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23.09.2024 | Blog

Ist die Kritik an Entwicklungs­zusammen­arbeit berechtigt?

Entwicklungspolitik und Entwicklungs­zusammen­arbeit stehen häufig in der Kritik. Was ist dran an den Vorbehalten? Wir nehmen fünf verbreitete Annahmen unter die Lupe.

Entwicklungszusammenarbeit: Frauen und Männer hören einem Workshop zu
Ernährungsworkshop in Amhara, Äthiopien. Fokus des Workshops ist die gesunde Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern. © Wiards/Welthungerhilfe
Stefanie Kolodziej Policy Advisor

Einige kritische Stimmen äußern Vorbehalte gegenüber Entwicklungszusammenarbeit oder bezeichnen sie gar als nutzlos, teuer oder schädlich. Doch zahlreiche Erfolge zeigen ihre Wirksamkeit weltweit: Die Senkung der Kindersterblichkeit, die Verringerung von extremer Armut und Hunger sowie die Stärkung globaler Stabilität und Sicherheit sind nur einige der positiven Auswirkungen, die durch gezielte Maßnahmen erreicht wurden. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass ein Umdenken in der Entwicklungspolitik und der Entwicklungszusammenarbeit stattgefunden hat: In unserer heutigen Arbeit geht es um Partnerschaften auf Augenhöhe und Entwicklung aller Länder. Der folgende Text setzt sich mit gängiger Kritik an Entwicklungszusammenarbeit auseinander und zeigt auf, warum sie wichtig ist – für alle.

1. "Entwicklungshilfe bringt nichts!"

Falsch. Entwicklungszusammenarbeit rettet und verbessert täglich Leben.

Zwar gibt es noch jede Menge zu tun – doch die Entwicklungs­zusammenarbeit hat auch große Erfolge zu verzeichnen. So hat sich die Zahl der Kinder, die vor ihrem fünften Lebensjahr sterben, seit 1990 mehr als halbiert. Trotz Bevölkerungswachstum hat sich die absolute Zahl von Menschen in extremer Armut um mehr als die Hälfte verringert, von 1,7 auf 0,7 Milliarden. Die Zahl der Hungernden ist seit 1990 um 200 Millionen Menschen zurückgegangen, obwohl die Weltbevölkerung in diesem Zeitraum um rund 2,7 Milliarden Menschen gewachsen ist. 59 Millionen Menschen überlebten in den letzten 20 Jahren oft tödliche Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose oder Aids dank Investitionen in internationale Gesundheitsbündnisse.

Entwicklungs...was?

Wir sprechen bewusst nicht von Entwicklungshilfe, sondern von Zusammenarbeit. Das beschreibt unsere Projekte, die wir gemeinsam mit Partnern, lokalen Organisationen, Behörden und der Bevölkerung durchführen, am besten. Der Begriff reflektiert außerdem ein stattgefundenes Umdenken

Die Einteilung in „Entwicklungsländer“ und „entwickelte Länder“ stammt aus einer Zeit, in der europäische und nordamerikanische Länder unkritisch als Vorbilder galten. Oft schwang dabei noch koloniales Denken mit: Der Norden diktierte dem Süden, was zu tun sei. Heute wissen wir, dass die wohlhabenden Länder des Nordens kein Modell für die Zukunft sein können. Ihr Entwicklungsweg hat Ressourcen ausgebeutet und zur Erderwärmung beigetragen. Auch der Norden muss neue Wirtschaftsformen entwickeln. Die auf fossilen Brennstoffen basierende Industrialisierung kann nicht mehr als Vorbild dienen. In einer globalisierten Welt kann sich kein Land isoliert entwickeln. Die Weltwirtschaft muss gemeinsam reformiert werden. 

Unser erster Wirkungsbericht zeigt, dass wir gemeinsam mit den Projekt­teilnehmenden schon viel erreicht haben.

Die Arbeit der Welthungerhilfe und ihrer Partnerorganisationen zeigt klare positive Wirkung, indem sie entweder, in Notsituationen, das Überleben von Menschen direkt sichern oder die Ernährungs- und Einkommenslage nachhaltig verbessern. Unsere Projekte packen das Übel an der Wurzel, indem sie z.B. für sauberes Trinkwasser und ausreichende Hygienestandards in Dörfern, an Schulen oder in städtischen Gebieten sorgen. Verbesserter Zugang zu Bildung sorgt für sichereres Einkommen. Mit Krediten und Starthilfen fördern Organisationen wie die Welthungerhilfe den Wiederaufbau nach Katastrophen. Viele Projekte der Entwicklungs­zusammenarbeit finden dort statt, wo sonst niemand hilft oder staatliche Stellen nicht helfen können. Ohne sie wüsste niemand, wie es den Menschen dort wirklich ergeht und welche Hilfe tatsächlich funktioniert. Unsere Arbeit zeigt auf, was funktioniert und was staatliche Stellen im großen Stil tun müssten, um wirklich alle Menschen aus dem Hunger zu holen.   

2. "Wir müssen uns um unsere eigenen Probleme kümmern."

Das ist zu kurz gedacht. Entwicklungszusammenarbeit legt den Grundstein für unsere Stabilität und Wohlstand.

Eine weitere geäußerte Kritik ist, dass Entwicklungszusammenarbeit schlecht für die deutsche Wirtschaft sei. Dieser Vorbehalt kann widerlegt werden. Deutschland ist Exportnation und auf globalen Handel, Innovationen und funktionierende Lieferketten angewiesen. Jeder zweite Euro wird durch Export verdient; wir haben ein Interesse daran, dass Menschen in anderen Ländern bessere Lebensbedingungen haben.

Job-Chancen und ein besseres Leben für Auszubildende, Trainer*innen und ihre Familien.

Die Welthungerhilfe setzt sich in vielen ihrer Projekte insbesondere für Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung ein. Neben der Landwirtschaft fördern wir gezielt Gewerbe und Dienstleistungen auf dem Land. So unterstützen wir die Menschen dabei, neue Einkommensquellen zu erschließen, ihre Lebensbedingungen und somit auch die Wirtschaft zu verbessern. Auch die Infrastruktur vor Ort wird durch nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit gestärkt – eine wichtige Voraussetzung, um private Investitionen anzuziehen, auch durch deutsche Unternehmen. 

Auch in Sachen Klima und Ressourcen muss selbstverständlich global gedacht werden. Entwicklungszusammenarbeit spielt eine wichtige Rolle bei der gerechten und nachhaltigen Transformation des Globalen Südens, die uns allen eine lebenswerte Zukunft sichert. Verteilungskämpfe um Ressourcen wie Bodenschätzen oder Wasser machen nicht an Grenzen halt, und die Verteuerung von Basisstoffen für Batterien etc. haben Auswirkungen auf unsere Wirtschaft. Jede Tonne CO2, die gespart wird, zählt – ob in Peru, Indien oder Ghana. Auch wir profitieren davon. Wir können unsere Klimaziele nur erreichen, wenn weltweit die nötigen Ressourcen und Energien vorhanden sind. 

3. "Entwicklungszusammenarbeit ist Geldverschwendung."

Im Gegenteil. Entwicklungszusammenarbeit zahlt sich aus und spart künftige Kosten.

Entwicklungszusammenarbeit ist zukunftsorientiert und präventiv. Jedes Jahr, das ein Mensch länger zur Schule geht, bedeutet im Durchschnitt 10 % mehr Einkommen für diese Person und damit eine steigende finanzielle und soziale Rendite für Gesellschaft und Staat. In Afrika, insbesondere bei Frauen, liegt die erzielbare Einkommenssteigerung pro Bildungsjahr mit 14,5 % deutlich über dem weltweiten Durchschnitt - so die Weltbank.

Auch in der Humanitären Hilfe setzt die Welthungerhilfe zum Beispiel auf vorausschauende und präventive Ansätze, um Krisen und Katastrophen vorzubeugen. Der als "Anticipatory Humanitarian Action" (AHA) bekannte Ansatz zielt darauf ab, Menschen zu unterstützen, noch bevor eine unmittelbar bevorstehende Katastrophe Schäden anrichtet, die zu Hunger, Leid und Tod führen. Durch präzise Risiko- und Bedrohungsanalysen können wir Extremwetterereignisse und andere Gefahren immer besser vorhersagen und dann sofort Maßnahmen ergreifen, die die Auswirkungen einer Katastrophe minimieren. Dieser Ansatz rettet Leben und ist auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Jeder Dollar, der in vorausschauende Hilfe in von Dürren oder anderen Krisen betroffene Regionen fließt, erspart 4 Dollar für Überlebenshilfe nach einer Katastrophe.

4. "Andere Länder sind nicht unsere Aufgabe."

Doch, das sind sie. Entwicklungszusammenarbeit ist ein Zeichen von Verantwortung, Gerechtigkeit und Solidarität.

Empathie und Mitgefühl sind Grundpfeiler einer funktionierenden Gesellschaft – auch die der Weltgemeinschaft. Wo diese Grundpfeiler fehlen, sind Hass, Gewalt und Zerstörung nicht fern. Recht, Gerechtigkeit und Solidarität sind Teil unserer Grundwerte, darauf müssen sich auch unsere internationalen Partner verlassen können. Und nicht nur das – Deutschland hat die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterschrieben und ist daher verpflichtet, dieser Verantwortung nachzukommen. Auch das Klimaabkommen von Paris hat Deutschland unterzeichnet und sich somit dem Ziel verschrieben, den Klimawandel einzudämmen und die Weltwirtschaft klimafreundlich umzugestalten.

Mit den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) hat sich die Weltgemeinschaft darauf geeinigt, allen Menschen bis 2030 ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. Dazu zählt auch das Ziel "Zero Hunger bis 2030". Die Welthungerhilfe hat dies fest in ihrer Strategie verankert und richtet ihre Arbeit auf das Erreichen dieses Zieles aus. Entwicklungszusammenarbeit spielt bei der nachhaltigen Umgestaltung, die diese Ziele und Abkommen anstreben, eine tragende Rolle.

5. "Deutschland sollte sich nicht einmischen."

Das wäre kein guter Ansatz. Sicherheit in Deutschland und in der Welt beruht auch auf Investitionen in die globale Entwicklung.

Bewaffnete Konflikte sind nicht nur einer der Haupttreiber für Hunger und Armut – sie können auch geopolitische Spannungen verstärken und die weltweite Sicherheit gefährden. Entwicklungs­zusammenarbeit und humanitäre Hilfe helfen, Krisen vorzubeugen und die Situation in Flucht- und Krisenregionen zu stabilisieren. Aktivitäten, die dabei unterstützen, Spannungen zwischen Volksgruppen, politischen Parteien oder religiösen Gruppen abbauen, tragen dazu bei, das Potential für Eskalationen und Zuspitzung von Konflikten abzubauen. Dies schafft langfristig auch ein stabileres internationaleres Umfeld, was auch der Sicherheit in Deutschland zugutekommt.

Es ist wichtig, schnell und gezielt auf humanitäre Krisen zu reagieren, die durch den Klimawandel, bewaffnete Konflikte und Katastrophen verschärft werden. Das geht am besten mit der Erfahrung und dem Wissen lokaler Akteur*innen, die oft als erste vor Ort sind. Daher bemühen sich die Welthungerhilfe und andere Organisationen, humanitäre Hilfe stärker zu lokalisieren. Ziel ist es, Akteuren vor Ort mehr Entscheidungsbefugnis zu überlassen, indem beispielsweise auch Gelder lokalen Partnern direkt zur Verfügung gestellt werden. 

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