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17.01.2017 | Blog

Entwicklungshilfe ist kein Druckmittel

Fehlende Kooperation der Herkunftsländer bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber, durch die Kürzung von Entwicklungshilfe zu erzwingen, ist der falsche Weg.

Ohne Perspektive, ohne Zukunft. Flüchtlinge suchen Schutz in einem Camp. © Schernikau
Ohne Perspektive, ohne Zukunft. Flüchtlinge suchen Schutz in einem Camp. © Schernikau © Mirko Schernikau
Bärbel Dieckmann Ehemalige Präsidentin Welthungerhilfe

In der aktuellen Diskussion um abgelehnte Asylbewerber und deren Abschiebung wurde in den vergangenen Wochen und verstärkt nach dem Terroranschlag in Berlin aus allen politischen Richtungen der Ruf lauter, die fehlende Kooperation der Herkunftsländer bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber durch die Streichung oder Kürzung von Entwicklungshilfe zu erzwingen.

Das Ziel von Entwicklungszusammenarbeit ist es, die Lebensbedingungen von Menschen in Entwicklungsländern nachhaltig zu verbessern. Immer wenn dieses Ziel in der Vergangenheit von einem „Zweitnutzen“ überlagert wurde – Zurückdrängung des Kommunismus, Bekämpfung des Terrorismus, Fernhalten von Flüchtlingen und Migranten- geriet das erste Ziel aus den Augen und wurde verfehlt. Dies droht auch in der gegenwärtigen Situation.

Perspektivlosigkeit bekämpfen anstatt sie zu fördern

Nehmen wir das Beispiel Tunesien: Nach dem „arabischen Frühling“ wurden die Fördermittel zur Stabilisierung der fragilen Demokratie massiv erhöht, um ein Abrutschen in eine neue Diktatur oder anarchische Zustände zu verhindern. Im Jahr 2016 belief sich das deutsche staatliche Mittel für Entwicklungszusammenarbeit mit Tunesien auf 290,5 Millionen.

Auf den ersten Blick also ein Druckmittel. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit Tunesien ist die Entwicklung benachteiligter Regionen im Landesinneren und die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten besonders für junge Menschen. Somit also die Ursachenbekämpfung der Migration vor allem junger Tunesier. Man würde somit Entwicklungshilfe, die der Bekämpfung von Perspektivlosigkeit dient, streichen, um die Rücknahme derer zu erzwingen, die eben wegen dieser Perspektivlosigkeit nach Europa gekommen sind.

Zudem wird die potentielle Drohkulisse gegenüber z.B. Tunesien in Deutschland stark überschätzt. Denn Programme wie das „Better Migration Management“ sollen nämlich u.a. in Tunesien dafür sorgen, dass Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Staaten nicht mehr von Tunesien aus ihre gefährliche Überfahrt nach Europa antreten.

Sanktionen würden Gesamtsituation verschärfen

Die Kooperationsbereitschaft Tunesiens, im Rahmen solcher Programme, bei gleichzeitigen „Sanktionen“ aus Deutschland und Europa im Rahmen der Rücknahmeproblematik, würde wohl, gelinde gesagt, recht gering ausfallen.

Es besteht hier also aktuell eine große Abhängigkeit gegenüber Staaten wie Tunesien, die nicht viel Spielraum für Druckausübung lässt– auch wenn das angesichts der innenpolitischen Diskussionen in Deutschland vor den Wahlen ungern zugegeben wird. Einer der wenigen, die das öffentlich zuzugeben wagen, ist Entwicklungsminister Müller.

Im eigenen Land vertriebene Afghanen versammeln sich und warten auf die Verteilung der Haushaltsgüter. © Sayed Abdul Tawab
Im eigenen Land vertriebene Afghanen versammeln sich und warten auf die Verteilung der Haushaltsgüter. © Sayed Abdul Tawab © Sayed Abdul Tawab Sadaat/Welthungerhilfe

Entwicklungshilfe ist kein Druckmittel

Die Notwendigkeit der Rückführung von jenen, deren Schutzbedürftigkeit nicht festgestellt werden konnte, damit die entsprechenden Ressourcen für die Betreuung und Versorgung von anerkannten Flüchtlingen und Asylbewerbern zur Verfügung stehen, ist augenscheinlich. Ansonsten ist zu befürchten, dass Europa sich noch stärker abschottet, was wiederum zu Lasten der tatsächlich Schutzbedürftigen ginge.

Die gewählten Mittel der Rückführungsbemühungen dürfen jedoch nicht, wie aktuell zu befürchten, die Gesamtsituation weiter verschärfen.

Schlüssel für Bekämpfung von Fluchtursachen

Entwicklungszusammenarbeit und auch humanitäre Hilfe, die Bleibeperspektiven schafft, überall auf der Welt, sind ein Schlüssel für die Bekämpfung der Ursachen, die Menschen dazu zwingen ihre Heimat oder aktuellen Aufenthaltsorte zu verlassen. Dies wird leider zu häufig in der öffentlichen Diskussion zu Gunsten von vermeintlich einfachen und schnellen Lösungen verkannt, da Entwicklungszusammenarbeit meist erst mittel- und langfristig ihre Wirkung, dann jedoch nachhaltig positiv, entfaltet.

Auch wenn Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit Konflikte wie solche in Syrien oder im Südsudan nicht verhindern können, so kann in vielen Ländern potentiellen Konflikten durch vorbeugende Interventionen der Nährboden entzogen werden.

Sinnvolle humanitäre Hilfe baut, über die reine Lebenssicherung hinaus, in einer engen Verzahnung mit Entwicklungszusammenarbeit Perspektiven für die Menschen auf. Die Welthungerhilfe deckt die Bereiche der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit seit über 54 Jahren erfolgreich ab.

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