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04.03.2020 | Blog

Machtkämpfe trotz Friedensabkommen

Die USA und die Taliban in Afghanistan haben ein Abkommen unterzeichnet. Doch ob der Vertrag tatsächlich Frieden bringt, ist zweifelhaft. Unser Kollege Thomas ten Boer berichtet aus Afghanistan.

Ein Mann in einer engen Gasse, im Hintergrund sieht man weitere Männer.
Strassenszene im Dorf Surkhot in Nanghahar im Jahr 2018. Regelmässig hörte man Explosionen aus den Bergen. © Stefanie Glinski
Thomas ten Boer Landesbüro Afghanistan

Der Vertrag zwischen den USA und den Taliban wurde am 29. Februar 2020 in Doha in Anwesenheit des amerikanischen Außenministers feierlich unterzeichnet. Das Papier verpflichtet die Amerikaner zu einer deutlichen Reduzierung ihrer Soldaten vor Ort und die Taliban zum Verzicht auf Gewalt und die Zusicherung, keine militanten Islamisten auf ihrem Gebiet zu unterstützen. Ob der Vertrag zu einem dauerhaften Frieden in Afghanistan und einem wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung des Landes führt, muss allerdings bezweifelt werden.

Ergebnis der Präsidentschaftswahlen ist umstritten

Die afghanische Regierung war nämlich an den monatelangen Gesprächen mit den Taliban nicht beteiligt. Kurz nach Unterzeichnung des Vertrags hat der afghanische Präsident Ashraf Ghani bereits klar gemacht, dass etwa die Freilassung von mehr als 1.000 gefangenen Talibankämpfern nur von der afghanischen Regierung und nicht den USA entschieden werden kann. Außerdem ist das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vom September letzten Jahres umstritten.

Afghanistan ist geprägt von einem langjährigen Bürgerkrieg, der die Infrastruktur und die Wirtschaft zerstört hat. Einen Überblick über die Lage und die Arbeit der Welthungerhilfe bietet dieses Factsheet.

Der ehemalige Präsident Ghani wurde zwar zum Wahlsieger erklärt, die Auszählung der Stimmen war aber umstritten und sein Herausforderer Abdullah wirft ihm Wahlbetrug vor – und hat sich ebenfalls als Präsident vereidigen lassen. Er hat eine Art Schattenkabinett eingesetzt, denn seine Anhänger halten ihn für den neuen legitimen Präsidenten Afghanistans. Die USA haben Ghani als Sieger anerkannt, aber darum gebeten, seine offizielle Amtseinführung bis zum 9. März zu verschieben und einen Weg zu finden, um sich mit seinem Rivalen Abdallah friedlich zu einigen. Die Amerikaner wollen eine geeinte afghanische Regierung, die nun in einem zweiten Schritt mit den Taliban über die politische Zukunft des Landes verhandeln soll. 

Viele Afghan*innen bezweifeln allerdings, ob der Paschtune Ghani geeignet ist, den Taliban die Stirn zu bieten. Seine Anhänger gelten als konservative Muslime, die etwa die Rolle der Frauen nicht als oberste Priorität auf ihrer Agenda haben. Sie befürchten, dass Ghani als Präsident die Errungenschaften bei der Bildung von Frauen und ihrer Präsens im öffentlichen Raum bei den Gesprächen mit den Taliban aufs Spiel setzen wird. Die Taliban wollen Frauen auf die traditionelle Rolle reduzieren mit einem beschränkten Zugang zu Bildung und keinem zu öffentlichen Ämtern oder Berufen. Auch wenn diese Fragen nicht an erster Stelle stehen, ist es für viele Afghan*innen fraglich, ob sie diese strenge Haltung aufgeben werden, sobald sie Teil einer Regierung sind.

Keine einfache Zukunft für Afghanistan

Auch die Hilfsorganisationen sind unsicher, ob die Taliban ein verlässlicher Partner im Umgang mit humanitärer Hilfe sind. Bisher haben sie einen Plan vorgestellt, der Steuern und eine Art Wegezoll für den Zugang in die von ihnen kontrollierten Gebiete bedeutet. Das hat die internationale Staatengemeinschaft bisher abgelehnt. Die Vereinten Nationen führen dazu Gespräche mit Vertretern der Taliban. Die Hilfsorganisationen haben stattdessen einen gemeinsamen Operationsplan erarbeitet, der in diesem Monat vorgestellt werden soll. 

Es gibt also keine einfache Zukunft für Afghanistan, das seit Jahrzehnten von blutigen Kriegen und Machtkämpfen gezeichnet ist. 80 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. 9,8 Millionen der insgesamt 36 Millionen Menschen benötigen dringend humanitäre Hilfe zum täglichen Überleben. Wenn es keine politische Einigung zwischen Präsident Ghani und seinem Herausforderer Abdullah gibt, droht eine Spaltung des Landes entlang von Stammeslinien. Und ob eine politische Einigung zwischen Regierung und Taliban möglich ist, steht ebenfalls nicht fest. Der Weg zu einem dauerhaften Frieden ist noch lang.

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