Aufbruchstimmung in Somaliland
In jedem noch so kleinen Shop kann ich mit dem Mobiltelefon bezahlen – gleichzeitig gibt es im Straßenrestaurant keine Möglichkeit, die Hände zu waschen. Bericht aus einem Land der Gegensätze.
Mein Pass trägt ein Visum der Republik Somaliland. Freunden habe ich von einer Reise nach Somalia erzählt, denn Somaliland befindet sich schließlich in Somalia – und wer kennt schon Somaliland? Angekommen in Hargeisa merke ich schnell, dass sich dieses Land vom Rest Somalias absetzen will. Absetzen von Chaos, Terror einem faktisch gescheiterten Staat.
Somaliland macht einen durchaus geordneten Eindruck mit gewählter Regierung, einem Schul- und Gesundheitssystem etc. Verglichen mit dem südlichen Teil, insbesondere um Mogadischu herum, sind Gewaltakte selten, was Somaliland den Ruf eines Hortes der Stabilität eingebracht hat. Somaliland ist international jedoch nicht als eigenes Land anerkannt. Mit einer Größe vergleichbar zu Griechenland und ca. 3,5 Millionen Einwohnern ist Somaliland recht dünn besiedelt. Die Autokennzeichen tragen die Abkürzung „S.Land“ – wichtig ist das „Land“, weniger wichtig Somali.
Somaliland: Große Gegensätze und permanenter Notstand
Mir fallen sofort große Gegensätze auf: Beispielsweise kann man in jedem noch so kleinen Shop mit dem Mobiltelefon bezahlen – gleichzeitig gibt es aber im Straßenrestaurant keinerlei Möglichkeit, sich die Hände zu waschen. Seit fünf Jahren verzeichnet ganz Somalia eine verheerende Dürre. Ausbleibende oder zu geringe Regenfälle haben das Land in einen mehr oder weniger permanenten Notstand gebracht. Gerade erst hat die Regierung von Somaliland einen internationalen Hilferuf veröffentlicht. Jahrelange Dürre aber auch Raubbau an der Natur haben viele Landstriche unwirtlich gemacht, den Kleinbauern und Viehzüchtern die Lebensgrundlage genommen.
Ich fahre mit unserem äthiopischen Programmkoordinator Wolde in unsere Projektregion in den Norden, nach Boroma in der Region Awdal. Die Bauern, die wir besuchen, machen uns Hoffnung. Sie wollen die vollkommen degradierten Bodenflächen wieder nutzbar machen und sind sehr engagiert bei der Sache. Ahmed Abdillahi Olow erklärt mir, warum sie nicht schon früher angefangen haben gegen die Erosion anzukämpfen. Es fehlte einfach am Know-how. Wo sollten wir anfangen? Mit welchen Materialien lässt sich verhindern, dass die Erde von den seltenen aber heftigen Regenfällen mitgerissen wird? An welchen Stellen sollen wir die „check dams“ bauen, wie hoch müssen sie sein? Viele Fragen, auf die Wolde eine Antwort weiß. Beeindruckend, mit welcher Kenntnis er Fragen der Mitarbeiter und der Bauern beantwortet.
Bewässerungssysteme renovieren und Einkommensquellen schaffen
Eine Möglichkeit, trotz der Trockenheit etwas zu produzieren, ist in Bewässerung zu investieren. Die bestehenden Anlagen sind entweder zerstört oder ineffizient. Aufgrund der geringen verfügbaren Wassermenge können sie nur eine kleine Fläche bewässern. Wolde und sein Team wollen das ändern. Mit relativ kleinen Eingriffen viel bewegen ist sein Credo. Es wird nur das renoviert, was für die Funktionsweise des Bewässerungssystems notwendig ist. Herausgekommen ist ein System, das mittlerweile die doppelte Fläche wie zuvor bewässern kann und damit viel mehr Kleinbauern zu Gute kommt.
Wir treffen am Bewässerungskanal eine Frau, die uns ihre bewegende Geschichte erzählt. Sie hat früh ihren Mann verloren und war auf sich allein gestellt. Ein Training der Welthungerhilfe vor einigen Jahren hat ihr schließlich geholfen, eine Einkommensmöglichkeit für sich selbst zu identifizieren.
Sie hat gelernt, Gemüse und Obst zu produzieren, mit viel persönlichem Einsatz. Die Welthungerhilfe hat sie nur mit einigen Bewässerungsrohren unterstützt. Stolz erzählt sie im Gespräch, wie das Einkommen aus dem Verkauf des Gemüses ihr Leben verändert hat.
Wasser ist das kostbarste Gut in diesem Land. An sauberes Wasser in der Gegend heranzukommen, ist eine aufwendige Angelegenheit. Viele Organisationen haben versucht, oberirdisches Wasser in Becken zu sammeln und so den Familien eine Möglichkeit zu geben, Trinkwasser in der Nähe des Hauses aufzubewahren. Problem ist, dass das gesammelte Wasser nicht geschützt ist und entsprechend mit Keimen kontaminiert ist. Wolde und sein Team wollen nun ein Leitungssystem bauen mit Trinkwasserstellen in den Dörfern. „Das geht,“ sagt er und grinst mich an. Ich kann es kaum glauben, bin aber sicher, dass er es mit seinem Team schaffen wird. „Wichtig ist, dass die Menschen sauberes Wasser trinken und nicht das verschmutzte Oberflächenwasser“.