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02.03.2011 | Blog

Ein Alltagsbericht aus Haiti

Von Zombies, Karnevalsteufeln und Befreiungstänzen

Haitianer feiern Karneval.
Ausgelassene Stimmung bei den Vorbereitungen zum Karneval in Jacmel.
Rosa Grabe Gastautorin

Kleine Jungen springen verschmitzt auf die Stoßstangen langsam vorbeifahrender Jeeps, bücken sich, um von den Fahrern nicht entdeckt zu werden, und fahren ein Stückchen mit durch die haitianische Hauptstadt Port au Prince. In der brütenden Hitze sitzen Händler am Straßenrand und bieten Altkleider aus den USA an.

Zum zweiten Mal seit dem Erdbeben Anfang 2010 bin ich für die Welthungerhilfe in Haiti, und auf dem Weg nach Petit Goave. Kaum im Auto stehe ich erst einmal im Stau. Zwischen den Fahrzeugen, die sich langsam voran kämpfen, laufen Straßenhändler herum, die Wasser und kleine Snacks verkaufen. Einige Kinder betteln.

Es ist schwül in Petit Goave, einer kleinen Stadt am Meer im Süden des Karibikstaates. Anders als bei meinem letzten Besuch vor einem Jahr, ist der größte Teil der eingestürzten Häuser von Schutt befreit: Die Häuser sind markiert als solche, die repariert werden können, und solche, die abgerissen werden müssen. Das Flussbett ist befestigt, um die anliegenden Häuser vor Überschwemmungen zu schützen. Straßen sind wieder befahrbar, Schulen werden wieder aufgebaut. Aber nach wie vor prägen die Schilder von Hilfsorganisationen das Stadtbild: Es gibt noch viel zu tun.

Mir fällt auf, dass die Grabsteine für die Verstorbenen oft größer sind, als die Häuser der Lebenden. Als wir einige Zelte inmitten von Grabsteinen sehen, frage ich, warum die Menschen denn auf dem Friedhof campieren müssen, schließlich ist der Platz hier nicht so begrenzt wie in der Hauptstadt. Meine Mitarbeiter lachen: Die Menschen möchten nicht weit weg von ihren Toten leben, sie gehören mit dazu.

So verwundert mich auch der Vorschlag unseres Fahrers nicht: Um Diebe von einer Baustelle der Welthungerhilfe für neue Häuser fernzuhalten, schlägt er vor, zwei Zombies als Wachposten zu postieren. Zombies sind Tote, die durch  Zauber wieder lebendig, aber willenlos gemacht werden. Sie sind männlich oder weiblich, können durchsichtig sein oder wie Menschen aussehen. Männliche Zombies, so sagt er, würden härter arbeiten, vor allem im Sicherheitsbereich. Würde ein Zombie also einen Dieb vor dem Zelt erwischen, könnte er diesen schlagen, versteinern oder sogar umbringen. Ich bekomme angeboten, einen Zombie  im Flugzeug mit nach Deutschland zu nehmen. Den Einweisungskurs dazu gibt es gratis. Angesichts der strengen Luftfahrtregeln lehne ich dankend ab.

Wir fahren weiter. Gemeinsam mit den Anwohnern hat die Welthungerhilfe Schlaglöcher auf der nun gut befahrbaren Straße gestopft. Auch jetzt noch sehen wir mehrere Gruppen von Männern und Frauen, die Ausbesserungen vornehmen. Jede ungelernte Person verdient so im Durchschnitt etwa 80 Euro. Das Geld wird für den Schulbesuch, Nahrungsmittel oder Saatgut eingesetzt. Etwas weiter tragen 600 Personen Steine herbei, um sie in Reihen auf einem Hang abzulegen, und ihn gegen Erdrutsche abzusichern. In der fruchtbaren Erde wollen sie Gemüse anpflanzen – ein weiteres Projekt der Welthungerhilfe.

Nach Petit Goave steht ein Besuch in Jacmel an der südlichen Küste auf meinem Reiseprogramm. Hier dreht sich dieser Tage alles um den großen Karnevalszug am 25. Februar. Es geht bunt zu, und ähnlich wie im deutschen Karneval vermischen sich Fantasiegestalten mit politischen Botschaften. Die Sicherheitslage in den letzten Tagen war angespannt, trotzdem fühle ich mich sicher. Nur die wild gewordenen Teufel, die immer mal wieder in die Menge rennen und Zuschauer mit schwarzem Pech bestreichen, lassen mich Schutz hinter dem Rücken meines Vordermanns suchen. Mit Pech werde ich zum Glück nicht bepinselt: Ich kann mich mit einem kleinen Tänzchen freikaufen.

Auf einem der Karnevalswagen sieht man ein wackelndes Haus, aus dem Leute flüchten. Eine Art, das Erdbeben zu verarbeiten, bei dem am 12.01.2010 über 230.000 Menschen starben. Letztes Jahr ist der Karneval ausgefallen, die Leute waren noch zu traumatisiert. Dieses Jahr haben die Bewohner von Jacmel ihren Humor wieder gefunden. Das Leben geht weiter, auch wenn noch vieles im Argen liegt.

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