Katastrophenvorsorge auf den Philippinen
Projektleiter Jürgen Hofmeister berichtet zwei Tage nach dem Wirbelsturm Hagupit über das Ausmaß der Schäden auf der philippinischen Insel Panay.
Die Telefonleitung knackt, alle paar Minuten ist die Verbindung weg. Zurzeit ist es alles andere als einfach, unseren Projektleiter Jürgen Hofmeister auf den Philippinen zu erreichen. Doch es klappt und eine erleichterte Stimme dringt zu mir nach Bonn. Vor zwei Tagen zog Wirbelsturm Hagupit über die Insel Panay, heute berichtet Jürgen von den Schäden.
„Die letzten Tage waren sehr emotional. Es wurde frühzeitig vor dem Sturm Hagupit gewarnt, doch man wusste nichts Genaues: Weder wo der Wirbelsturm auftreffen noch wie stark er sein würde. Die Menschen im Projektgebiet waren in Aufruhr. Die Angst vor einer neuen Katastrophe stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Vielen kamen traumatische Erinnerungen an Haiyan – oder Yolanda, wie der verheerende Taifun im letzten Jahr hier genannt wird – hoch. Sie mussten an die Zerstörungen denken, die Haiyan verursachte, und hatten Angst vor dem, was kommen mag. Über vier Millionen Menschen hatten im November 2013 auf den Philippinen durch die verheerende Naturkatastrophe ihr Zuhause verloren.
2013: Taifun Hayian hat die Verwaltungen wachgerüttelt
Die Menschen hier haben die Bedrohung sehr ernst genommen. Und auch die Regierung und die lokalen Verwaltungsbehörden haben aus der Notlage vor einem Jahr gelernt. Das verbesserte Frühwarnsystem hat funktioniert: Die Bevölkerung wurde über alle möglichen Kanäle vorgewarnt – Radio, Telefon und Mundpropaganda. Hunderttausende sind vorsorglich in die Notunterkünfte geflüchtet – ohne Chaos oder Panik. Da können wir selbst so einiges von der ruhigen Art und Weise hier im Land lernen.
Frühwarnsystem hat funktioniert
Auch wir haben die Bauarbeiter und Handwerker aus den Projekten nach Hause geschickt, sicherten unser Büro mit Brettern ab und warteten. Der Sturm Hagupit, der auch den Namen Ruby trägt, traf auf Panay Island am Sonntag mit rund 170 Stundenkilometer. Er beschädigte nach erstem Augenschein Hütten, riss Blechdächer und Leitungen ab und überflutete landwirtschaftliche Flächen. Das volle Ausmaß der Schäden kann noch nicht ermessen werden, wird sich aber hier in der Region in Grenzen halten.
Rund um Roxas, Panay – Aufatmen und Erleichterung
Heute war ich mit meinen philippinischen Kollegen unterwegs und besuchte Dörfer in unserem Projektgebiet Pilar in der Capiz Provinz im Norden von Panay. Unser erster Gedanke war: Aufatmen – der Wirbelsturm ist an der Insel Panay „nur“ vorbeigeschrammt. Wir hatten Glück – doch auf anderen, nördlich gelegenen Inseln wie Samar sieht es wahrscheinlich anders aus. Auf Panay konnten nach Angaben der Behörden die Anwohner nach dem Durchzug des Taifuns wieder in ihre Häuser zurückkehren. Und auch wir werden ab morgen wieder die Arbeit im Hausbauprojekt fortsetzen.
Ärmere Bevölkerung immer besonders von Naturereignissen betroffen
Auf unserer Erkundungsfahrt habe ich einige zerstörte Häuser gesehen und überflutete Felder – aber bei weitem nicht vergleichbar mit den Zerstörungen und dem Elend vor einem Jahr. Den sturmsicheren Häusern, die wir gemeinsam mit der Bevölkerung neu gebaut haben, konnte Hagupit nichts anhaben. Doch einfache Hütten halten Stürmen kaum stand. Die ärmere Bevölkerung hat Naturereignissen allgemein wenig entgegenzusetzen. Und genau denen helfen wir durch unsere Programme zum Wiederaufbau.
Unser Ansatz „build back safer“ hat sich bewährt. Anstatt nach dem Taifun Hayian den betroffenen Familien, die sich aus eigener Kraft nicht selbst helfen können und die zu den ärmsten der Armen gehören, einfach nur Baumaterial und Werkzeuge zu geben, haben wir im Rahmen unseres Hausbauprojektes lokale Handwerker im Bau sturmsicherer Häuser ausgebildet. Durch diese Ausbildung werden die Menschen in die Lage versetzt selbst sturmsichere Häuser zu bauen, die nicht von jedem Starkregen und Windstürmen umgeweht werden können. In so einer risikoreichen Region wie den Philippinen muss bei einem Haus alles – vom Fundament bis zum Dach – zusammenhängend stabil und sicher sein. Nur so kann ein Haus den durchschnittlich zehn und mehr Tropenstürmen pro Jahr standhalten.
Auch jetzt werden wir – eng in der Abstimmung mit lokalen Behörden und Partnern – die stark durch Hagupit betroffenen Familien, die über keine eigenen Mitteln und Reserven verfügen, beim Wiederaufbau ihres Zuhauses unterstützen. Aber wie viele es sein werden, dass wird sich noch zeigen. Abgelegene Dörfer konnten wir bisher nicht erreichen.
In Zeiten des Klimawandels: Regierungen sind gefragt
Erst einmal bleiben wir nur in unserem Projektgebiet auf der Insel Panay aktiv. Auf den Philippinen gibt es ein gutes Netz an NGOs und Partnern, die den betroffenen Menschen auf den anderen Inseln helfen können. Aber auch die Regierung ist stärker gefragt. Sie muss nun am Ball bleiben. Durch Hagupit gab es ein erstes deutliches Zeichen, dass die Katastrophenvorsorge ernst genommen wird. Das muss weitergeführt werden. Denn in Zukunft muss das Katastrophenmanagement noch weiter ausgebaut und genügend finanzielle Mittel dafür bereitgestellt werden.
Der Klimawandel kommt eindeutig: Taifuns und Stürme nehmen auf den Philippinen an Häufigkeit und Stärke zu. Die Regierung des Inselstaats ist in der Pflicht, dies bei der zukünftigen Stadt- und Landplanung mit zu berücksichtigen. Denn es gibt in diesem Land sehr viel Potenzial! Wir hoffen deshalb, dass das stabile Design unserer Häuser auch über die Grenzen unseres Projektgebietes hinaus Nachahmung findet.”
Vielen Dank Jürgen!