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27.01.2015 | Blog

Zwischen Kautschukplantagen und Luxushotels – Landraub in Kambodscha

Vor gerade mal ein paar Tagen hat mein Praktikum im Länderbüro der Welthungerhilfe Kambodscha/Laos in Phnom Penh begonnen und ehe ich mich versehe, stecke ich schon mitten drin in Kambodschas Landraub-Tragödie.

Ry Sarun diskutiert in einem Kreis von Menschen
Seit er 2013 von seinem Land vertrieben wurde, kämpft Ry Sarun (Mitte des Bildes) um Gerechtigkeit.
Juliane Kaufmann Landesbüro Kambodscha

Zwei Journalisten, von dem WatchBlog NachDenkSeiten, sind für eine Woche zu Besuch, um sich dem Thema anzunehmen. Ich habe das Glück, sie von Anfang an zu begleiten und neben der Arbeit der Welthungerhilfe auch die journalistische Welt der sozialen Medien kennenzulernen.

Einöde statt Luxuswohnungen – 1. Station Boeung -Kak-See

Unsere erste Station befindet sich gar nicht weit von unserem Welthungerhilfe-Büro, mitten in Phnom Penh. Es ist das Gebiet um den Boeung -Kak-See, eine nunmehr riesige Sandwüste. Weit und breit ist kein Wasser mehr zu sehen. Seit die kambodschanische Regierung im Jahr 2007 den See und das angrenzende Land für 99 Jahre an chinesische Investoren verpachtet hat, wurde das Gebiet mit der Zeit trockengelegt. Rund 20.000 Anwohner wurden vertrieben und zwangsumgesiedelt. Wo eigentlich Luxuswohnungen und Einkaufszentren enstehen sollten, ist bis heute jedoch nichts passiert, da sich der Investor wieder zurückgezogen hat.

Wir treffen einige der ehemaligen Anwohner, die seit der Vertreibung gemeinsam für ihr Recht kämpfen. Auffallend ist, dass zahlreiche Frauen innerhalb der Protestszene aktiv sind. Die Hemmschwelle der privaten und staatlichen Sicherheitskräfte ist bei protestierenden Frauen höher als bei Männern – sie werden nicht so schnell geschlagen und ins Gefängnis geworfen. Doch mittlerweile hat sich auch das geändert: Im November dieses Jahres wurden mehrere Frauen zu einem Jahr Haft verurteilt, sie sind bis heute inhaftiert. Auch wenn unsere Partnerorganisation LICADHO den Betroffenen Anwälte zur Seite stellt: Gegen die Willkür des Systems kommen die lokalen NGOs nur schwer an.

Landraub hat in Kambodscha viele Gesichter: Landraub für die Holzindustrie  – 2. Station Stung Treng

Und so machen wir uns auf den Weg in die 700 km nördlich von Phnom Penh gelegene Provinz Stung Treng , wo die illegale Abholzung der noch verbliebenen Regenwälder die Existenzgrundlage vieler Menschen bedroht. Seit Unternehmen im großen Stil angefangen haben, die wertvollen Hölzer zu fällen und zu verkaufen, schwindet der Wald zunehmend. Die Welthungerhilfe versucht mithilfe lokaler NGOs Schutzgebiete – sogenannte Community Protected Areas (CPA) – zu errichten, die es den Anwohnern erlauben, ihr Waldgebiet vor illegalen Aktivitäten zu schützen. Die geschützten Gebiete sind ein großer Erfolg für den Schutz der Wälder Kambodschas und für die Existenzsicherung der Menschen. Doch der gute Schein wird getrübt durch die breite Schneise, die eines der größten kambodschanischen Holzunternehmen mitten durch das Gebiet geschlagen hat. Als Zufahrt zum angrenzenden Nationalpark, der weiterhin den Rodungen zum Opfer fallen darf. In regelmäßigen Abständen fahren riesige Holzfuhrwerke an uns vorbei durch den Regelwald. Der illegale Holzhandel hat in Kambodscha mafiöse Strukturen und ist bis in höchste Regierungskreise verwurzelt. Und so stehen die staatlichen Angestellten des Naturschutzgebietes dem machtlos gegenüber und müssen die LKW passieren lassen.

Landgrabbing durch Kautschukplantagen – 3. Station Provinz Ratanakiri

Unsere Reise führt uns weiter in die Provinz Ratanakiri im Norden Kambodschas. Hier hat die Regierung weite Landesteile an inländische und ausländische Investoren vergeben: Für Kautschukplantagen. Außer Kautschuk scheint hier nichts Anderes mehr zu wachsen. Als wir durch die unendlichen Weiten der Plantagen fahren, kommen wir an einigen verlassenen Holzhütten vorbei: “Für die Arbeitssklaven der Kautschukindustrie”, sagt unser Begleiter von unserer Partnerorganisation CEDAC.

Viele Bauern und Gemeinden sind der Kautschukindustrie bereits zum Opfer gefallen.

Einer von ihnen ist Ry Sarun. Ry wurde mit seinen zehn Kindern gewaltsam von seinem Land vertrieben, weil er sich weigerte, es zu verkaufen. Er und seine Familie haben keinen Cent Entschädigung erhalten. Vor der Vertreibung pflanzte Ry Sarun selbst Cashew-Bäume, heute verdient er sein Geld als Arbeiter auf einer großen Cassava-Plantage. Er hat die Hoffnung aufgegeben, sein Land zurückzubekommen. Ähnlich wie Ry Sarun, ist es auch der Gemeinde Ka Nat Thum ergangen, die 2012 von Bulldozern förmlich platt gemacht wurde. Die Regierung hat auch dieses Land an Kautschukfirmen verpachtet. Die Bewohner haben außer ein paar Lebensmittelspenden und zwei Brunnen keinen weiteren Ausgleich erhalten. Jede Klage vor Gericht blieb bislang unbeantwortet.

Die kambodschanische Politik sieht in der Vergabe von Landkonzessionen großen wirtschaftlichen Nutzen. Investitionen in Infrastruktur und öffentliche Einrichtungen wären sonst kaum möglich. Warum die Unternehmen dennoch keine Entschädigungen zahlen würden und trotzdem so viele Menschen unter den Landvergaben zu leiden hätten, fragen wir den Bezirksbürgermeister von Andong Meas. Wir bekommen keine Antwort. Ich habe das Gefühl, er weiß sehr genau um die Probleme. Doch auch er ist nur ein kleines Rädchen im Getriebe.

Ein Woche voller Eindrücke liegt hinter mir. Der Kulturschock sitzt tief, aber weniger wegen der Kultur Kambodschas, sondern vielmehr aufgrund der willkürlichen Realität, der die Menschen hier ausgliefert sind.

Die Menschen ihrer vertrauten Umgebung und Gemeinschaft zu entreißen, erscheint mir besonders grausam. Das merke ich, als wir zum Abschluss unserer Reise in das Dorf Tun fahren. Eine ganz andere Stimmmung schlägt uns hier entgegen. Die Menschen sind nicht nur viel fröhlicher, sondern auch selbstbewusster als in den anderen Gemeinden. Die Bewohner haben es mit Unterstützung der Welthungerhilfe und ihrer Partner geschafft, einen rechtmäßigen Landtitel für ihre Gemeinde zu erwerben. Sie sind sicher vor ausländischen Investoren. Jedenfalls vorerst. Ich hoffe sehr für sie, dass dies so bleibt.

Mehr Bilder im Blog von AussenGedanken!

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