Der Kompass 2019 analysiert die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit.
Afrika braucht mutige Antworten
Die Bundesregierung hat Afrika entdeckt. Allerdings mussten dazu auf dem Mittelmeer erst viele verzweifelte Menschen sterben. In Ihrer gemeinsamen Publikation Kompass 2019 nehmen die Welthungerhilfe und terre des hommes die Afrikapolitik der Bundesregierung kritisch unter die Lupe.
Dass man sich in Berlin mittlerweile intensiv mit unserem Nachbarkontinent beschäftigt, ist gut – denn: Politik, Wirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit können gemeinsam dazu beitragen, das Leben von rund 1,3 Milliarden Afrikaner*innen nachhaltig zu verbessern. Doch dazu bedarf es einer Neuausrichtung, damit die Politik Afrika endlich auf Augenhöhe begegnet und im Kampf gegen Hunger und Armut niemanden zurücklässt.
Eine kohärente, faire und nachhaltige Afrikapolitik zu gestalten, ist nicht einfach. Immerhin besteht der Kontinent aus 54 höchst unterschiedlichen Staaten. Darunter Länder wie Botswana und Ghana, die in relativem Wohlstand leben. Aber auch Staaten wie der Südsudan, Somalia oder die Demokratische Republik Kongo, in denen Krieg, Armut und der Klimawandel dazu führen, dass Menschen hungern und sterben. Zwar wurden beim Kampf gegen Hunger und Unterernährung gewisse Fortschritte erzielt, doch noch immer hungern in Afrika südlich der Sahara 236 Millionen Menschen.
In den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung viele neue Afrika-Initiativen entwickelt. Dazu gehören:
- der Marshallplan mit Afrika des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Der Plan strebt in den Bereichen Wirtschaft, Handel, Beschäftigung, Frieden, Sicherheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit nach eigenen Angaben eine „neue Partnerschaft mit Afrika“ an.
- der Compact with Africa unter der Federführung des Finanzministeriums. Der Compact will die Bedingungen für (deutsche) Privatinvestitionen in Afrika verbessern.
- die Pro!Africa-Initiative des Wirtschaftsministeriums. Die Initiative bündelt Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung.
Die Welthungerhilfe begrüßt ausdrücklich, dass sich die deutsche Politik und die deutsche Wirtschaft stärker in Afrika engagieren möchten. Doch das Engagement darf nicht von Deutschlands innen-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interessen dominiert werden. Die deutsche Afrikapolitik sollte sich an den nachhaltigen Entwicklungszielen und den Menschenrechten ausrichten und so dazu beitragen, Hunger und Armut nachhaltig zu bekämpfen. Dabei würde es einer klaren Strategie und Kohärenz benötigen, die der Deutschen Afrika Politik jedoch fehlt.
Die Welthungerhilfe fordert von der Bundesregierung
- Priorität für Hunger- und Armutsbekämpfung. Noch immer hungern in Subsahara-Afrika fast eine Viertel Million Menschen. Um das zu ändern, muss die Bundesregierung sich u.a. dafür einsetzen, Programme und Instrumente weiter auszubauen, die als Ziel haben, das (Menschen-)Recht auf Nahrung in die nationalen, afrikanischen Politiken stärker zu verankern. Die Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ des BMZ sollte hierzu verstetigt und eine produktive und nachhaltige und (kleinbäuerliche) Landwirtschaft in Afrika stärker gefördert werden.
- Die Ärmsten nicht vergessen. Die Förderung erfolgreicher Reformländer, darf nicht dazu führen, dass die am wenigsten entwickelten Länder geringere Unterstützung erhalten. 33 von 47 der sogenannten Least Developed Countries liegen in Afrika. Dort kann die Entwicklungszusammenarbeit dazu beitragen, Leben zu retten und Perspektiven zu schaffen. Deutschland muss sich daher gerade dort an die internationale Verpflichtung halten, 0,15 bis 0,2 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für die ärmsten Länder aufzuwenden.
- Nachhaltige Privatinvestitionen. Die Bundesregierung sollte dafür Sorgen tragen, dass gesetzlich verbindliche Standards erarbeitet werden, die bei Investitionen in Afrika sicherstellen, dass Menschenrechte geschützt und soziale und ökologische Normen eingehalten werden.
- Entwicklungspolitik, nicht Migrationsabwehr. Flucht und Migration haben dazu geführt, dass Deutschland und weitere EU-Staaten ihre Grenzen in Nordafrika und entlang der Flüchtlingsrouten sichern will. Unter der Bezeichnung „Fluchtursachenbekämpfung“ droht so eine Verquickung von Entwicklungs-, Migrations- und Sicherheitspolitik. Entwicklungspolitik dient jedoch der Armutsbekämpfung. Deshalb dürfen Maßnahmen zur Grenzsicherung nicht mit Mitteln der Entwicklungshilfe geschehen oder sogar zur Bedingung für deren Erhalt gemacht werden.
- Afrika stärker einbinden. Mit der Agenda 2063 hat die Afrikanischen Union einen Entwicklungsplan geschaffen. Die Agenda bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine entwicklungspolitische Partnerschaft, die Deutschland und die EU nutzen sollten.
- Zivilgesellschaft schützen. Um Hunger und Armut zu bekämpfen, braucht es eine starke Zivilgesellschaft. Doch in vielen afrikanischen Staaten werden zivilgesellschaftlichen Freiheiten immer weiter eingeschränkt. Die Bundesregierung sollte sich deshalb verstärkt für den Schutz zivilgesellschaftlicher Organisationen in Afrika einsetzen.