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  • Wirtschaft & Menschenrechte
  • 12/2020
  • Sue Longley

Eine Frage der Rechte: Gut bezahlte Landarbeiter müssen Kinder nicht einspannen

Eine ILO-Konvention verbietet neuerdings schlimmste Formen von Kinderarbeit. In der Praxis brauchen Arbeiter in der Landwirtschaft gleiche Rechte wie in Industrie und Handel.

Zwei Kinderarbeiter tragen Säcke und Körbe mit geernteter Baumwolle auf dem Kopf, Mosambik.
In Mosambik im Distrikt Monapo tragen Kinderarbeiter Säcke und Körbe geernteter Baumwolle. © FAO / Jon Spaull

Es ist eine schockierende Tatsache, dass weltweit rund 108 Millionen Mädchen und Jungen in der Landwirtschaft arbeiten und Nahrung erzeugen, die auf unseren Tellern landet. Sie arbeiten oft unter unwürdigen Bedingungen und riskieren ihre Gesundheit, Sicherheit und Ausbildung. Die ILO stuft die Landwirtschaft zusammen mit dem Bergbau und dem Bausektor als die gefährlichsten Industrien ein. In der Landwirtschaft kommt es zu den meisten Todesfällen. 

“Gefährliche Kinderarbeit” ist die am weitesten verbreitete Form von Kinderarbeit. Dazu gehören hochriskante Arbeiten, bei denen Kinder sterben, sich ernsthaft verletzen oder sich berufsbedingte Krankheiten zuziehen. Unter gleichen Arbeitsbedingungen sind Kinder größeren Gefahren und Risiken ausgesetzt als Erwachsene, da ihr Verstand und ihr Körper sich noch in der Entwicklung befinden, und es ihnen an der nötigen Erfahrung fehlt. Manch eine Verletzung, Krankheit oder Störung ist oft nicht akut oder sichtbar, sondern tritt erst im Erwachsenenalter auf. Sie können zu lebenslangen Behinderungen oder Krankheiten führen.  

Armut ist die Hauptursache von Kinderarbeit

Kinder arbeiten hauptsächlich deshalb als Kinderarbeiter, weil ihre Eltern arm sind. Es ist ein Paradox, dass die rund 500 Millionen Frauen und Männer, die weltweit als bezahlte Landarbeiter arbeiten und die Welt ernähren, nicht genug Geld verdienen, um sich und ihre Familien zu ernähren, Kleidung zu kaufen und ihre Kinder zur Schule schicken zu können. 

IUL: globale Vertretung der Wertschöpfungskette von Nahrung

Die Internationale Union der Gewerkschaften für Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Gaststätten- und Genussmittelarbeiter (IUL) spielt bei der Bekämpfung der Kinderarbeit eine entscheidende Rolle, denn weltweit sind rund sieben von zehn Kinderarbeitern in der Landwirtschaft zu finden. Die IUL ist ein internationaler Zusammenschluss von Arbeitnehmervertretungen aus allen Teilen der globalen Nahrungsmittel-Wertschöpfungskette. Ihr gehören 423 Gewerkschaften aus 127 Ländern mit über zehn Millionen Mitgliedern an, und sie ist Mitglied der International Partnership for Cooperation on Child Labour in Agriculture – zusammen mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der Welternährungsorganisation (FAO) und anderen agrarpolitischen Gremien. 

Diese Arbeitnehmer, zusammen mit vielen Kleinbauern, stellen die Armee der Armen in den ländlichen Regionen dieser Welt. Sie sind Teil der chronisch Unterernährten, haben keine grundlegenden Menschenrechte, und die Menschenwürde wird ihnen vorenthalten. Viele beziehen Löhne unter der Armutsgrenze, sie leben und arbeiten unter prekären Bedingungen.  

Eltern machen ihre Kinder nicht freiwillig zu Kinderarbeitern, aber ihre wirtschaftliche Situation zwingt sie dazu. Die Covid-19 Pandemie hat diese Situation noch verschlimmert und zu mehr Armut und Ernährungsunsicherheit unter Landarbeitern und Kleinbauern geführt. Vielerorts wurden Schulen geschlossen, was den Druck weiter erhöht, die Kinder unter ausbeuterischen, gefährlichen und hochriskanten Bedingungen in der Landwirtschaft arbeiten zu lassen. 

Freie Gewerkschaften – auch für Landarbeiter

Wo immer es Arbeitnehmern gelungen ist, sich als Gewerkschaft zu organisieren und kollektiv zu verhandeln, verbesserten sich ihre Arbeitsverhältnisse und Löhne. Dies ermöglichte es ihnen auch, ihre Kinder in die Schule, und nicht zum Arbeiten auf die Felder zu schicken.

Die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Erwachsenen in der Landwirtschaft zu verbessern ist für die IUL ein zentrales Element bei der Bekämpfung von Kinderarbeit. Wir unterstützen Arbeitnehmer dabei, sich in freien und unabhängigen Gewerkschaften zu organisieren, damit sie mit den Arbeitgebern auf Farmen und auf Plantagen Lohnerhöhungen, Arbeitszeiten, Gesundheits-, Sicherheits- und insgesamt bessere Lebensbedingungen aushandeln können. 

Eine Familie vor ihrem Haus in Malawi.
Die Behausung einer Familie, die auf einer Tabakplantage in Malawi arbeitet. Beim Anbau von Tabak oder Kakao ist Kinderarbeit weit verbreitet. © Mitchell Maher / International Food Policy Institute (IFPRI)

Leider aber werden vielen Landarbeitern weiterhin keine gesetzlich verankerten Arbeitsrechte zugestanden, wie sie zum Beispiel in der Industrie und im Handel gelten – darunter die Garantie des Menschenrechts auf Vereinigungsfreiheit und kollektiver Tarifverhandlungen. So ist die ILO-Konvention Nr. 11 zur Vereinigungsfreiheit in der Landwirtschaft, die 1921, vor fast 100 Jahren, ausgehandelt wurde, für viele Landarbeiter bis heute mehr Hoffnung als Realität. 

Die Forderungen der IUL

Gäbe es mehr politische Kohärenz auf nationaler und internationaler Ebene, ließe sich Kinderarbeit mit den folgenden Maßnahmen schnell beseitigen: 

Die IUL begrüsst, dass die Vereinten Nationen 2021 zum Internationalen Jahr für die Beseitigung von Kinderarbeit erklärt haben. Im Jahr 2020 ist das ILO-Abkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit universell ratifiziert worden. Es ist das erste Mal, dass eine ILO-Konvention von den Ländern zu 100 Prozent unterzeichnet wurde. Die IUL fordert jetzt stärkere Anstrengungen, diese Regeln klar umzusetzen. 

Helfen Sie den IUL-Mitgliedern dafür zu sorgen, dass unsere Lebensmittel gesund und nachhaltig erzeugt werden. Fordern Sie, dass die Lebensmittel, die in Ihren Supermärkten, Geschäften, auf offenen Märkten oder im Internet angeboten werden, “garantiert ohne Kinderarbeit” erzeugt werden, und dass es für erwachsene Landarbeiter “angemessene Arbeitsbedingungen und Löhne” gibt. 

Sue Longley
Sue Longley Internationale Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant- und Genussmittelarbeiter-Gewerkschaften (IUL)

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