Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Seiteninhalt springen Zum Footer springen

06.07.2017 | Blog

Alles nur Folklore?

Der G20-Gipfel wird in den Medien von Klatsch und Tratsch begleitet. Wichtiger wäre es, die mächtigen Staaten dazu aufzufordern, Verantwortung zu übernehmen - etwa für Flucht und Migration.

Damit mehr als die Folklore rund um den Gipfel bleibt, müssen sich die G20 im Bereich Migration verstärkt in die Erarbeitung und Umsetzung weltweiter Standards einbringen. © Stanislav Krupar
Damit mehr als die Folklore rund um den Gipfel bleibt, müssen sich die G20 im Bereich Migration verstärkt in die Erarbeitung und Umsetzung weltweiter Standards einbringen. © Stanislav Krupar
Dirk Ebach Team Policy & External Relations

Wenn man in der Stabsstelle Politik und Außenbeziehungen arbeitet, beschäftigt man sich beruflich viel mit dem G20 Gipfel. Wenn man dann noch für die Themen Flucht und Migration zuständig ist, umso mehr. Doch was, wenn man nicht beruflich mit solchen Themen zu tun hat? Was bleibt dann hängen von G20?

Eine kleine Presseschau zeigt es: Partypolizisten aus Berlin, schrullige Angewohnheiten der Gipfelteilnehmer, Spekulationen, in welches Fettnäpfchen sich Donald Trump twittern wird und ob wer wem wann und wie lange die Hand gibt.

Mächtige Staaten in der Verantwortung

Sind die G20 eine Spaßveranstaltung, deren Inhalte so unwichtig sind, dass man lieber über den Tratsch drum herum berichtet? Ich würde sagen: Nein. Es sitzen dort hochrangige Vertreter*innen der 20 mächtigsten Staaten dieser Erde zusammen und tauschen sich über weltpolitische Themen aus – das ist schon mal ein Wert an sich.

Wichtig ist, was man aus dieser Chance macht. G20 kann so kläglich scheitern, wie jüngst der G7 Gipfel, ja. Aber deshalb die Hoffnung aufgeben? Es ist Aufgabe der Zivilgesellschaft, die Regierungen daran zu erinnern, welche Verantwortung sie tragen und sie mit Forderungen zu konfrontieren, die aus unserer täglichen Erfahrungen im „echten“ Leben erwachsen.

Auf die Forderungen im Themenbereich Flucht und Migration möchte ich etwas näher eingehen, damit zumindest etwas mehr vom G20 hängenbleibt, als der Preis für die schicksten Schuhe der Gipfelteilnehmer.

Im Jahr 2015 lebten über 240 Millionen Menschen außerhalb des Landes, in dem sie geboren wurden.

Dirk Ebach

Flucht und Migration sind weltweit ein Riesenthema. Die G20 haben in diesem Bereich die unterschiedlichsten Interessen. Manche profitieren enorm von den Überweisungen ihrer Landsleute aus dem Ausland, andere würden gerne ihre Grenzen schließen, damit keine Migranten mehr hereinkommen.

Ich könnte jetzt den üblichen, einleitenden Satz bei diesem Thema schreiben, dass über 65 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Das mache ich aber bewusst nicht, denn diese Zahl erfasst nicht ansatzweise die Dimension des Themas weltweiter Migration. Im Jahr 2015 lebten über 240 Millionen Menschen weltweit außerhalb des Landes, in dem sie geboren wurden. Ein Anteil von ca. 22 Millionen Menschen sind Flüchtlinge.

218 Millionen Menschen sind also keine Flüchtlinge, sondern Migranten. Natürlich ist darunter auch der ausländische Gastprofessor oder Manager eines internationalen Konzerns, jedoch eben auch eine schwer fassbare Gruppe von Abermillionen von Menschen, die nicht freiwillig migriert sind. Getrieben durch Hunger, extreme Armut, den Folgen des Klimawandels und einer Vielzahl anderer Gründe.

Eine Gruppe, die, da sie keinen Flüchtlingsstatus beanspruchen kann, pauschal als Wirtschaftsmigranten abgestempelt wird, als ginge es ihnen darum, sich statt einem VW endlich einen BMW leisten zu können. Weltweite Ungerechtigkeit hat sie dazu bewegt, ihren Wohnort zu verlassen, um einen Ort zu erreichen, wie weit auch immer entfernt, an dem sie menschenwürdiger und zumindest mit einem Funken mehr Hoffnung für sich und ihre Familien leben können.

Was können wir tun?

Wie können wir den Migranten, die nicht freiwillig ihre Heimat verlassen, helfen? Sowohl denen, die von einem afrikanischen Land in das Nachbarland migriert sind, als auch dem vergleichsweise kleinen Anteil derer, die ihr Leben riskieren, um nach Europa zu gelangen.

Es braucht zwei parallele Ansätze: Zunächst muss die Situation der Migranten in ihrem jeweiligen Migrantendasein verbessert werden. Migranten erleiden millionenfach und täglich auf ihrem Weg und in den Aufnahmeländern Internierung (häufig auch Kinder getrennt von ihren Eltern), Hunger, Krankheiten, Ausbeutung, Missbrauch, Folter, Vergewaltigung oder gar den Tod. Um diese Situationen zu beenden, bedarf es internationaler Lösungen. Ein Ansatz sind die beiden derzeit in Vorbereitung befindlichen sogenannten UN-Global-Compacts for Refugees and for safe, orderly and regular Migration. UN-Prozesse, die im September 2018 zu weltweiten Grundsätzen, einem gemeinsamen Verständnis und hoffentlich auch Vereinbarungen zu allen Formen von Migration führen sollen. Es ist daher notwendig, dass sich die G20 in diese Prozesse intensiv einbringen und schon proaktiv Gemeinsamkeiten in Fragen der Migration identifizieren, die in die genannten Prozesse konkret einfließen können.

Neben dem Ansatz zur besseren Gestaltung der Lebenssituation von Migration ist der Ansatz der Bekämpfung von Ursachen für unfreiwillige Migration unerlässlich.

Eine Ursache von Migration sind zweifelsfrei Ungerechtigkeit und Not. An dem Thema ist die internationale Entwicklungszusammenarbeit schon dran. Nicht, weil sie dadurch verhindern wollen, das Menschen migrieren, sondern schlicht, weil Ungerechtigkeit und Not ungerecht sind. Der Abbau von Ungerechtigkeit und Not wird nicht zum Absinken von Migration führen, sondern den Anteil der Migranten senken, die migrieren, weil sie keine andere Wahl haben.

Was es unwahrscheinlich schwer macht, diese Arbeit zu leisten, sind nicht nur unzureichende weltweite Mittel, sondern häufig fehlende politische Lösungen, ohne die jedes noch so gute Entwicklungsprojekt, seine beabsichtigte Wirkung nicht entfalten kann.

Erste Maßnahmen für mehr Gerechtigkeit

Die G20 müssten nicht einmal positive Maßnahmen anstoßen, um einen Teil der Probleme zu lösen. Als erster Schritt würde es schon reichen, folgende negative Handlungen zu unterlassen:

Damit mehr als die Folklore rund um den Gipfel bleibt, müssen sich die G20 im Bereich Migration verstärkt in die Erarbeitung und Umsetzung weltweiter Standards für alle Formen von Migration einbringen. Da die reine Verbesserung der Situation von Migranten noch nicht die Ursachen für unfreiwillige Migration beseitigt, muss internationale Entwicklungszusammenarbeit mehr Mittel, jedoch insbesondere mehr politischen Handlungsspielraum erhalten, um für mehr Gerechtigkeit sorgen zu können.

Das Agieren der Regierungen darf das Streben nach mehr Gerechtigkeit nicht konterkarieren.

Das könnte Sie auch interessieren