Tausende Tote, mehrere Millionen Menschen auf der Flucht – die Situation im Sudan ist dramatisch.
Sudan: Als Augenzeuge im vergessenen Krieg
Seit über einem Jahr herrscht Krieg im Sudan. Millionen sind auf der Flucht – so auch einer unserer Mitarbeiter* und seine Familie. Ein persönlicher Bericht aus Darfur.
Seit dem Ausbruch des Krieges am 15. April 2023 hat sich das Leben meiner Familie drastisch verändert. Wir kommen aus Al-Fashir, der Hauptstadt von Nord-Darfur. Sie ist heute ein Schlachtfeld: Ein Teil wird von den sudanesischen Streitkräften (SAF) kontrolliert, der andere von den Rapid Support Forces (RSF).
Während der Kämpfe standen wir mitten im Kreuzfeuer. Artillerie, Granaten und Maschinengewehre schossen über unsere Köpfe hinweg. Unsere Kinder versteckten sich in Panik weinend unter den Betten. Solche Angst hatten wir alle noch nie erlebt. Auf der Suche nach einem sicheren Ort wechselten wir immer wieder unseren Unterschlupf. Als dann nach ein paar Monaten die Luftangriffe begannen, wurde um uns herum alles zerstört und sehr viele Menschen getötet – Fleisch und Knochen vermischten sich mit der Erde.
Hintergrund: Krieg im Sudan
Seit dem Ausbruch der Kämpfe zwischen der Armee (SAF) und den paramilitärischen Kräften der „Rapid Support Forces“ (RSF) im April 2023 steigt die Zahl der Todesopfer und Verletzten kontinuierlich. In Khartum und in vielen anderen Gebieten des Landes ist die Wirtschaft weitgehend zusammengebrochen, und die Menschen sind dringend auf Nahrungsmittel, Wasser, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs angewiesen. Insgesamt befinden sich über 9 Millionen Menschen auf der Flucht im eigenen Land. Andere suchen Schutz in Nachbarländern wie der Zentralafrikanischen Republik, Äthiopien oder Südsudan.
Auf der Flucht im eigenen Land
Schweren Herzens mussten wir unsere Heimat verlassen. Also flohen wir nach Malit, etwa 70 Kilometer nördlich von Al-Fashir, in der Hoffnung, dort einen sicheren Ort zu finden. Verbündete der SAF kontrollierten die Stadt, es gab zunächst keine Kämpfe – doch nach nur wenigen Wochen wurde Malit von den RSF erobert. In dieser Nacht wurden mehrere Zivilist*innen getötet. Mit viel Glück sind wir den Schüssen entkommen, aber wie lange wird uns das Glück noch am Leben erhalten?
In Malit leben wir als siebenköpfige Familie in einem Haus mit zwei Zimmern. Die Infrastruktur ist zerstört, Wasserquellen sind verunreinigt, es gibt kaum Zugang zu medizinischer Versorgung und das Bildungssystem liegt lahm. Mein ältester Sohn und meine Tochter können ihr Studium nicht fortsetzen. Er droht an, entweder Soldat zu werden oder über das Mittelmeer zu fliehen. Sie hat große Angst, das Haus zu verlassen.
Was mit unserem Haus in Al-Fashir passiert ist, ob es zerstört oder geplündert wurde, das wissen wir nicht. Wir können nicht dorthin zurück. Und auch das Leben in Malit wird immer gefährlicher. Kampfjets greifen den Stadtrand an. Wir zählen jedes Mal die Minuten, bis die Angriffe vorbei sind. Wir sind hier eingeschlossen, es gibt keinen Ausweg, keinen sicheren Ort der Zuflucht.
Trotz Krieg: Welthungerhilfe weiter aktiv im Sudan
Ich arbeite seit drei Jahren für die Welthungerhilfe und bin momentan in der Lage, meinen Dienst in einem Büro in Malit fortzusetzen.
In einem so unsicheren und instabilen Umfeld ist unsere Arbeit allerdings schwierig. Man muss sich stets mit allen kämpfenden Parteien abstimmen, sich häufig ausweisen, an Kontrollpunkten gelassen, unauffällig und unparteiisch bleiben. Ein einziger Fehler kann zur Verhaftung führen.
Doch trotz der sehr herausfordernden Umstände leisten wir humanitäre Hilfe für Binnenvertriebene in den Bereichen Wasserversorgung, sanitäre Einrichtungen und Hygiene (WASH). Zudem verteilen wir Lebensmittel, unterstützen Bäuer*innen mit landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und bieten Impfungen und Beratungsdienste an.
Sudan: SOS aus dem vergessenen Krieg
Dieser Konflikt erfährt international viel zu wenig Aufmerksamkeit. Das Leid der sudanesischen Bevölkerung ist unendlich groß. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um die Aufmerksamkeit auf diesen vergessenen Krieg und das Leid des sudanesischen Volkes zu lenken. Dieser zerstörerische Konflikt im Sudan muss ein Ende finden.
Wir wollen Frieden. Wir brauchen einen sicheren Ort, wo wir ohne Angst und in Würde leben können, wo unsere Kinder eine Ausbildung erhalten können und eine Zukunft haben. Please, save our souls!
*zum Schutz unseres Mitarbeiters wurde der Beitrag anonymisiert.