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18.09.2018 | Blog

Kleinbauernerklärung der UN – Gerechtigkeit für Kleinbauern

Viele Regierungen geben der industriellen Landwirtschaft den Vorzug. Gewachsene kleinbäuerliche Strukturen werden zunehmend zurückgedrängt – mit ihnen gehen oftmals traditionelles Wissen und Anbauvielfalt verloren. Deshalb will der UN-Menschenrechtsrat Bauern mit einer „Erklärung zur Stärkung der Rechte von Kleinbauern und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten“ schützen. Die Bundesregierung ist scheinbar noch nicht überzeugt.

Jenifer Dokali (42) aus dem Chiwalo Village Nahe Mangochi in Malawi ist seit August 2017 Leadfarmerin in ihrem Dorf. Auf ihrem bislang monokulturellen Feld, richtet sie nun auch ein Permakulturfeld an.
Kleinbäuerin Jenifer Dokali (42) aus dem Chiwalo Village Nahe Mangochi in Malawi auf ihrem Feld. © Thees Jagels
Sebastian Blatzheim Team Politik und Außenbeziehungen (bis 2018)

Die Beratung der UN-Kleinbauernerklärung findet vor dem Hintergrund eines weltweit zunehmenden Bedarfs an Nahrungsmitteln statt. Auf diesen Bedarf hat die Agrarindustrie reagiert, indem sie häufig eine hoch technologisierte, auf Effizienz ausgerichtete Form der Landwirtschaft propagiert. Bestandteil dieses Ansatzes ist der Einsatz passender Pestizide und Dünger, um Ertragssteigerungen zu erreichen, aber auch von gentechnisch veränderten Pflanzen. 

Falsche Anwendung von Pestiziden tötet 200.000 Menschen jährlich

Die von der Industrie angepriesenen Ertragssteigerungen sind jedoch in aller Regel nur von kurzer Dauer. Langfristig laugt die Kombination aus Hochertragssorten und (Kunst-)Dünger ohne Fruchtwechsel die Böden aus. Gerade in Entwicklungsländern führt der unsachgemäße Einsatz von Pestiziden zu vielen Todesfällen, weltweit zu geschätzten 200.000 pro Jahr, berichtet die UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Nahrung, Hilal Elver. Außerdem sind Dünger und Saatgut oft zu teuer für kleinbäuerliche Familien, zumal sich Hybridsaatgut nicht vermehren lässt und immer wieder neu gekauft werden muss.

Der UN-Menschenrechtsrat (UN Human rights council) ist ein Organ der UN-Generalversammlung mit Sitz in Genf. Er existiert seit 2006 und hat die UN-Menschenrechtskommission abgelöst. Die 47 Mitglieder werden für drei Jahre von der UN-Generalversammlung gewählt.

Es geht auch anders: den Reichtum traditioneller Pflanzensorten erhalten und durch Züchtung resistenter und ertragreicher machen; Böden schonend bearbeiten; vielfältiger Anbau statt Monokultur; das Wissen und die Erfahrungen der Landwirt*innen wertschätzen, statt auf technologische Lösungen zu hoffen. Kleinere und mittelgroße landwirtschaftliche Betriebe erzeugen derzeit nach  Berechnung des renommierten medizinischen Fachblatts „Lancet“ die Hälfte bis drei Viertel aller Grundnahrungsmittel. Diese bäuerlichen Verhältnisse gilt es für den Ausbau der landwirtschaftlichen Vielfalt zu stärken und nunmehr auch rechtlich mit der UN-Erklärung zu schützen

Rechte von Bäuer*innen schützen

Regierungen sollen nunmehr verpflichtet werden, die Rechte von kleinbäuerlichen Landwirt*innen zu schützen und das Machtungleichgewicht zwischen ihnen und großen agrarindustriellen Investoren zu adressieren. Sie stehen in der Pflicht, Ressourcenkonflikte um Land, Wasser und Saatgut zu vermeiden und zu klären. Sie müssen Menschenrechtsverteidiger, die sich für diese Gruppen einsetzen, vor Kriminalisierung oder gar Ermordung schützen.

Der Mangel an einer völkerrechtlichen Grundlage hat den UN-Menschenrechtsrat 2012 veranlasst, die nun vorliegende „UN declaration on the rights of peasants and other people working in rural areas“ zu erarbeiten, um die Rechte von kleinbäuerlichen Landwirt*innen und der Landbevölkerung unter besonderen Schutz zu stellen. In Deutschland unterstützt ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, darunter die Welthungerhilfe, diese Erklärung.

Bild: Der UN-Menschenrechtsrat in Genf.
Der UN-Menschenrechtsrat in Genf. Hier steht eine Abstimmung über die Kleinbauernerklärung der UN bevor. © UN Photo/ Jean-Marc Ferré

Kleinbauernerklärung – Ja oder Nein?

Der UN-Menschenrechtsrat wird voraussichtlich am 27. Oder 28. September nach mehrjährigen Verhandlungen über die Erklärung abstimmen. Sie wird von einer Vielzahl von Staaten unterstützt, unter anderem von Portugal und der Schweiz.

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Das Europäische Parlament hat die EU und ihre Mitgliedsstaaten zur Unterstützung der Erklärung aufgefordert. Die Bundesregierung hat sich bisher nicht öffentlich zu ihrem voraussichtlichen Abstimmungsverhalten geäußert. Nach jüngsten Informationen aus Genf scheint Deutschland eine neutrale Haltung einnehmen zu wollen – wozu auch andere EU-Länder gedrängt werden würden. 

Die Bundesregierung hat zuletzt immer wieder argumentiert, man wolle „keine neuen Rechte“ und stattdessen die bestehenden Instrumente besser nutzen. Auf die Frage nach konkreten Kritikpunkten blieb die Bundesregierung wiederholt vage und unbestimmt; umstritten ist offenbar die rechtliche Behandlung der Themenfelder Saatgut und Land. Sollte dies zutreffen, stellt sich die Frage, ob die Bundesregierung hier von Wirtschaftsinteressen geleitet sein könnte. 

Koalitionsvertrag verpflichtet

Angesichts des eindeutigen Bekenntnisses zur Bekämpfung von Hunger und Armut im Koalitionsvertrag wäre es nicht nur eine verpasste Chance, sollte sich die Bundesregierung einer Unterstützung für die Erklärung zur Stärkung der Rechte von kleinbäuerlichen Landwirt*innen verweigern. Es gäbe auch Anlass daran zu zweifeln, ob allen Ressorts der Bunderegierung tatsächlich gelichermaßen an einer kohärenten Umsetzung der vereinbarten Ziele gelegen sei. Zumindest das bei der UN-Kleinbauerndeklaration federführende Auswärtige Amt scheint hier nicht die gleiche Politik wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu verfolgen. Letztere zwei hatten wiederholt Sympathien und Unterstützung für die UN-Kleinbauerndeklaration erkennen lassen.

Sollten sich die Befürworter der Erklärung im UN-Menschenrechtsrat am 27. oder 28. September durchsetzen, folgt eine Befassung der UN-Vollversammlung voraussichtlich Ende des Jahres, um diese endgültig zu verabschieden. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung zu einer menschenrechtsbasierten Außenpolitik und der Unterstützung von Kleinbäuer*innen verpflichtet. Es wird höchste Zeit, dass sie sich endlich zu einer Unterstützung der Erklärung durchringt.

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