Bioökonomie: Produkte aus biologischen Rohstoffen
Mit Pflanzen statt Erdöl in die Zukunft? Das Recht auf Nahrung muss Vorrang haben! Dafür braucht es Standards.

Plastiktüten aus Mais, Dübel aus Rizinus, Reifen aus Löwenzahn: Immer mehr Produkte werden aus nachwachsenden statt aus fossilen Rohstoffen hergestellt. Das nennt man Bioökonomie. Dieser Richtungswechsel bietet viele Chancen für den Umweltschutz, für nachhaltiges Wirtschaften, zur Armutsbekämpfung und für mehr Generationengerechtigkeit. „Wir wollen, dass auch arme Bauern profitieren“, sagt Dr. Rafaël Schneider. Deshalb müssen jetzt die richtigen Weichen gestellt werden!
Industrieländer müssen verantwortlich handeln
Das tun wir!
Das Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn und die Welthungerhilfe entwicklen verlässliche Kriterien zur Ernährungssicherheit in der Bioökonomie.
Aktuelles Arbeitspapier: Standards zur Berücksichtigung der Ernährungssicherheit bei der Zertifizierung von nachhaltiger Biomasse
Auch heute noch leidet jeder neunte Mensch an Hunger, 795 Millionen weltweit. Mindestens 70 Prozent davon leben in ländlichen Regionen der Entwicklungsländer und von der Landwirtschaft. Im Zuge eines Wandels von der erdölbasierten Wirtschaft hin zur Bioökonomie gewinnen ihre Heimatregionen, in denen Armut und Hunger regieren, immens an Bedeutung. Über 400 Millionen meist sehr arme bäuerliche Betriebe können weltweit in die Biomasseproduktion einbezogen werden. Dabei dürfen wir nicht dieselben Fehler wie beim Einsatz von Biokraftstoffen machen, bei dem es zu gravierenden sozialen Fehlentwicklungen kam.
Eine umsichtige Politik, die eine behutsam ansteigende Nachfrage nach Biomasse fördert, ist dafür Voraussetzung. Kleinbauern brauchen Zeit und Beratung, um sich neu zu organisieren, beispielsweise in Erzeugergruppen und Genossenschaften. Sie müssen ihre Anbaumethoden verbessern und direkten Zugang zu Märkten haben. Der Weg zu einer wirtschaftlich tragfähigen und sozial wie auch ökologisch nachhaltig produzierender bäuerlicher Landwirtschaft in Entwicklungsländern ist nicht im Hauruckverfahren möglich. Politische Leitplanken dazu werden derzeit bei den Vereinten Nationen beraten. Die Bioökonomiestrategien der Industrienationen können und müssen daran anknüpfen und einen entscheidenden Beitrag zu den künftig geltenden globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals) leisten.
Notwendig: Standard für Recht auf Nahrung
EU und Bundesregierung versichern, dass die Ernährungssicherheit Vorrang vor allen anderen Interessen bei der Biomassenutzung hat. Allerdings gibt es dafür bisher keine Standards. Hinzu kommt, dass absurderweise die Verwendung zertifizierter Biomasse derzeit nur zur Kraftstofferzeugung vorgeschrieben ist. Konkret heißt das: Wir tanken zertifiziertes Palmöl, aber das Palmöl in der Margarine oder Kosmetik ist nicht zertifiziert!
Deshalb brauchen wir einen globalen Biomassestandard, der die Produktion aller Biomassearten für unterschiedlichste Nutzungen länder- und sektorübergreifend regelt. Hierbei müssen nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche und vor allem soziale Kriterien zur Definition von Nachhaltigkeit einbezogen werden. Nur dann ist sichergestellt, dass auch ernährungsferne Biomassenutzung das Menschenrecht auf Nahrung nicht gefährdet.
Das Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn hat in Kooperation mit der Welthungerhilfe einen Standard entwickelt, das eine Berücksichtigung der Ernährungssicherheit bei der Zertifizierung von nachhaltiger Biomasse ermöglicht.