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14.07.2016 | Blog

Dramatische Stunden bis zur Evakuierung

Lena Voigt erlebte dramatische Stunden im Südsudan: Während schwere Gefechte die Hauptstadt Juba erschütterten, wartete sie auf ihre Evakuierung.

Ehe Lena Voigt den Südsudan per Flugzeug verlassen konnte, vergingen dramatische Stunden. © Andreas Herzau
Ehe Lena Voigt den Südsudan per Flugzeug verlassen konnte, vergingen dramatische Stunden. © Andreas Herzau © Andrea Herzau/Welthungerhilfe
Lena Voigt Institutional Donor Relations

Als am vergangenen Freitag die ersten Schüsse in Juba fielen, hatte unsere Kollegin Lena Voigt gerade Feierabend. Bei den schweren Kämpfen, die folgten, starben in der Hauptstadt Südsudans hunderte Menschen. Lena Voigt schildert die dramatischen Stunden, ehe sie in das sichere Nairobi in Kenia evakuiert wurde.

Alle internationalen Mitarbeiter in Juba wohnen zusammen in einem Haus. Bei den ersten Schusswechseln am späten Freitagnachmittag waren einige schon dort, andere noch im Büro. Sie mussten sich dort zunächst im „safe room“ einschließen, bis sich die Lage soweit beruhigte, dass sie den kurzen Fußweg vom Büro zum Wohnhaus wagen konnten.

Das Haus zittert unter heftigen Detonationen

Die Gefechte in Tomping, dem Stadtteil Jubas, in dem die Welthungerhilfe ihr Büro und ihre Unterkunft hat, wurden zunächst nur mit Schusswaffen geführt. Am Samstag nachmittag hörten wir dann auch noch Kampfhubschrauber und die Einschläge schwerer Geschütze in anderen Stadteilen. Ein Tag später wurde auch in Tomping mit schweren Waffen heftig gekämpft. Die Detonationen waren teilweise so heftig und laut, dass das Haus gezittert hat.

Freitagmittag hatten wir ausreichend Wasser und Essen für einige Tage eingekauft – dies war nicht das erste Mal, dass wir uns auf ein angespanntes Wochenende mit einem Notfall-Vorrat vorbereiten. Für den Fall einer kurzfristigen Evakuierung lag ein „grab & run bag“ griffbereit.

Dass die Sache so eskaliert, hat keiner von uns erwartet.

Lena Vogt

Es ist ein ganz eigenartiges Gefühl, relativ sicher hinter hohen Mauern zu sitzen, während draußen geschossen und gekämpft wird. Ein Mal, als die Gefechte unmittelbar um unser Haus herum stattfanden, lag ich auf dem Boden unterm Sofa – auch wenn das eigentlich keinen Unterschied machte. Nach Ausbruch der Kämpfe haben wir uns jeden Tag mehrmals mit allen Kollegen getroffen, um die neuesten Entwicklungen auszutauschen. Die NGOs in Juba sind untereinander sehr gut vernetzt, so bekamen wir stets Updates, was gerade wo in Juba passiert.

Auch mit unseren lokalen Kollegen haben wir natürlich Kontakt gehalten, um zu hören, ob sie in Sicherheit sind – bisher geht es zum Glück allen gut. Wir waren alle fast dauernd an unseren Handys, um Familie, Freunde und Welthungerhilfe-Kollegen auf dem Laufenden zu halten und zu beruhigen: trotz der schlechten Nachrichten, die ja auch in Deutschland ankamen – alles okay bei uns. Aber im Endeffekt ist man trotz all der Informationen einfach machtlos und wartet, dass die Schießereien wieder aufhören und man sich zumindest vorübergehend ein bisschen entspannen kann.

Von lauten Geräuschen aus dem Schlaf gerissen

Ich empfand dieses ohnmächtige Warten als sehr anstrengend. Ich war sehr angespannt, konnte nur schlecht schlafen, bei jedem etwas lauteren Geräusch bin ich hochgeschreckt. Auch zu regelmäßigem Essen muss man sich unter solchen Umständen zwingen. Vielleicht ist der Körper wegen des vielen Adrenalins nicht so hungrig? Ich habe es jedenfalls schlicht manchmal vergessen zu essen, und erst abends gemerkt, wie zittrig ich vor Hunger war. Andererseits saßen wir auch häufig zusammen mit drei, vier Kollegen in einem der Zimmer, haben Abends zusammen gesessen und Fernsehen oder Serien geschaut. Auch das Finale der Europameisterschaft sahen wir am Sonntag gemeinsam, was jetzt im Nachhinein fast surreal wirkt.

Wir waren natürlich alle sehr froh, zu hören, dass die deutsche Botschaft die Evakuierung vorbereitet. Allerdings dauerte dies natürlich und wir suchten auch andere Möglichkeiten, früher auszureisen. Der Waffenstillstand, den die Konfliktparteien am Sonntagabend erklärt haben, war natürlich eine große Erleichterung, doch der Zugang zum Flughafen war zunächst weiterhin nicht zugänglich.

Am Ende ging es für uns sehr schnell. Nachdem sich am späten Dienstagvormittag noch die Hoffnung, mit einer italienischen Militärmaschine oder einer Chartermaschine ausreisen zu können, zerschlagen hatte, kam ein Anruf der Welthungerhilfe aus Bonn. Kurzfristig gibt es einen Charterflug! Innerhalb von zehn Minuten saßen vier Kollegen und ich bereits mit unserem Handgepäck im Auto.

Der Check-in dauert nervenaufreibend lange

Am Flughafen war es sehr voll, aber trotzdem eigentlich erstaunlich organisiert und nicht so panisch, wie ich mir das vielleicht vorgestellt hatte. Es dauerte dennoch nervenaufreibend lange, bis wir eingecheckt und durch die Sicherheitskontrolle waren. Wir waren sehr, sehr erleichtert, als wir endlich im Flugzeug nach Nairobi in Kenia saßen. Ein weiterer Kollege wurde mit einer der deutschen Militärmaschine evakuiert. Zwei weitere Kollegen bleiben in Juba und unterstützen weiter die Kollegen in den Büros in anderen Teilen des Landes, wo es weitgehend ruhig geblieben ist. Das war vielleicht das Schwierigste: sich von den drei zurückbleibenden Kollegen zu verabschieden und zu wissen, dass sie weiterhin der Unsicherheit und Gefahr ausgesetzt sind.

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