Das Schweigen brechen
2016 brach eine Dürre über Indien herein. Die Regierungen der Bundesstaaten erkennen die Notsituation nicht rechtzeitig. Wie es die Welthungerhilfe mit ihren Partnern geschafft hat, die Regierungen zum Handeln zu bewegen, schildert Disha Uppal in einer Chronik der Ereignisse.
Ende März
- Gleißende Sonne, brutale Hitze. Wo das Auge hinblickt vertrocknetes Brachland und hungernde, besorgte Gesichter. Mangelnder Monsun im dritten Jahr bringt für 18 Millionen Inder eine der schwersten Dürren der jüngeren Geschichte.
April
- Fast alle Wasserquellen, Flüsse und Seen versiegen. Die Ernte ist komplett zerstört. Die Menschen fliehen in die Städte, Hunderte nehmen sich aus Verzweiflung das Leben. Tausende Tiere sterben.
- Die Welthungerhilfe, ihre Partner Parmarth Samaj Sevi Sansthan und Mahatma Gandhi Sewa Ashram, bekannte Aktivisten wie Rajendra Singh und zivilgesellschaftliche Organisationen vereinen sich, um die Krise in die Öffentlichkeit zu bringen.
- Erste Nothilfemaßnahmen werden vorbereitet.
- Die Dürre wird Thema in lokalen und englischen Zeitungen, internationale Medien und soziale Netzwerke berichten.
- Mit Pressekonferenzen informieren die Partner die Medien regelmäßig.
24. – 26. April
- Eine Delegation des Entwicklungsministeriums (BMZ) und der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) besucht das Projektgebiet der Welthungerhilfe und stellt Gelder für ein Pilotprojekt der Wasserspeicherung in vier Dörfern bereit.
Mai
- Durch den Nothilfefonds der Welthungerhilfe und Mittel der EU erhalten die Dörfer Sheopur, Tikamgarh und Chhatarpur sauberes Trinkwasser per Tanklastwagen.
- Gemeindeküchen entstehen, um Mahlzeiten bereitzustellen, Nahrungsmittelpakete werden verteilt.
5. Mai
- Tausende verzweifelte Kleinbauern aus ganz Indien fordern bei der gewaltfreien Großdemonstration Jal Satyagraha in Neu Delhi die Regierung auf, zu handeln.
6. Mai
- Die Regierung ruft die Bevölkerung auf „zusammenzukommen und Wasserkonservierungsmaßnahmen zu starten, um die Dürre zu verhindern“.
zeitgleich
- erhöhen die Welthungerhilfe und ihre Partner durch Kampagnen und Versammlungen die öffentliche Aufmerksamkeit
21. – 31. Mai
- der Marsch Jal Hal Yatra erhöht den Druck
22. Mai
- Premierminister Narendra Modi thematisiert in seinem bekannten Radioprogramm „Mann Ki Baat“ die Dürre und fordert dazu auf, bei Monsun jeden Tropfen aufzufangen
Juni
- Die Nothilfe der Welthungerhilfe läuft auf Hochtouren.
- Futter und Trinkwasser für das Vieh werden bereitgestellt.
- über 400 Menschen beteiligen sich am Arbeit-gegen-Nahrung-Programm der Welthungerhilfe, heben Teiche, Brunnen, Dämme und Flüsse aus. Pro Tag erhält jede Familie 15 kg Getreide – auf diese Menge einigten sich die Dorfbewohner.
- Das Resultat: 67 neue oder restaurierte Wassereinheiten bringen den Familien Erleichterung
- Durch den beharrlichen Druck der Welthungerhilfe und ihrer Partner rehabilitiert die Regierung des Bundesstaates Uttar Pradesh fast 140 Wasserquellen.
Während der Dürre 2016 versorgte die Welthungerhilfe dank ihres Nothilfefonds sowie Gebern aus Deutschland und der EU über 30.000 Menschen in 45 abgelegenen Dörfern mit Trinkwasser. 6070 Tiere wurden mit Futter eingerichtet und Trinkwasser unterstützt. 153.000 Liter Trinkwasser pro Tag liefern die durch Auftankstationen versorgten Brunnen.
Die Arbeit der Welthungerhilfe in Indien
Da Hunger in Indien vor allem eine Folge krasser Ungleichheit ist, kann er nur überwunden werden, wenn Not und Armut auf dem Land bekämpft werden und gleichzeitig die Regierung in die Pflicht genommen wird. Die Welthungerhilfe setzt sich deshalb dafür ein, dass ihre indischen Partner sich nicht nur für die Stärkung einer wirtschaftlich tragfähigen bäuerlichen Landwirtschaft, sondern auch für gute Regierungsführung einsetzen.
Grüne Felder in staubtrockener Umgebung
Die Welthungerhilfe hat mit ihren indischen Partnern in den vergangenen Jahren erfolgreiche Wege zu besserer Dürreresistenz aufgezeigt: Innovative, ökologische Anbaumethoden, hochwertiges Saatgut, ein integriertes Wassermanagement, Tropf-Bewässerung und Techniken der Wiederverwertung von Wasser haben sich bewährt. Dazu gehört auch die Wiederbelebung traditioneller Regenwasserspeichersysteme wie die „Chandela tanks“ – Auftankstationen für ausgetrocknete Brunnen. Dabei wird das Regenwasser von Flüssen, Wasserläufen, Teichen, Seen (Chandela) etc. über Beton- oder Lehmkanäle zu den Brunnen geleitet, die dann die Grundwasserleitern mit gefiltertem Wasser wiederauffüllen. Dieses System hat dazu beigetragen, dass es während der Dürre 2016 grüne Felder in staubtrockener Umgebung gab.
Die Maßnahmen der örtlichen Administrationen zur Förderung der Grundwasserneubildung, Regenwasserspeicherung und Aufforstung in den dürregeplagten Dörfern erwiesen sich als Musterbeispiel erfolgreicher Advocacy-Arbeit. Über ihre Partner unterstütze die Welthungerhilfe die Menschen, ihre lokalen Regierungsvertreter in die Pflicht zu nehmen. Das Resultat: Es wurde auch mit Regierungsmitteln in die Wiederbelebung traditioneller Wassersysteme und damit in eine widerstandsfähige Wasserversorgung mit einfachen, angepassten Methoden in den Dörfern investiert.
Dürren haben weltweit die Arbeit der Welthungerhilfe geprägt. Die wichtigsten Zahlen und Fakten zu den Hilfsmaßnahmen gibt es im neuen Jahresbericht 2016.