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„Wir rannten und kletterten auf Bäume“

Welthungerhilfe-Mitarbeiterin Claudia Balkhausen weiß, wie sich die Flutopfer fühlen, denn auch sie musste 2004 vor den Wellen fliehen. Heute ist sie in der Bonner Zentrale für Schulungen und die Einarbeitung neuer Mitarbeiter zuständig.

Karte mit betroffenen Ländern
Der Tsunami sorgte für Katastrophen in acht Ländern - mehr als 1,7 Millionen Menschen wurden obdachlos. © Welthungerhilfe

Ursachen und Hintergründe

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„Das gewaltige Naturereignis überraschte uns am Morgen des 26. Dezembers bei Tangalle, wo ich mit Freunden die Feiertage verbrachte. Die Geräuschkulisse der ersten Welle weckte mich am ersten Weihnachtsmorgen. Gerettet hat uns mein Nachbar mit dem Ausruf: „Das ist ein Tsunami“. Er hatte darüber am Vorabend in Frank Schätzings Roman „Der Schwarm” gelesen. Wir kletterten auf einen Wasserturm, der die Höhe eines zweistöckigen Hauses hatte. Wir sahen die zweite Welle wie eine braune Wand kommen. Sie schlug über uns hinweg, der Turm wackelte. Nach der zweiten Welle flüchteten wir weiter. Unsere einzige Chance waren die Bäume. Wir klammerten uns fest und dachten, wir würden sterben. Dann kam die dritte Welle, lange nicht mehr so schlimm.

Im Landesinneren kamen wir bei Bekannten unter. In der ersten Nacht machte niemand ein Auge zu: Ein Lkw nach dem anderen rauschte vorbei – es war wie das Geräusch der Welle. Zurück in meinem Wohnort Vavuniya habe ich sofort angepackt und unser Nothilfeteam unterstützt. Die Ausarbeitung von Projektanträgen und die Verteilung von Hilfsgütern war eine gute Ablenkung. Die weltweite Solidarität unter den Menschen war großartig. Leider strömten Organisationen ohne große Erfahrung nach Sri Lanka. Sie waren mit der Kultur nicht vertraut und überschütteten die Bewohner mit Hilfsgütern, die teilweise gar nicht gebraucht wurden, andere hingegen gingen leer aus. 

Der Tsunami-Schock rüttelte alle wach

Die unteren Kasten erhielten wenig Hilfe

Sie haben es gut gemeint, aber ihr Handeln hat den Neid im Land geschürt. Schlimm war für mich zu sehen, wie oft Angehörige der untersten Kasten auf den Listen der Flutopfer fehlten. Ich sage nicht, dass wir damals alles besser gemacht haben, aber wir waren mit den Bedürfnissen der Menschen vertraut, wussten wo und welche Hilfsgüter zu beschaffen waren und schlossen alle Betroffenen in die Hilfe mit ein. Ich weiß nun, was mit Naturgewalten gemeint ist. Oft habe ich geträumt, dass mich die Welle mitreißt.

Bei der Welthungerhilfe habe ich immer wieder mit Katastrophen zu tun, doch jetzt sind mir die Betroffenen, die ich früher nur von Helferseite gesehen habe, viel näher. Ich hatte Todesangst und bin mit heiler Haut davongekommen. Was für andere selbstverständlich ist, wird es für mich niemals mehr sein.“  

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