Als Straßenfegerin in ein neues Leben
Unsere Geschichte führt uns in den Süden von Madagaskar, nach Toliara. Diese große Stadt im Südwesten der Insel mit etwa 250.000 Einwohnern genoss bislang nicht den besten Ruf, was Hygiene und Sauberkeit anbelangt. Doch die neuen Straßenfeger krempeln Stadt und Leben um.
Nirina Rasoanantenaina, 33, wurde hier geboren – in der Cité du Soleil (Stadt der Sonne), wie Tuléar auch genannt wird. Noch vor Kurzem lebte die junge Frau von kleinen Gelegenheitsarbeiten. Als alleinstehende Mutter von vier kleinen Mädchen arbeitete sie als Verkäuferin von boko boko (frittiertem Brot). Leider reichte diese Tätigkeit nicht mehr aus, um die Bedürfnisse ihrer Familie zu decken. Sie konnte gerade einmal ihre Kinder ernähren und die Miete für die kleine Hütte aus Binsen bezahlen, in der sich nachts ihre ganze Familie zusammendrängte. Ihr Leben war hart, ein anstrengender Tag folgte dem anderen, und die Hitze machte das Dasein nicht einfacher. Wie kann ein Schicksal verändert werden, das bereits festzustehen scheint?
Kleine Veränderungen mit großer Wirkung
Zur selben Zeit, nicht weit entfernt, ließ sich eine große deutsche NRO namens Welthungerhilfe dauerhaft in der Stadt nieder, um in Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde für mehr Sauberkeit zu sorgen. In diesem Zusammenhang bot die Stadtverwaltung den Bewohnerinnen und Bewohnern zahlreiche Anstellungen an. Nirina hörte davon und bewarb sich um eine Stelle als Straßenfegerin. Einige Tage später wurde sie von der Stadtverwaltung verständigt: Man zähle auf sie. Sie war eingestellt. Sie freute sich so sehr, dass sie lachend zu ihren Liebsten lief, um ihnen die Neuigkeit zu erzählen. Als sie schließlich zum Termin erschien, war sie entschlossen, ihr Bestes zu geben, nun, da sie ihr Schicksal selbst bestimmen konnte.
Stolz und glücklich: Nirina als Straßenfeger in Tuléar
Und dann war der große Tag gekommen … Ihre Arbeit bestand darin, die Bürgersteige der Stadt zu reinigen und sauberzuhalten. Sie war in einem Team mit fünf anderen Frauen. Alle von ihnen hatten ein schweres Leben und mussten sich von frühester Jugend an mühsam durchschlagen. Ein gemeinsames Schicksal, das sie verband und das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gruppe stärkte. Jeden Tag erwachten die Einwohner von Tuléar von nun an mit dem Geräusch der Besen, die den Boden kehrten und von den Frauen geführt wurden, welche grün gekleidet sind und die traditionellen Basthüte tragen.
Die Stadt – die als so schmutzig und übelriechend galt, die nie schlief (Toliara tsy miroro), sondern immer feierte und nie eine Pause einlegte, nie nüchtern wurde – veränderte sich. Tuléar zeigte ein neues Gesicht und zugleich veränderte sich auch jenes von Nirina. Sie war stolz auf ihre Arbeit und fühlte sich nützlich. „Heute bin ich glücklich, wenn ich morgens aufstehe. Erstens, weil ich eine Arbeit habe, und zweitens, weil ich damit etwas zur Gemeinschaft beitrage. Ich fühle mich stolz, wenn jedem Einwohner und jeder Einwohnerin bewusst wird, welche Veränderungen wir bewirken.“ Tatsächlich hat sich der Blick der Menschen verändert, er ist voller Respekt für Nirina. Sie hat jetzt keine Angst mehr vor der Zukunft. Die Zukunft gehört ihr, hat Nirina beschlossen.