Flüchtlingsstrom reißt nicht ab
Mathias Mogge berichtet im Interview von der aktuellen Lage in Syrien.
In Syrien wird die Lage der Menschen immer kritischer - Angst und Schrecken sind alltäglich geworden. Mathias Mogge berichtet im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) von seinem Besuch in der türkischen Stadt Gaziantep. Von dort aus koordiniert die Welthungerhilfe die Unterstützung für die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge.
KNA: Herr Mogge, worauf konzentriert sich die Welthungerhilfe in Syrien selbst?
Mogge: Ganz klar auf die Verteilung von Nahrungsmitteln. Die Ressourcen in Syrien sind aufgebraucht. Die Landwirtschaft steht vor dem Zusammenbruch. Mangelnde Niederschläge haben die Lage weiter verschärft. Das alles hat dazu geführt, dass sich die Preise für Grundnahrungsmittel dramatisch erhöht haben.
KNA: Der Gründer der Organisation "Grünhelme", Rupert Neudeck, hat unlängst die Einrichtung einer Luftbrücke vorgeschlagen, um die Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen. Wie realistisch ist dieser Ansatz?
Mogge: Ich halte die Idee für gar nicht so abwegig. Allerdings funktionieren derzeit noch die Lieferungen per LKW. Nicht nur wir selbst, auch andere Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen bringen große Mengen an Lebensmitteln aus den Nachbarländern nach Syrien - sozusagen als Luftbrücke auf dem Landweg.
KNA: Welche Auswirkungen haben die Kämpfe im Land auf die Arbeit der Helfer?
Mogge: Es sind in unseren Projektgebieten weniger die Kämpfe, die uns und den Menschen vor Ort zu schaffen machen. Es ist der ständige Terror der wechselnden Besatzer. Unser Projektkoordinator in Syrien sitzt in Manbij, etwa 100 Kilometer südöstlich von Gaziantep. Er hat uns erzählt, dass derzeit dort radikale Islamisten das Sagen haben - die können in zwei Wochen aber wieder fort sein und durch Regierungstruppen oder andere Gruppierungen ersetzt werden.
KNA: Lässt sich mit islamistischen Besatzern Hilfe überhaupt sinnvoll planen?
Mogge: Das geht nur mit einheimischen Mitarbeitern und zusammen mit lokalen Hilfsorganisationen. Diese Leute sind enorm engagiert und sehr gut ausgebildet. Aber auch sie leben in ständiger Angst vor Folter und Entführungen.
KNA: Was ist mit ausländischen Helfern?
Mogge: Die können derzeit nicht nach Syrien. Direkt für uns arbeiten außer dem Koordinator zehn weitere Einheimische. Ihnen gelingt es immer wieder, die grüne Grenze zur Türkei zu überqueren und Kontakt zu unserem Büro hier zu halten. Aber auch das ist äußerst gefährlich.
KNA: Wie sieht die Lage in der Türkei aus - was erwartet die syrischen Flüchtlinge dort?
Mogge: Die Türkei bemüht sich sehr um eine professionelle Betreuung und hat inzwischen 25 Zeltstädte in der Grenzregion errichtet. Doch der Strom der Flüchtlinge reißt nicht ab. Viele Neuankömmlinge werden deswegen auch auf die umliegenden Ortschaften verteilt.
KNA: Das klingt nach Stoff für neue Konflikte.
Mogge: Leider steht das zu befürchten. Mancherorts ist bereits eine gewisse Fremdenfeindlichkeit zu spüren, weil dort so viele Flüchtlinge untergekommen sind. Solche kleinen Beobachtungen am Rande zeigen, dass die Aufnahmefähigkeit der Türkei allmählich an ihre Grenzen stößt.
KNA: Umso wichtiger wären diplomatische Initiativen zur Lösung des Konflikts...
Mogge: Aber die sind nirgends in Sicht. Russland, das in dem Konflikt eine Schlüsselrolle spielte, ist durch die Krimkrise quasi aus dem Spiel. Ich wüsste deswegen nicht, wo auf politischer Ebene ein baldiger Frieden für Syrien herkommen sollte. Die Lage ist verfahren und extrem frustrierend. Wir richten uns auf ein längerfristiges Engagement ein und planen beispielsweise Schulen und Ausbildungsmaßnahmen für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen.