweils eine. Hier lebt Zyprose (25), die mir Justina vorstellt. Sie schraubt gerade am Motor eines Autos, hat im Januar ihre Ausbildung zur Kfz-Mechanikerin begonnen.

Am nächsten Tag besuche ich Zyprose zu Hause. Sie lebt mit Schwester, Onkel, Tante, Cousins und ihren Kindern in zwei dunklen, feuchten Zimmern, jeweils rund 15 Quadratmeter winzig. Geschlafen und gekocht wird in dem einen, in dem anderen am Abend zusammengesessen. Der Vater ihrer beiden Kinder (9 und 5) ist längst irgendwo, wie so oft in Kibera. Wenn sie mit dem Bus in die Stadt fährt und den Reichtum der Großstadt sieht, wird sie wütend: „Weil es für uns kaum einen Weg hier raus gibt.“ Außer über Bildung.

Zu acht auf 30m²  – Alltag im Slum

Ihr Haushaltsbuch ist ein Buch der Sorgen: Miete, Strom, Wasser, Essen, Schulgebühr – rund 250 Euro kommen da zusammen. Ihr Onkel verdient 60 Euro im Monat in einer Mühle, die Cousins arbeiten mal hier, mal dort, irgendwie geht es, aber nie so richtig. „Ich will hier raus“, sagt sie. „Ich will mein Leben verändern. Deshalb mache ich die Ausbildung, ich will selbst für mich und meine Familie sorgen.“

Das ist es, was Justina antreibt. Menschen die Möglichkeit zu geben, etwas in ihrem Leben zu verändern. Das Buch des Lebens selbst zu schreiben. Ihre Klarheit, ihre Herzlichkeit, ihr Optimismus ist es, der dieses Buch für so viele öffnet. Ja, Justina ist für mich eine Heldin des Alltags – wir brauchen mehr Justinas auf dieser Welt, um die wahren Probleme zu lösen. Denn die Welt ist zu klein geworden, um wegzusehen!

Der Artikel erschien in der TV-Zeitschrift Auf einen Blick (Bauer Media Group).

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