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03.06.2015 | Blog

Frauen in Sierra Leone: Bildung gegen Armut

Doris Webber ist im Vorfeld des G7-Gipfels beim Konzert United Against Poverty dabei, um von ihrer Arbeit in Sierra Leone zu berichten

Doris Webber aus Sierra Leone
Doris Webber aus Sierra Leone setzt sich für die Rechte von Frauen ein. © Jörg Boethling

Der Einsatz von Doris Webber für die Rechte der Frauen ist leidenschaftlich, denn sie weiß aus eigener Erfahrung wie erniedrigend es sein kann, wenn man immer nur am unteren Rand der Gesellschaft lebt. Als "Unsung Hero- Unentdeckte Heldin" nahm sie am Vortag des G7-Gipfels am 6. Juni 2015 in Deutschland bei der Veranstaltung United Against Poverty in München teil und berichtete von ihrem täglichen Kampf gegen Armut und Hunger. Erfahren Sie hier mehr über ihre Arbeit und ihr Engagement in Sierra Leone.

Am frühen Nachmittag, wenn es in Sierra Leone richtig heiß wird, lassen die Lehrerinnen ihren Unterricht an der berufsbildenden Schule von Waterloo auf köstliche Art und Weise ausklingen: Die angehenden Köchinnen und Catering-Fachkräfte zeigen, was sie gelernt haben, und teilen Fischeintopf und Kochreis mit den übrigen Mädchen und jungen Frauen. Mit dabei ist auch Doris Fatima Webber, die sich mit weiteren Angehörigen der Nichtregierungsorganisation Women Advocacy and Agricultural Development Organization (WAADO) um die Ausbildung kümmert. Sie soll den Schülerinnen, denen während der Bürgerkriegsjahre meist der Zugang zu Bildung verwehrt wurde, eine würdige Existenz ermöglichen.

 

WAADO gibt Frauen eine Stimme

„Ich habe am eigenen Leib verspürt, was Frauen vor allem auf dem Land durchmachen müssen. Ihre Stimmen bleiben ungehört, weil man ihnen die Bildung verweigert. Sie kennen ihreRechte nicht, harte Arbeit ist ihr tägliches Los, wie das in einer von Männern bestimmten Gesellschaft üblich ist“, stellt sie nüchtern fest. Um gegen diese Missstände anzugehen, hat die Frauenrechtsaktivistin 2007 in Waterloo die Entwicklungsorganisation WAADO ins Leben gerufen. „Wir haben ein Zentrum gegründet, das Frauen hilft, ihre Fähigkeiten und Neigungen auszubauen. Dabei sollen sie beraten werden, zudem brauchen wir eine Abteilung für Erwachsenenbildung“. In diesem Zentrum sollen Frauen auch über ihre Sorgen und Nöte berichten können, als Opfer häuslicher Gewalt seelischen sowie juristischen Beistand finden und notfalls auch kurzfristig wohnen können.

Dass die Mutter dreier erwachsener Kinder einiges einstecken musste, lässt sich bereits an ihrem Lebenslauf ablesen. „Den Hochschulbesuch konnte sich meine Familie nicht leisten, ich musste Geld verdienen. So habe ich geräucherten Fisch gekauft und im Landesinneren auf den Märkten weiterverkauft“, erinnert sie sich. Über die Bürgerkriegsjahre zu reden, bereitet ihr sichtlich Mühe, schlagartig verdüstern sich ihre Gesichtszüge. Als sich die Rebellen der brutalen „Revolutionären Vereinigten Front“ (RUF) ihrem Wohnort näherten, flüchtete sie nach Freetown, fand im Stadtteil Juba Hills eine Unterkunft und hielt sich als Haushaltshilfe über Wasser. Als der Konflikt 2002 ein Ende fand, war Doris 35 Jahre alt. Sie kehrte nach Waterloo zurück und fand ihr Haus in Trümmern.

Unterstützung im Frauenzentrum

Wählerisch zu sein, konnte sie sich nicht erlauben, und so verdingte sie sich als Kindermädchen. „Im Wald habe ich Brennholz gesammelt, um es im Ort zu verkaufen, das waren jedes Mal fast zehn Kilometer Fußweg hin und zurück“, erinnert sie sich. Ihr eigenes Los befeuerte ihre Leidenschaft erneut. Doris volontierte beim Roten Kreuz und kümmerte sich dann freiwillig um Schulabbrecherinnen: „Damit habe ich auf eigene Faust angefangen, niemand hat dabei geholfen.“ Schließlich fand sie eine bezahlte Stelle bei einer Hilfsorganisation. Heute beteiligt sie sich als Ratgeberin bei Sendungen des lokalen Radio Lion Mountain. „Ich versuche den Frauen weiterzuhelfen, gebe Tipps, wie sie sich am besten verhalten“, sagt sie. Wenn der Fall zu kompliziert sei, bietet sie eine persönliche Aussprache an und besorgt notfalls kostenlosen Rechtsbeistand. „Von ihren Rechten haben sie meist wenig Ahnung“, sagt Doris. „Ich kläre sie dann auf, mache ihnen Mut.“ Doris weiß, dass ihr und ihren Weggefährtinnen der Kampf um die Gleichstellung in Sierra Leone noch viel Energie, Geduld und Beharrungsvermögen abverlangen wird.

Gebildete Frauen lassen sich nicht alles gefallen

An den Weltfrauentag am 8. März 2007 erinnert sich Doris mit Ehrfurcht: „Hunderte haben sich damals in Freetown zu einer Kundgebung versammelt und gefordert, dass die im Parlament verabschiedeten Gleichstellungsgesetze, die Frauen mehr Rechte zubilligen, zügig in Kraft treten.“ Kurz darauf erfolgte dies tatsächlich, doch an der Umsetzung mangelt es bis heute. Inzwischen kennt man Doris auch als wortgewaltige Teilnehmerin bei Talk-Shows im Fernsehen, Bildung ist dabei ihr Hauptanliegen. „Gebildete Frauen sind selbstbewusst, sie kennen ihre Rechte und lassen sich nicht mehr alles gefallen“, lautet ihr Credo.

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