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19.01.2023 | Blog

Mit Wissen für ein friedliches Miteinander

Die Welthungerhilfe leistet lebensnotwendige Soforthilfe für Menschen im Südsudan und erarbeitet mit ihnen langfristige Perspektiven. Eine sichere Ernährung und der Zugang zu Bildung sind wichtige Grundlagen, um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken.

Drei Frauen in einem landwirtschaftlichen Garten halten Gießkannen und lächeln in die Kamera.
Wer mit den Nachbarn kooperiert und dieselben Ressourcen gerecht nutzt, schafft Kontakt, Verständnis und gemeinsame Ziele. © Welthungerhilfe
Jessica Kühnle Landesbüro Türkei/Syrien/Irak

Als der Südsudan 2011 seine Unabhängigkeit erlangte, führten Meryem und ihr Mann zwar ein beschwerliches Leben, doch sie kamen zumindest über die Runden. Sie besaßen einige Ziegen und Kühe und bauten Mais an. Was sie nicht selbst brauchten, verkauften sie auf dem Markt. „Wir hatten genug zu essen und konnten unsere Kinder zur Schule schicken“, sagt Meryem, die nie selbst eine Schule besucht hat. Ihr größter Wunsch war es damals, dies ihren Kindern zu ermöglichen.

Doch der grausame Bürgerkrieg, der 2013 begann und erst 2020 mit einem brüchigen Frieden endete, raubte ihnen ihre gesamte Lebensgrundlage. Ihr Mann floh, sie blieb mit den Kindern ohne jedes Einkommen zurück, denn ihr Feld konnte sie aus Angst vor gewaltsamen Überfällen nicht mehr bestellen. Die Gefahr, missbraucht oder getötet zu werden, war zu groß. Als die Gewalt immer weiter zunahm, ließ sie alles zurück und trug ihre beiden kleinen Kinder auf der Flucht zwei Tage lang, bis sie es nach Bentiu im Norden des Landes schafften. Sie lebt seither in der Nähe eines Flüchtlingscamps, wo sie eine bescheidene Unterkunft fand.

Infos über die aktuelle Lage im Südsudan sowie über die Arbeit der Welthungerhilfe vor Ort.

Grundlagen schaffen

Das Schicksal von Meryems Familie steht für viele tausende im Südsudan. In den südsudanesischen Bundesstaaten Northern Bahr el Ghazal und Unity State, wo auch Bentiu liegt, unterstützt die Welthungerhilfe deshalb Familien, die im eigenen Land auf der Flucht sind. Sie erhalten Lebensmittel oder Bargeld für das Nötigste. Und auch die Gemeinden, die Geflüchtete aufnehmen, werden unterstützt. Meist herrscht auch hier bittere Armut. In allen Einsatzregionen strebt die Welthungerhilfe danach, dass Menschen Notsituationen schnell überwinden können und resilienter gegenüber zukünftigen Krisen werden.

Nothilfe zu leisten bedeutet, dafür die Grundlage zu schaffen. „Erst wenn ein gewisses Maß an Ernährungssicherheit erreicht ist, können Menschen ihre Aufmerksamkeit auf andere Lebensbereiche richten, sich entwickeln und Krisen widerstandsfähiger bewältigen“, erklärt Carolin Schmidt, Programmleiterin der Welthungerhilfe im Südsudan.  „Erst dann kommen unsere Schwerpunkte der nachhaltigen Entwicklung und friedensfördernde Aktivitäten zum Tragen. Doch der Übergang ist fließend.“ So werden schon an den Verteilungsstellen für Lebensmittel wichtige Informationen zum Thema Ernährung bereitgestellt. Beispielsweise über Symptome von Mangelernährung, gesunde Nahrungszubereitung, Hygiene und besondere Bedürfnisse von Kleinkindern.

In Zusammenarbeit mit anderen Projekten erhalten Familien auch Saatgut und landwirtschaftliche Geräte, um einen eigenen Garten bewirtschaften zu können. Für den eigenen Verbrauch und später den Verkauf. Auch Meryem legte einen kleinen Gemüsegarten an. Die Familie verfügt nun über zusätzliche Lebensmittel, kann abwechslungsreichere Mahlzeiten zubereiten und hat eine neue Einnahmequelle.

Das Schulmahlzeitenprogramm

Um den Kreislauf von Armut, Hunger und Konflikten zu durchbrechen setzt die Welthungerhilfe im Südsudan neben sicherer Ernährung und Einkommen auf eine weitere wichtige Säule: den Zugang zu Bildung. Der Bau oder die Sanierung von Schulgebäuden und das Schulmahlzeitenprogramm des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), das die Welthungerhilfe in gemeinsamer Partnerschaft in verschiedenen Regionen umsetzt, verbindet sogar alle drei Elemente.

Wie in der Bentiu-A-Primary-Schule, die auch Meryems Tochter Ayen besucht. In der Region bleibt vielen Jungen und vor allem Mädchen der Schulbesuch verwehrt, weil ihre Eltern es sich nicht leisten können oder die Kinder zu Hause helfen müssen. Das hat sich nun geändert. „Seit wir Schulmahlzeiten anbieten, besuchen doppelt so viele Mädchen und Jungen unsere Schule. Die Eltern sind motivierter, sie regelmäßig zu schicken, denn für die Kinder ist es oft die einzige warme und ausgewogene Mahlzeit am Tag. Vor Hunger konnten sich viele von ihnen im Unterricht kaum konzentrieren. Jetzt sind auch die Leistungen gestiegen“, sagt Gatlieriy Magai Kuoal, Schulleiter in Bentiu.

Für Meryem ist der Schulgarten derzeit noch wichtiger geworden, denn ihr eigener Gemüsegarten wurde von den Überschwemmungen vor wenigen Monaten überspült. Bis sie dort wieder ernten kann, bleibt ihr zumindest das gemeinschaftliche Feld. Das landwirtschaftliche Wissen aber kann Meryem keine Flut mehr nehmen. Und es zieht weite Kreise: An den Schulgärten Beteiligte tragen das Wissen in ihre Dörfer und motivieren auch andere, den eigenen Anbau zu wagen.

Eine Frau und ihre Tochter schauen sich in die Augen und lächeln
Meryem ist froh, dass ihre Tochter Ayen die Schule besuchen kann. Denn das bedeutet bessere Chancen für die Zukunft. © Welthungerhilfe

„Ich bin so froh, dass meine Kinder und vor allem meine Tochter die Schule besuchen können. Ich sehe, was um uns herum geschieht. Viele Mädchen werden gezwungen, früh zu heiraten, sie bekommen früh Kinder und gehen deshalb nicht zur Schule. Dieses Schicksal will und muss ich meinen Kindern ersparen“, sagt Meryem entschlossen. Mit einem Schulabschluss wird Ayen einmal bessere Aussichten haben, einen Beruf zu ergreifen.

Diese Perspektive fehlt vielen Jugendlichen im Südsudan. Ein Programm der Welthungerhilfe in Aweil North ermöglicht es deshalb jungen Menschen, eine Beschäftigung zu erlernen, mit der sie Geld verdienen können. In Handwerker-Workshops werden sie zum Beispiel in der Schmiedekunst ausgebildet. Sie erhalten eine Startausrüstung und lernen unter anderem Eselpflüge herzustellen – ein begehrtes landwirtschaftliches Werkzeug.

Ein Jugendlicher arbeitet mit bereitgestelltem Werkzeug
Jugendliche bekommen die Möglichkeit zu einer handwerklichen Ausbildung, danach erhalten sie ein Startpaket für die Selbstständigkeit. © Welthungerhilfe

Mehr Bildung und Chancen führen zu Sicherheit und Frieden

Gerade angesichts der desolaten Wirtschaftslage im Südsudan und rasant steigender Lebensmittelpreise wird eine solide Einkommensbasis immer wichtiger. In dörflichen Spar- und Kreditgruppen, die die Welthungerhilfe mit Material und Wissen unterstützt, erarbeiten sich die Mitglieder gemeinsam die Möglichkeit, eine eigene kleine Existenz zu gründen oder in ihre Landwirtschaft zu investieren. Es ist ein solidarisches Prinzip, ebenso wie in den Bauernvereinigungen, die die Welthungerhilfe fördert. Landwirtin Nyanyal: „In einer Gruppe lässt sich viel mehr erreichen. Allein kannst du keine Zäune ziehen und Bewässerungskanäle bauen.“ Auch persönlich stehen die Mitglieder füreinander ein. „Nach der Geburt konnte ich einige Zeit nicht auf meinem Feld arbeiten“, erklärt die junge Frau. „Die anderen haben meine Früchte geerntet und für mich verkauft.“

Damit mehr Kinder regelmäßig zur Schule gehen können, hat die Welthungerhilfe gemeinsam mit dem Welternährungsprogramm ein Schulmahlzeitenprogramm gegründet.

Schritt für Schritt tragen all diese Maßnahmen zu mehr Wissen, Möglichkeiten und finanzieller Sicherheit bei. Und zu einem friedlichen Miteinander. Denn die Bekämpfung von Armut und Hunger und das Schaffen von Sicherheit sind Hauptfaktoren für Frieden. Wenn Lebensmittel knapp und teuer werden, der Zugang zu Einkommen fehlt, Ressourcen ungleich verteilt sind, Korruption und Misswirtschaft wachsen und eine lang benötigte Sicherheitsreform ausbleibt, wächst auch die Verzweiflung und bereitet dies den Boden für Unruhen und Konflikte.

Wer aber Zugang zu Einkommen und eine Perspektive auf eine gesicherte Existenz hat und sich in seinem Land geschützt fühlt, gerät weniger schnell in Streit um Besitz, sei es in der Nachbarschaft oder über Dorfgrenzen hinweg. Wer mit den Nachbarn kooperiert und dieselben Ressourcen gerecht nutzt, schafft Kontakt, Verständnis und gemeinsame Ziele. Meryems größte Hoffnung ist, dass der Krieg nicht wieder ausbricht: „Ich habe mit so vielen Herausforderungen und Verlusten zu kämpfen gehabt, das muss aufhören. Meine Kinder sollen ein anderes Leben führen – in Frieden und mit echten Perspektiven.

Der Artikel erschien in ausführlicherer Version erstmals im Welthungerhilfe-Magazin, Ausgabe: 04/2022. 

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