Tu das Richtige!
Vor drei Monaten habe ich ein Praktikum bei der Welthungerhilfe angefangen – zum Thema Accountability. „Klingt ja spannend, aber mal im Ernst, was ist das?“
So oder so ähnlich lautete der erste Satz, den ich mit der zuständigen Referentin wechselte. Pflichtbewusst hatte ich natürlich bereits vor Praktikumsbeginn mögliche deutsche Übersetzungen recherchiert. Verantwortlichkeit habe ich gefunden und auch Rechenschaft tauchte auf. Richtig schlau, womit ich mich die nächste Zeit beschäftigen würde, wurde ich aber immer noch nicht. Ein kleines Fallbeispiel öffnete mir aber die Augen.
Accountability: Verantwortlichkeit und Rechenschaft und was noch?
Ein Fallbeispiel: Im November 2007 wurde Bangladesch von einem heftigen Sturm getroffen. In Folge dessen brauchten die Menschen vor Ort dringend Behälter um Trinkwasser zu lagern. Eine Hilfsorganisation, die schon lange vor Ort arbeitete, organisierte im Akkord mehrere tausend Plastikeimer und verteilte diese. Zwei Wochen nach der Verteilung sendete die Hilfsorganisation ein Team zur Überprüfung der Situation aus.
Das Ergebnis: Niemand nutze die Plastikeimer, da diese in der Region traditionell für Fäkalien genutzt werden. Trinkwasser wird nur in Krügen gelagert.
Damit solche Fehler schneller auffallen oder bestenfalls gar nicht erst auftreten, gibt es die Accountability. Durch spezielle Richtlinien für die Arbeit in einer Hilfsorganisation sorgt sie dafür, dass u.a. nicht vergessen wird einen Rückmeldemechanismus einzurichten, durch den sich Personen vor Ort schnell an die Organisation wenden können. Des Weiteren fordern die Richtlinien, dass bereits im Vorfeld geklärt wird, welche Bedürfnisse die Personen haben.
Aus Unwissenheit geschehen Fehler
Wenn ich Freunden von diesem Fallbeispiel erzählte, kam oftmals der Einwand, die Personen vor Ort sollen sich nicht so anstellen und glücklich sein, dass ihnen überhaupt jemand hilft. Ja, das mag wohl sein, aber das Problem im Fallbeispiel ist nicht, dass die Personen, die Eimer erhalten haben, die Eimer aus Ignoranz nicht zum Wasserspeichern benutzt haben. Ihnen war schlichtweg nicht klar, was sie damit tun sollten. Um besser zu verstehen, wo der Fehler auftauchte:
Würde man in Deutschland nach einer Katastrophe Feuerzeuge verteilen, um damit Kronkorken auf Wasserflaschen aufzuhebeln, ohne zu erklären, was mit den Feuerzeugen gemacht werden sollte, was würden wir alle mit den Feuerzeugen machen? Richtig, Feuer oder eben gar nichts, da wir kein Feuer benötigen.
Es mag vielleicht völlig abwegig erscheinen, Feuerzeuge zum Öffnen von Flaschen zu verteilen, aber genau so abwegig erscheint es in Bangladesch, Eimer zum Speichern von Wasser zu nutzen.
Felix Jochmus-StoeckeEine Aufgabe der Accountability: Informationen teilen, aber bitte auf Augenhöhe!
Eine weitere Aufgabe der Accountability ist also, zu regeln, wie Informationen geteilt werden. Nun muss man bei dem Fallbeispiel beachten, selbst wenn man die Menschen aufgeklärt hätte, was sie mit den Eimern tun sollten, muss man dennoch Verständnis dafür haben, dass sie sich davor ekeln, aus Gefäßen zu trinken, die sie sonst nur als Toiletten kennen. Es gehört auch zur Accountability darauf hinzuweisen, den Personen auf Augenhöhe zu begegnen und deren Bedürfnisse ernst zu nehmen. Ich denke man könnte sagen, die Bemühungen der Accountability zielen darauf ab, die Qualität von Hilfsleistungen zu steigern. Dies tut man indem man mit den Personen, die von einer Organisation Hilfe erhalten, so interagiert, dass man sie in ihre Belange miteinbezieht.
Standards: Woran orientiert sich die Welthungerhilfe?
Wie vielleicht bereits klar wurde, ist Accountability ein breites Aufgabenfeld. Und die oben erwähnten Probleme sind nur ein Ausschnitt der gesamten Thematik. Der Standard, nach dem die Welthungerhilfe ihre Arbeit zu Accountability ausrichtet ist der „Core Humanitarian Standard“ (CHS). Dieser Standard ist speziell auf die Arbeit einer Hilfsorganisation ausgelegt und beinhaltet neun sogenannte Commitments, neun Punkte an denen sich die Arbeit der Accountability orientieren soll.
Dabei reichen die Punkte inhaltlich über…
- angemessenes Arbeiten (Informationen teilen, Bedürfnisse analysieren) und
- effektives Arbeiten.
- Darüber hinaus die Wichtigkeit von Kommunikation und Feedback,
- den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen, oder
- aber auch einfach, dass Beschwerden willkommen sind.
Dabei ist der Standard so geschrieben, dass er möglichst viele Probleme lösen kann, also im besten Fall ein Universaltool für die verantwortungsvolle Arbeit einer Hilfsorganisation ist.
Standards sind schön und gut – aber wie werden sie umgesetzt?
Neben der Arbeit mit dem Core Humanitarian Standard erarbeitet die Welthungerhilfe auch eigene Richtlinien um „accountable“ zu handeln. Sie hat einen eigenen Accountability Framework und durch Monitoring und Evaluation überprüft sie ob und wie ihre Hilfsleistungen ankommen. Sie hat eigene „Codes of Conduct“, also Verhaltensregeln, die jeder Mitarbeiter unterschreiben muss und bietet darüber hinaus mehrere Eingangspunkte für Beschwerden. Accountability hat eine eigene Arbeitsgruppe in Bonn und in acht Pilotländern eigene Koordinatoren nur für Fragen zu diesem Thema.
Nach drei Monaten Arbeit bei der Welthungerhilfe habe ich einen guten Einblick bekommen und mir ist klar geworden, warum das Thema Accountability so wichtig ist – auch wenn ich wahrscheinlich immer noch nicht all ihre Seiten kenne.
Warum Accountability so wichtig ist? Sie verbessert die Qualität der Arbeit und darüber hinaus, ist es einfach das Richtige, verantwortungsvoll und umschauend zu handeln.