Der Umgang mit Menstruationshygiene ist für viele Mädchen und Frauen im Südsudan eine Herausforderung. Menstruationstassen helfen.
Wenn Scham die Würde nimmt
Wie in so vielen Regionen der Welt bedeutet auch im Südsudan die Zeit der Periode eine große Herausforderung für Frauen und Mädchen.
Frauen und Mädchen im Südsudan haben häufig keinerlei Zugang zu Menstruationsprodukten, sie werden ausgegrenzt, können nicht zur Schule oder zur Arbeit gehen und erfahren Stigmatisierung. In Unity State im Norden des Landes ist die Situation besonders hart, denn weite Regionen sind seit letztem Jahr von den Folgen schwerer Überflutungen betroffen. Tausende Menschen leben in behelfsmäßigen Unterkünften oder in Camps, wo die Hygienesituation die Periode noch stärker zu einer Zeit der Sorgen für die Betroffenen werden lässt.
Die Periode als Tabu und große Herausforderung
Die Stadt Bentiu, Hauptstadt des Bundesstaates Unity State, ist gezeichnet – von bewaffneten Konflikten in der Region, vor denen Tausende Menschen hier Schutz suchen, und nun auch noch von den Folgen der Überschwemmungen, die heimatlos gewordene Familien herführen. So müssen die Menschen noch näher zusammenrücken, in den Camps, aber auch in den Dörfern des Umlandes. Privatsphäre gibt es schon unter normalen Umständen fast nirgends. Familien schlafen in einem Raum, Toiletten, sofern es überhaupt welche gibt, haben keine Türen, auch nicht in den Schulen. In dieser Situation müssen die Frauen und Mädchen mit ihrer Periode zurechtkommen. Und das in einem Land, in dem das Thema Menstruation als Tabu gilt. Sie schämen sich ihrer Periode zutiefst und vermeiden es, miteinander darüber zu sprechen.
Man hat mir nur gesagt: ‚Wenn sie kommt, musst du sie verstecken. Man darf sie nicht sehen.‘ In meinem Dorf ist es verboten, während der Periode zu kochen und die Kühe zu melken.
Nyachop Gatluak, 17Die meisten Mädchen wissen nicht, was mit ihnen passiert und was auf sie zukommt, wenn ihre Periode zum ersten Mal einsetzt. Niemand erklärt es ihnen. Die vierzehnjährige Nyachot erzählt: "Ich habe sehr darunter gelitten. Ich habe versucht, mehrere Kleider um die Taille zu binden, um zu verhindern, dass mein Blut Flecken macht, denn ich habe keine Unterwäsche und nicht einmal Seife, um meine Kleider zu waschen. Also gehe ich nirgendwo hin, bis meine Periode vorbei ist."
Mädchen brechen wegen ihrer Menstruation die Schule ab
Isolation ist während der Menstruation weit verbreitet. "Wenn ich meine Periode habe, gehe ich sieben Tage lang nicht zur Arbeit. Auch wenn ich die Kund*innen in meiner Teestube verliere und kein Geld bekomme. Denn würden meine Kund*innen jemals einen Blutfleck auf meiner Kleidung sehen, kämen sie nie wieder", erklärt Nyazuode Hoth. Wie der überwiegende Teil der Frauen hier sorgt die 25-Jährige allein für ihre Kinder. Dass es kaum irgendwo Menstruationsprodukte wie Binden zu kaufen gibt, die ohnehin für die meisten unerschwinglich wären, setzt sie dem Risiko aus, ihre Familien nicht mehr versorgen zu können. Junge Frauen und Mädchen verlieren aus diesem Grund ihre Bildungschancen, denn in der Schule werden sie gehänselt, wenn ihre Kleidung mit Blut befleckt ist. Viele Mädchen bleiben deshalb dem Unterricht fern oder brechen sogar die Schule ab.
Hilfe durch Hygieneschulungen und Menstruationstassen
Um dies zu ändern und die Kultur der Scham und Entwürdigung aufzubrechen, arbeitet die Welthungerhilfe mit den örtlichen Gemeinden zusammen. Es werden lokale Fürsprecher*innen ausgebildet, die Frauen und Mädchen über Menstruationshygiene und den Umgang mit der Periode aufklären, unter anderem in Schulen. Zudem erhalten Frauen und Mädchen ein Set mit Unterwäsche, Seife sowie wiederverwendbaren Binden. Und es startete mit großem Erfolg ein innovatives Projekt: 100 Frauen erhielten bisher bei Hygieneschulungen das Angebot, Menstruationstassen zu verwenden. 87 von ihnen nutzen diese nun voller Begeisterung und Erleichterung und erzählen anderen von den Vorteilen. Nyebaka Gatphan ist eine von ihnen. "Wenn du deine Binde draußen aufhängst, weiß jeder, dass du deine Periode hast. Das ist peinlich. Aber mit der Tasse weiß es niemand."
Carolin Schmidt ist Programmleiterin der Welthungerhilfe im Südsudan und erklärt: "Das Projekt ist so ein großer Erfolg, weil es um die Freiheit der Frauen geht. Ihre Bewegungsfreiheit und auch die Entscheidungsfreiheit über ihren Körper. Von einem sehr jungen Mädchen hörte ich: 'Wenn du dir keine Menstruationsprodukte leisten kannst, wenn deine Periode einsetzt, bist du gezwungen, dir einen Mann zu suchen, der dich heiratet, damit er das Geld dafür aufbringt.' Frühe Heirat oder Kinderheirat sind ein großes Problem im Südsudan, aber ich hätte es zuvor nie mit dem Thema Menstruation in Verbindung gebracht. Jede Frau hat das Recht, in Würde zu leben. Wenn sie sich nicht mehr wegen ihrer monatlichen Periode einschränken muss, wird sie sich selbstbewusster fühlen. Und das kann ein Ausgangspunkt sein, um darüber nachzudenken, welche anderen Rechte sie hat."
Die Erstveröffentlichung des Artikel war im Welthungerhilfe-Magazin, Ausgabe: 03/2022. Der Text wurde verfasst von Susan Martinez. Sie ist freie Journalistin und besuchte das Projekt der Welthungerhilfe in Bentiu im Mai 2022.