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16.05.2023 | Projektupdate

Indien: Biolandwirtschaft setzt auf Tradition und Innovation

Nie mehr Monokulturen und Agrarchemie? Intensive Landwirtschaft ist für die Herausforderungen des Klimawandels in Indien zu unflexibel. Aber es gibt eine Alternative: nachhaltige integrierte Landwirtschaft. Zusammen mit ihren indischen Partnern hilft die Welthungerhilfe kleinbäuerlichen Betrieben, neue Wege zu gehen.

Ganeshwar Madi steht auf seinem Gemüsefeld, Malkangiri, Indien, 2023
Ganeshwar Madi baut Gemüse nach den Prinzipien ökologischer Landwirtschaft an und verzichtet auf Kunstdünger. Hier wachsen viele verschieden Sorten: Wenn bei einer Sorte die Ernte schlecht ausfällt, bleiben immer noch genug andere. © Isha Banerjee/Welthungerhilfe
Isha Banerjee Communication Officer Indien

„Bei dem Einkommen, das wir erzielten, konnten wir uns nicht nur auf den Bauernhof verlassen. Die andere Option war wegzugehen und als Wanderarbeiter auf dem Bau zu arbeiten.“ Ganeshwar Madi, Kleinbauer aus dem indischen Bundesstaat Odisha, erklärt Welthungerhilfe-Mitarbeiterin Isha Banerjee, warum er sich entschloss, an einem Projekt zum Umstieg auf nachhaltige integrierte Landwirtschaft teilzunehmen.

Sein Hof liegt in der Region Malkangiri, wo während der heißen und trockenen Sommer Temperaturen von bis zu 48°C erreicht werden. Die bäuerlichen Familien der Region sind auf Regen angewiesen, aber die Niederschlagsmengen sind über die Jahre geringer geworden. Aber nicht nur das Klima ist ein Problem. Wie viele andere Bäuer*innen der Region versuchte Ganeshwar, seine Erträge durch den Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden zu steigern. Das machte die Sache nur schlimmer. Die intensive Bewirtschaftung laugte den Boden aus, reduzierte die Artenvielfalt und hinterließ Pestizid-Rückstände, die gesundheitsbedrohend wurden.

Ganeshwar Madi überprüft das Wachstum seiner Gemüsepflanzen, Malkangiri, Indien, 2023

Ich suchte eine Alternative, bei der ich mit besserer Nutzung von Ressourcen weiterkommen kann, vor allem von Regenwasser in dieser trockenen Region.

Ganeshwar Madi Bauer

Nachhaltige integrierte Landwirtschaft

Über lange Jahre sorgten Kämpfe zwischen einer maoistischen Aufstandsbewegung und indischen Paramilitärs für bürgerkriegsähnliche Zustände in der Region. In dieser Zeit waren Hunger und Armut weit verbreitet, auch staatlichen Hilfen kamen nicht mehr bei den Menschen an. Daher sagte Ganeshwar Madi schnell ja, als 2019 eine Mitarbeiterin des SIFS-Projekts seine Felder besichtigte und ihm die Teilnahme am Projekt vorschlug.

SIFS steht für Sustainable Integrated Farming Systems. Dahinter verbirgt sich ein Konzept für integrierte Bio-Landwirtschaft: Bäuer*innen sollen ihre Einkommensquellen diversifizieren. Der Anbau einer Vielzahl von Feldfrüchten mit unterschiedlichen Ansprüchen und Wachstumsperioden soll die Familien unabhängiger machen: Wenn eine Frucht aufgrund von Klima oder Schädlingsbefall schlechten Ertrag bringt, bleiben immer noch genug andere übrig. Wegen dieser Absicherung können die Landwirt*innen auch auf den Einsatz von Agrarchemie verzichten.

Fortschritt durch traditionelle Methoden

Ganeshwars Wirtschaft hat sich verändert. Zusätzlich zu Reis baut er nun auch Kürbis, Tomaten, Blumenkohl und Spinat an. Um seine Felder vor der Hitze zu schützen, ist er zum System der Agroforstwirtschaft übergegangen. Dabei werden Pflanzen unterschiedlicher Wuchshöhe – Bäume, Sträucher, krautig wachsende Pflanzen – nebeneinander angebaut, sodass die höheren Pflanzen die flacher wachsenden gegen die Sonne schützen. Ganeshwar ist zufrieden: „Es gibt weniger Risse und Spalten in meinem Feld, es ist weich. Und wenn ich mulche, behält der Boden sogar bei 50°C seine Feuchtigkeit. Er braucht dann zwar auch Wasser, aber nur sehr wenig.“

Ganeshwar Madi steht auf seinem Gemüsefeld, Malkangiri, Indien, 2023

Das sind die Landwirtschaftsmethoden unserer Vorfahren, die mit der Zeit vergessen worden sind.

Ganeshwar Madi Bauer

Über die Teilnahme am Projekt bekam Ganeshwar auch Zugang zu staatlichen Subventionen. Er nutzte das Geld, um seiner Familie ein weiteres wirtschaftliches Standbein zu schaffen, und baute eine Entenzucht auf.

Die Rückkehr zu traditionellen Wirtschaftsmethoden, die dem Klima und der Region angepasst sind, ist der eine Weg, mit der Krise der Landwirtschaft in Indien fertig zu werden. Der andere Weg ist die Innovation, und dass diese nicht nur in den Labors der großen Agrarkonzerne gedeihen kann, zeigt die Geschichte von Guru Macha.

Pilzzucht unter sengender Sonne

Guru ist Bauer und ließ sich im SIFS-Projekt zum landwirtschaftlichen Berater für andere Bäuer*innen ausbilden. Dabei nahm er auch an einer Weiterbildung zur Pilzzucht teil. Wenn man weiß, dass die idealen Temperaturen für das Wachstum von Pilzen im Bereich zwischen 17° und 25°C liegen, scheint Pilzzucht im heißen Distrikt Malkangiri nicht gerade vielversprechend. Auch Guru war skeptisch: „Am Anfang habe ich über die Idee der Pilzzucht gelacht. Wie kann das bei so hohen Temperaturen funktionieren? Aber wenn du das Konzept und die Methoden verstehst, fängst du an, daran zu glauben.“

Eine sieben Meter lange fensterlose Hütte, auf allen vier Seiten dick mit Stroh gedämmt, im Inneren dunkel wie eine Höhle – hier herrscht dauerhaft eine Temperatur von 20°C. Das sind ideale Bedingungen für die Zucht von Dhinga-Pilzen, einer widerstandsfähigen einheimischen Sorte. Wer bei einer Außentemperatur von 38°C die Hütte betritt, fühlt sich von einer erfrischenden kühlen Brise angeweht. Weizenstroh ist in hinreichender Dicke eine preisgünstige Alternative für Wärmedämmung und Kühlung.

Die nächste Auffälligkeit sind die Plastikbeutel, die von den dreistöckigen Bambusgestellen hängen: Aus den Seiten sprießen Pilze hervor. Es sind die gleichen Beutel, die, mit Stroh gefüllt, verwendet worden sind, um die Hüttenwände zu errichten.

„Das ist alles, was man braucht, um Pilze zu züchten. Eine Packung Pilze, die man hier leicht bekommt, und Stroh von den Bauernhöfen. Wir brauchen nur die richtige Ausbildung“, sagt Guru Macha lächelnd.

Guru Macha zeigt seine Pilzzucht, Malkangiri, Indien, 2023
Guru Macha in seiner Pilzzucht. Da die Kosten sehr gering sind, wirft die Zucht guten Gewinn ab. © Isha Banerjee/Welthungerhilfe

Wissen für alle, Fortschritt für alle

Wissensvermittlung ist der Kern des Welthungerhilfe-Projekts. Zusammen mit unseren indischen Partnern bilden wir 2.000 Berater*innen aus, die ihr Wissen im zweiten Schritt an 40.000 Bäuer*innen weitergeben. „Als Berater habe ich angefangen, die Wissenschaft hinter der Landwirtschaft zu verstehen“, erklärt Guru.

Back to Bio: So helfen wir mit unseren Partnern bäuerlichen Familien bei der Umstellung auf nachhaltige Landwirtschaft.

Jetzt ist er Modellfarmer: Mit seiner Pilzzucht zeigt er anderen bäuerlichen Familien, was auch mit geringen Mitteln möglich ist, wenn man weiß, wie man es anfängt. Die Pilzzucht ist sehr profitabel; im Sinne der Diversifizierungsstrategie hat Guru Machas Familie aber auch noch andere wirtschaftliche Standbeine: „Aus unserem eigenen Anbau können wir von Grüngemüse über Hirse bis zu Pilzen alles essen. Erst einmal versorgen wir uns selbst, den Rest verkaufen wir. Zur Sicherheit baue ich natürlich auch noch Reis an.“

Die Geschichten von Ganeshwar Madi und Guru Macha zeigen die Bedeutung von Wissen und Weiterbildung. Ob es darum geht, traditionelle Methoden für die Gegenwart fruchtbar zu machen oder neue Ideen für neue Problemlagen zu entwickeln – wenn wir teilen, was wir wissen, brauchen wir uns vor den Herausforderungen der Zukunft nicht zu fürchten. Guru Macha möchte seine Pilzzucht jetzt vergrößern. Und Ganeshwar Madi hat mittlerweile schon 40 Enten.

Dieser Text beruht auf englischsprachigen Berichten von Isha Banerjee. Sie ist Communication Officer der Welthungerhilfe in Indien und hat im Distrikt Malkangiri mit vielen Projektteilnehmer*innen gesprochen.

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