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14.04.2008 | Blog

Der Aufstand der Hungernden

Und die Welt schaut hin. Endlich!

Eine Frau bei der Arbeit.
Menschen in den Entwicklungsländern, haben mit steigenden Nahrungsmittelpreisen zu kämpfen - leben aber mit weniger als zwei Dollar am Tag. © Desmarowitz/Welthungerhilfe
Hans-Joachim Preuss Generalsekretär (2003-2009)

Liebe Freundinnen und Freunde der Welthungerhilfe,

erinnern Sie sich noch an Ihre Reaktion, als letztes Jahr der Milchindustrieverband verkündete, dass sich die Konsumenten auf eine Erhöhung der Preise von Milchprodukten einzustellen hätten? Plötzlich schnellte der Butterpreis von 79 Cent auf 1,19 Euro nach oben. Quark wurde fast um 50 Prozent teurer. Ebenso stiegen die Preise für Milch und Käse. Ein Aufruhr ging durch die deutsche Medienlandschaft.

Vielleicht waren auch Sie empört und aufgebracht. Doch – Hand aufs Herz – wirklichen Hunger musste bei uns kaum jemand erleiden. Anders geht es den Menschen momentan in den Entwicklungsländern, die ebenfalls mit steigenden Nahrungsmittelpreisen zu kämpfen haben – dabei aber mit weniger als zwei Dollar am Tag leben müssen.

Gehen wir nach Haiti, eines der am wenigsten entwickelten Länder der Erde. Gemäß Human Development Index 2004 liegt der karibische Staat auf Platz 153 von insgesamt 177 Ländern. Seit Tagen kommt es hier schon zu Ausschreitungen, nachdem sich die Preise für Nahrungsmittel und Benzin im letzten Jahr verdoppelt hatten. Können Sie die Wut und die Aggression der Menschen, deren Recht auf Nahrung verwehrt wird, nachempfinden?

Gehen wir in den Sudan. In der Krisenregion Darfur musste die Welthungerhilfe aufgrund der gestiegenen Maispreise die Tagesration für einen Flüchtling reduzieren. Selbst stabile Länder wie Tadschikistan, bitten um Hilfe. Die Folge: Statt in die Entwicklung des Landes zu investieren, müssen wir momentan verstärkt Nahrungsmittelhilfe leisten.

Es sind große Fehler gemacht worden. Der Anteil der Ausgaben für Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung inklusive Landwirtschaft sind in den letzten Jahren von zehn bis zwölf auf momentan zwei bis drei Prozent geschrumpft. Die Vernachlässigung des landwirtschaftlichen Sektors zeigt jetzt seine verheerenden Auswirkungen. Die Landwirte brauchen positive Preisanreize, um mehr zu produzieren. Aber während die landwirtschaftliche Produktivität selbst unter günstigen Voraussetzungen zwischen 1 und 3 Prozent steigen kann, bräuchten wir momentan zwischen 5 und 6 Prozent. Pro Jahr!

Eine mittelfristige Erhöhung der Agrarproduktion könnte zwar in den Industrieländern den Preisanstieg wieder bremsen. Hier sind in der Vergangenheit viele Flächen stillgelegt worden, die jetzt wieder für die landwirtschaftliche Produktion bewirtschaftet werden können. In vielen Entwicklungsländern allerdings sind die Versäumnisse nicht so schnell wieder gut zu machen. Es fehlt es an Bewässerungssystemen, Infrastruktur und Versorgungsketten für Düngemittel, Pflanzenbehandlungsmitteln sowie Saatgut.

Zur langfristigen Entschärfung der Situation sollte die Entscheidung der EU, ab 2015 zehn Prozent der Treibstoffe durch Biosprit zu ersetzen, unbedingt überdacht werden. Ferner müssen mehr Mittel in die Entwicklung ländlicher Räume investiert werden. Bewässerungssysteme, Straßen und Getreidespeicher werden dringend benötigt. Entscheidend wird sein, wie viel Geld die EU und auch die Bundesregierung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit dafür künftig aufwenden will.

Was denken Sie über die aktuelle Situation?

Herzlichst,

Ihr Hans-Joachim Preuß

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