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17.05.2016 | Blog

"Ich darf keinen Durst bekommen!"

Kein Aufatmen für die Menschen in Afar. Selbst der Regen verbessert die fatale Ernährungssituation nicht. Welthungerhilfe-Mitarbeiterin Francesca Schraffl berichtet aus der Dürreregion in Äthiopien.

Yusuf sitzt auf dem ausgetrockneten Boden in seinem Dorf Afar © Jens Grossmann
In Yusufs Dorf in Afar ist das Wasser knapp. © Jens Grossmann
Francesca Schraffl Beraterin Stiftungskooperationen (bis September 2021)

Wenn Yusuf spricht, spricht er sehr leise, als würde er versuchen, sich so wenig wie möglich anzustrengen. Seine Kleidung hängt schlaff am Körper. Er blickt um sich, der Boden ist trocken und ausgedörrt. Menschen sind keine zu sehen.

Yusuf lebt in einem kleinen Dorf in Afar, einer der Gegenden in Äthiopien, die am stärksten von der Dürre betroffen sind. Er hatte 40 Ziegen, zehn sind jetzt noch übrig. „Wir haben unser Dorf auf der Suche nach Regen verlassen. Meine Ziegen sind auf dem Weg gestorben. Dann hörten wir, dass die Organisation Afar Pastoralist Development Association (APDA) eine Regenwasserzisterne gebaut hat, also gingen wir zurück“, erzählt er uns. Bevor APDA mit Unterstützung der Welthungerhilfe insgesamt 300 Zisternen in der Gegend errichtete, war die nächste Wasserstelle zwölf Stunden entfernt.

Yusuf zeigt uns eine Zisterne, die zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist. In seinem Dorf hat es über ein Jahr nicht mehr geregnet, deshalb wurde sie von den Wasser-Trucks der äthiopischen Regierung und APDA aufgefüllt. „Ich darf keinen Durst bekommen“, erklärt uns Yusuf. Deshalb isst er so wenig wie möglich. Wenn die Temperatur am Tag auf 50 Grad steigt, bewegen sich die Menschen kaum.

Jede Familie mit im Schnitt sechs Mitgliedern bekommt 25 Liter Wasser am Tag. Manchmal muss die Ration für zwei oder auch drei Tage reichen. Denn die Wasser-Trucks kommen nicht täglich. Yusuf blickt auf das braune Wasser in der Zisterne und dann wieder zu uns. „Wenn wir dieses Wasser aufgebraucht haben, was soll ich danach meinen Kindern geben?“, fragt er.

Menschen holen mit Kanistern Wasser vom Brunnen
Jeder Familie in Afar steht 25 Liter Wasser pro Tag zu. Oft muss die Ration auch mehrere Tage reichen. © Jens Grossmann

Trotz Regen kein Aufatmen

Seit ich in Afar angekommen bin, gehen immer wieder heftige Niederschläge in der Dürre-geplagten Region nieder. Die Zisternen füllen sich. Yusuf muss erleichtert gewesen sein, als die ersten Tropfen vom Himmel fielen. Aber mit dem Regen kamen Überschwemmungen und Krankheiten. 671 Haushalte wurden bei den Regenfällen überschwemmt, die Bewohner mussten umgesiedelt werden. Ich frage mich, ob Yusufs Kinder genug zu trinken haben oder ob sie unter akutem Durchfall als Folge des verseuchten Wassers leiden?

Der Regen bringt zweifelsfrei Erleichterung, was das fehlende Trinkwasser angeht. Jedoch nur in den Dörfern, die die Möglichkeit haben, es zu sammeln, wie in den Projektgegenden der Welthungerhilfe.

Die Arbeit der Welthungerhilfe in Äthiopien

Ohne Vieh kein Überleben

Die Hirtenvölker sind Nomaden und bewirtschaften kein Land, sondern wandern mit ihrer Herde umher, folgen dem Regen und suchen nach Viehfutter. Sie sind abhängig von ihren Tieren, die ihnen Fleisch und Milch geben, und auf dem Markt gegen Getreide oder andere Waren getauscht werden.

Wegen der anhaltenden Dürre gibt es kein frisches Gras oder Bäume. Tausende Tiere starben letztes Jahr und die, die überlebten, finden weder Essen noch Wasser. Sie sind zu schwach, um Milch zu geben und so dünn, dass ihr Marktwert dramatisch sank. „Ich bekam 900 bis 1000 Birr für eine Ziege“, erzählt mir Shek, aus einem Dorf nebenan, „Nun verdiene ich nicht mehr als 300 bis 400 Birr“.

Durch die schlechten Ernten im Hochland stiegen gleichzeitig die Preise für Getreide. Für 300 Birr bekommt Shek 50 Kilo – damit wird er seine Familie acht bis zehn Tage ernähren können. „Ich kaufe nur Getreide“, fährt Shek fort. „Würde ich auch Obst und Gemüse kaufen, hätten wir morgen schon kein Essen mehr und meine Kinder würden sterben. Mit Getreide kann ich sie länger am Leben erhalten“.

Famillie in Äthiopien
Shek besitzt noch 15 Ziegen, mit denen er für seine Familie Getreide kaufen kann. © Jens Grossmann

Shek hat 15 Ziegen. In seinem Stamm bedeutet das, dass er arm ist. Vor der Dürre lag die ‚Armutsgrenze‘ bei 40 Ziegen. Aber seit letztem Jahr, als so viele Tiere starben, senkte die Gemeinschaft die Grenze. Heute gilt man mit 15 Ziegen (so viel wird mindestens benötigt, um eine Familie zu ernähren) offiziell als ‚arm‘. Deswegen stutze ich, als ich höre, dass nur drei von Ibrahims Ziegen überlebten. „Wie schaffst du das?“, frage ich ihn. „Ich bekomme ein kleines Gehalt von APDA“, erklärt er mir.

Ibrahim unterstützt die Organisation im Gesundheitsbereich. Er zeigt mir seinen Rucksack voller Medizin und greift danach, doch schon allein das scheint ihm zu viel Energie zu kosten. Seine Augen, sein Körper und seine Bewegungen sind gezeichnet von der Schwäche des Hungers. Er hat ein Baby, acht Monate alt, aber seine Frau ist zu schwach, um es zu stillen. Sie haben das Glück, eine kleine Ziege zu besitzen, sie liefert Milch für ihr Baby. Keines ihrer anderen Kinder darf davon trinken, weil es nicht für alle reicht. Ich frage Ibrahim, wie oft sie essen. Er erzählt mir, dass er und seine Frau erst die Kinder füttern, drei Mal am Tag. Die beiden essen nur dann, wenn etwas übrig bleibt. Seine Stimme bricht. Während wir reden, mahlt Ibrahims Tochter das Getreide, aus dem später Brot hergestellt wird – das einzige, was die Familie isst. Zu jeder Mahlzeit, an jeden Tag.

Menschen sind auf Unterstützung angewiesen

Es hat geregnet in Afar, aber bis das Gras wieder wächst und die Ziegen wieder stark genug sind, um Milch zu produzieren, wird es Monate dauern. Bis dahin werden Yusuf, Shek und Ibrahim abhängig sein von der Nahrung, die die Regierung, APDA, Welthungerhilfe und andere Hilfsorganisationen bereitstellen. Die Welthungerhilfe unterstützt die Menschen bereits mit Futter und Gesundheitschecks für ihre Tiere, und Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder und Schwangere.

Aber die Reserven im Land werden bis Ende Juni ausgehen. Bis jetzt stehen nämlich nur etwas mehr als 50 Prozent der notwendigen Gelder, die für die Bekämpfung der Dürre gebraucht werden, zur Verfügung. Um die Zeit überbrücken zu können, bis die Felder wieder geerntet werden und die Herden so stark sind, dass die Afar-Völker davon leben können, muss viel mehr getan werden, und das schnell. Das Schicksal von zehn Millionen Menschen hängt davon ab.

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