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09.05.2016 | Blog

Indien demonstriert gegen Wassermangel

Indien geht das Wasser aus. Ein Viertel der Bevölkerung ist von einer beispiellosen Dürre bedroht. Vom Staat fordern sie Unterstützung bei der Wiederbelebung ihrer Wasserspeichersysteme.

Demonstration in Delhi: Menschen mit Bannern auf der Straße
Gegen die Dürre: Demonstranten in Delhi fordern vom Staat Unterstützung bei der Wiederbelebung der Wasserspeichersysteme. © Welthungerhilfe
Philippe Dresrüsse Landesbüro Indien

Rajendra Singh, der »Waterman of India«, und seine Wasserkampagne „Jan Jal Jodo“ haben zu einer Großdemonstration in Delhi aufgerufen. Aus sehr gutem Grund: Indien verdorrt und verdurstet. Rund 330 Millionen Menschen sind von einer beispiellosen Dürre betroffen – das ist mehr als ein Viertel der Bevölkerung. Vor allem die arme Landbevölkerung leidet.  Tausende verzweifelte Kleinbauern, Landlose, Indigene und Landarbeiter sind dem Ruf des Wassermanns gefolgt.

Unter schweren Strapazen sind sie aus vielen Teilen Indiens nach Delhi gereist, um gemeinsam im Regierungsviertel für ein neues Wasserrecht zu demonstrieren. Was sie vom Staat fordern, sind keine großangelegten Wasserprojekte, sondern ein wenig mehr Unterstützung bei der Wiederbelebung ihrer Flüsse, Gewässer und traditionellen Wasserspeichersysteme.

Die Ursachen sind hauptsächlich auf jahrelange schlechte Planung und fehlende Voraussicht zurückzuführen. Diese Dürre ist hausgemacht!

Dürren gab es in Südasien schon früher. Aber die Menschen konnten einfach besser mit ihren Auswirkungen umgehen.

Landwirtschaft war selbsterhaltend und nachhaltig. Das Saatgut konnte von der vorherigen Ernte genommen werden, die Bodenfeuchte und Nährstoffe wurden erhalten und Schädlinge auf natürliche Weise kontrolliert. Jahrtausend alte Bewässerungssysteme und traditionelle Methoden sorgten für den Auffang, Stau und die Speicherung von Regenwasser. Aquifere – das sind Gesteinskörper, die Wasser weiterleiten – wurden bei jedem Monsun wieder mit Regenwasser gefüllt und verhinderten dadurch ein Absinken des Grundwasserspiegel.

Die Arbeit der Welthungerhilfe in Indien

Schaden der „grünen Revolution“

In den Siebzigerjahren zerstörte jedoch die sogenannte Grüne Revolution Schritt für Schritt diese lang gewachsenen Strukturen, mit denen sich die Bewohner früher abgesichert haben. Um Erträge steigern zu können, wurden großflächig Monokulturen wie Weizen, Reis, Mais, Zuckerrohr oder Soja gefördert, und zwar durch den intensiven Einsatz von Hybridsaatgut oder Kunstdünger.

Die Folgen dieser zunehmend exportorientierten Landwirtschaft sind heute überall in Indien sichtbar. Ein gestörtes ökologisches Gleichgewicht, Verlust an stabiler Artenvielfalt, Erosion der fruchtbaren Bodenoberfläche, Kontaminierung und dramatisches Absinken des Grundwassers. Auch die Millionen von Kleinbauern haben von dieser Grünen Revolution nicht profitiert. Ihre Felder waren zu klein für den Einsatz von Maschinen und ein fairer Zugang zu den Märkten wurde ihnen verwehrt. Die sozialen Folgen für den größten Teil der Landbevölkerung: Armut, Verschuldung, Landverlust, Migration und der damit einhergehende Verlust traditioneller Strukturen und nachhaltiger Ernährungssysteme.

Vor zwei Wochen habe ich den Bundestaat Madhya Pradesch besucht. Die Region um Khajuraho war einst berühmt für ihre Wälder und vor allem für ihr ausgetüfteltes Bewässerungssystem. Die Regenwasserspeichersysteme wurden unter der Königsdynastie Chandela zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert errichtet und bestanden aus künstlich angelegten Seen, Teichen und Kanälen. Heute bewässern die Bauern ihre Felder mit Grundwasser und verlassen sich dabei auf Pumpentechnik und Brunnen.

Viele Bäume mussten der auf Monokultur ausgerichteten Landwirtschaft weichen.

Besonders betroffen: Madhya Pradesh

Madhya Pradesh ist eine der am stärksten von der Dürre betroffenen Regionen Indiens. Es herrschen katastrophale Zustände. Wo man hinsieht: unfruchtbare Felder, staubiges Buschland und ausgezehrtes, sterbendes Vieh. Überall Wassermangel. Die meisten Wasserpumpen funktionieren aufgrund des niedrigen Grundwasserspiegels nicht mehr. Viele der Brunnen sind ausgetrocknet. Das wenige verbleibende Trinkwasser ist mit Schwermetallen kontaminiert. An Hygiene und angemessenen Sanitäranlagen ist aufgrund des Wassermangels nicht zu denken. Viele der Bauern verlassen ihr Land und ziehen in die Städte, Hunderte bringen sich gar um, weil sie nicht mehr weiter wissen. Die, die übrig bleiben, insbesondere die Frauen, Kinder und alten Menschen, leiden an starker Mangel- und Fehlernährung.

Diese schlimmen Auswirkungen hätten verhindert, zumindest aber abgemildert werden können. Die Welthungerhilfe und ihre Partner haben in den letzten Jahren immer wieder Wege zur einer besseren Dürreresistenz aufgezeigt. In vielen Teilen Indiens wurden ökologische Landwirtschaft, integriertes Wassermanagement und die Wiederbelebung traditioneller Regenwasserspeichersysteme wie die „Ahar Pynes“ oder „Chandela tanks“ gefördert. Hier ein gutes Beispiel: Rajendra Prasad, ein Kleinbauer aus Madhya Pradesh, erhielt vor drei Jahren Fortbildungen und Unterstützung durch die Welthungerhilfe und ihrer Partnerorganisation Parmath. Statt Weizen und Soja baut er heute Bio-Gemüse und Früchte an.

Trotz Dürre erstrahlen seine Felder im saftigen Grün und so erzählt mir Prasad: „Trotz der nun zum dritten Mal auftretenden Dürre werde ich mit der Situation fertig. Auf dem Wochenmarkt verkaufe ich zurzeit Papaya, Tomaten, Zwiebeln, Chili, Okra, und Gurken und bekomme dafür einen sehr guten Preis.“

Jetzt muss gehandelt werden

Die Wasser-, Nahrungs- und Umweltkrise sind globale Probleme, die jedoch fast immer lokal und dezentral gelöst werden können und müssen. Dies erfordert allerdings einen radikalen Paradigmenwechsel bei allen Beteiligten, vor allem den staatlichen Institutionen. Erfolgsversprechende Modelle und Strategien liegen vor. Nun liegt es an den Regierungen zu handeln.

Gerade kommt eine gute Nachricht herein: Nach ziemlich langer Untätigkeit verspricht der Premierministers Narendra Modi nun ein großangelegtes Förderprogramm mit dem Namen „Collaborate, Co-create – Conserve“, um noch vor dem Monsun in den dürre-geplagten Dörfern Indiens Maßnahmen zur Grundwasserneubildung, Regenwasserspeicherung und Aufforstung zu unterstützen. Die vielen Bemühungen der Volksbewegung „Jan Jal Jodo“ haben also endlich Früchte getragen. Die Welthungerhilfe und ihre Partner werden die Regierung auf alle Fälle bereitwillig bei der Umsetzung des Programms unterstützen.

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