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01.08.2024 | Blog

Libanon: Eine Bäckerei als Ort der Hoffnung

Die Menschen im Süden Libanons leiden unter einem gewaltsamen Konflikt und einer schweren Wirtschaftskrise. Inmitten dieser Herausforderungen ist die Bäckerei von Khalil Tarraf in der Gemeinde Marjayoun ein Symbol der Hoffnung und Beständigkeit.

Ein älterer Mann steht in einem Raum, im Hintergrund sieht man leere Regale.
Seit 63 Jahren betreibt Khalil Tarraf seine Bäckerei in der kleinen Stadt Marjayoun, nahe der berüchtigten "Blauen Linie" im Südlibanon. „Alles, was Sie hier sehen, habe ich aus dem Nichts geschaffen“, erzählt er. © Marvin Fürderer/Welthungerhilfe
Marvin Fürderer Expert Emergencies Communications

Seit der schwelende Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah, die Teile des Libanon kontrolliert, im Oktober letzten Jahres eskalierte, sind die Menschen im Süden Libanons nicht nur von einer verheerenden Wirtschaftskrise, sondern auch von täglichen Feindseligkeiten betroffen. Tausende Menschen wurden vertrieben, es herrschen Not und Ernährungsunsicherheit.

Hintergrund: Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah

Im Jahr 2000 wurde nach dem Rückzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon die „Blaue Linie“ zur „vorläufigen” Grenzdefinition zwischen Libanon und Israel festgelegt. Die Region blieb seither umstritten, mit häufigen Spannungen und militärischen Konflikten. Die Hisbollah betrachtet die israelische Präsenz nahe der „Blauen Linie“ als Bedrohung, während Israel die Hisbollah als Gefahr für die eigene Sicherheit betrachtet. Dieser Gewaltzyklus führt zu chronischer Instabilität und beeinträchtigt das Leben der Menschen in der Region erheblich.

Khalil's Bäckerei in Marjayoun: Beständigkeit in unsicheren Zeiten

Inmitten der Hügel des Südlibanon, nahe der berüchtigten „Blauen Linie”, der im Jahr 2000 von den Vereinten Nationen gezogenen „vorübergehenden Grenze” zwischen Israel und dem Libanon, liegt die kleine Stadt Marjayoun. Ihre Gebäude erinnern an die Architektur des südlichen Frankreichs und verleihen der Stadt eine Ruhe, die in scharfem Kontrast zu den ständigen Spannungen und den beinahe täglichen Kampfhandlungen in der Region steht. Am Marktplatz betreibt Khalil Tarraf seit 63 Jahren seine Bäckerei. In Zeiten des Konfliktes und der Unsicherheit ist die kleine Backstube für die Gemeinschaft zu einem Anker der Beständigkeit und der Hoffnung geworden.

Es ist faszinierend, Khalil beim Brotbacken zuzusehen: Die Art und Weise, wie er den Teig knetet, ihn durch die Luft wirft und mit gezielten Bewegungen im Steinofen wendet – die Handgriffe wirken wie eine Choreographie. Und das überrascht nicht: Khalil Tarraf lernte sein Handwerk im jungen Alter von zwölf Jahren.

„Ich hatte nichts“, erzählt er, während er einen duftenden Laib Brot aus dem Ofen holt. „Kein Geld, keine Ressourcen. Alles, was Sie hier sehen, habe ich aus dem Nichts geschaffen.“ Fast fünf Jahrzehnte lang war seine Bäckerei für ihn eine stabile Einkommensquelle. Doch in den letzten 13 Jahren hat sich die wirtschaftliche Lage im Libanon dramatisch verschlechtert, und nun kommt auch noch der Konflikt hinzu.

Drastische Verschlechterung der Lebensbedingungen im Libanon

Die humanitäre Lage im Südlibanon ist äußerst angespannt. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden in der Region um Marjayoun und entlang der „Blauen Linie“ bereits rund 100.000 Menschen vertrieben. Viele flohen vor den andauernden Gefechten zwischen der Hisbollah und den israelischen Streitkräften. Andere wiederum verließen die Gegend aufgrund der aussichtslosen wirtschaftlichen Situation.

Dies spiegelt sich auch in Khalils Erzählungen wider. „Ich musste mich verschulden, um die Bäckerei am Laufen zu halten“, erklärt er. „Die Kosten für Rohstoffe sind enorm gestiegen, und die Menschen hier haben immer weniger Geld, um Brot zu kaufen. Ich kann die Preise nicht noch weiter erhöhen.“

„Ich gehe hier nicht weg. Wenn wir das tun, verlieren wir alles.“

Khalil Tarraf

Unterstützung durch die Welthungerhilfe

Kriege und bewaffnete Konflikte gefährden die Ernährungssituation der Bevölkerung in vielerlei Hinsicht.

Fast hätte Khalil die Last nicht mehr tragen können, es fehlte das Geld für genügend Essen für seine Familie – und auch für medizinische Betreuung. Der 81-Jährige leidet unter chronischen Rückenbeschwerden, sein Sohn unter einer Behinderung und seine Frau hat Diabetes. Auch für seine beiden Töchter und deren drei Kinder muss Khalil Tarraf aufkommen.

Das Projekt der Welthungerhilfe und ihres Partners SHEILD kam da zur rechten Zeit. Es leistet finanzielle Unterstützung für Menschen, deren Existenz von der akuten Krise gefährdet ist. Für vertriebene Familien, die in sichereren Gebieten untergekommen sind, ebenso wie für Menschen wie Khalil, die in der umkämpften Heimat bleiben, jedoch ihre Lebensgrundlage verloren haben.

Trotz aller Herausforderungen gibt Khalil nicht auf. Er sieht seine Arbeit als essenziell für die Gemeinschaft. „In Zeiten des Konfliktes und der Nahrungsknappheit ist es wichtiger denn je, dass wir weitermachen“, betont er. 

Ein Ort der Gemeinschaft in einer von Unruhen geprägten Region

Während Khalil seine Geschichte erzählt, kommen und gehen die Kund*innen in seiner Bäckerei, kaufen Brot und tauschen freundliche Worte mit ihm aus. Für sie ist Khalil mehr als nur ein Bäcker – er ist ein Symbol der Hoffnung. Seine Bäckerei ist nicht nur ein Ort, um Nahrungsmittel zu kaufen, sondern ein sozialer Treffpunkt, an dem Menschen zusammenkommen und sich austauschen können. Ein kleines Stück Normalität in einer ansonsten von Unruhen geprägten Region.

Khalil hat immer ein offenes Ohr für seine Kund*innen. „Wenn ich aufhöre zu arbeiten, verlieren die Menschen hier auch einen Ort, an dem sie Sorgen teilen können", sagt er. Die Bäckerei versorgt die Bevölkerung mit Brot zu erschwinglichem Preis, einem Grundnahrungsmittel, das in diesen schweren Zeiten oft das Einzige ist, was sich viele Familien leisten können. „Ich hoffe, dass dieser Krieg und diese schwierige Situation endlich enden. Aber wann das sein wird, das kann keiner sagen", sagt Khalil. Seine Stimme schwingt zwischen Trauer und Hoffnung, wobei es schwer zu sagen ist, was überwiegt.

Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde am 30.05. durchgeführt. Die politische und militärische Situation ist weiterhin volatil.

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