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15.08.2018 | Blog

Ist die humanitäre Hilfe heute überfordert?

Innerstaatliche Kriege und Konflikte, Überschwemmungen, Ernteausfälle: Humanitäre Hilfe ist gefordert wie nie zuvor. Doch ist sie auch wirklich die Lösung? Ein Kommentar anlässlich des Welttags der humanitären Hilfe.

Vater mit Sohn in eine Decke gehüllt im Flüchtlingscamp
Vater mit seinem Sohn in eine Decke gehüllt im Darul-Aman Camp in Afghanistan. © Dominik Asbach
Michael Kühn Team Politik und Außenbeziehungen

Die Welt ist aus den Fugen. Das zumindest suggerieren die Nachrichten tagtäglich. Innerstaatliche Kriege produzieren Hunger und Elend und liefern bestürzende, grausame Bilder. Starkregen, Hurrikane, Überschwemmungen, Hitzeperioden, Dürren und Ernteausfälle bedrohen die Leben von Millionen von Menschen und zwingen sie zur Aufgabe von Hab‘ und Gut. Laut Angaben der Vereinten Nationen sind heute weit mehr als 68 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Die internationale Politik versagt kläglich bei der Suche nach Lösungen. Weder werden Kriege und damit das Leiden beendet, noch wird das Pariser Klimaabkommen systematisch umgesetzt.

Internationaler Tag der humanitären Hilfe

Am 19. August werden alle humanitären Helfer*innen geehrt, die jeden Tag ihr Leben für Menschen in Not riskieren. Der Tag wird in Gedenken an die Opfer des Anschlags auf das UN-Hauptquartier in Bagdad 2003 begangen, bei dem 22 Helfer ums Leben kamen.

Als Folge erleben Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe gerade einen erheblichen Aufschwung. Zusätzliche Gelder werden eingefordert und von den Gebern auch bereitgestellt. Das, was Außen-, Sicherheits-, Rüstungs-, Rohstoff-, Handels- und Wirtschaftspolitik anderorts an Problemen verursachen, sollen Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe nun richten. Sie sollen „Fluchtursachen“ bekämpfen, ein anderes Wort für die strukturellen sozialen Ungerechtigkeiten in vielen Ländern des globalen Südens, die Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen seit Jahrzehnten anprangern.

Noch dazu haben sich die Rahmenbedingungen für humanitäre Hilfe heute geändert: 80% der humanitären Hilfe findet mittlerweile in Kriegen und Konflikten statt. Im Falle von Syrien sorgen das Assad-Regime und Russland für andauernde humanitäre Not. Der Konflikt im Jemen hat mit dem Raketenbeschuss eines Schulbusses erneut einen traurigen Höhepunkt erreicht. Im Osten Kongos ist der kontinuierliche Streit um die Ausbeutung seltener Erden Hauptgrund dafür, dass mehr als 80 verschiedene Rebellengruppen um die lokale Vorherrschaft streiten, morden und brandschatzen.

Statt des Klimawandels bekämpft die Politik Flüchtlinge, statt Armut zu beenden exportiert sie Waffen in Krisengebiete.

Michael Kühn Referent Klimapolitik der Welthungerhilfe

Um den Menschen beim Überleben zu helfen und sie zu versorgen, riskieren die Nothelfer*innen selbst mitunter ihr Leben. Der Zugang in Krisengebiete gestaltet sich zunehmend schwierig, in einigen Fällen ist er gar nicht mehr möglich. Vor kurzem wurde ein Hilfskonvoi der Welthungerhilfe im Ost-Kongo „versehentlich“ von Rebellen angegriffen. Dabei kam niemand ums Leben, aber einige Mitarbeiter*innen wurden schwer verletzt. Helfer*innen sind genau wie die Betroffenen vor Ort einer fast permanenten Missachtung des humanitären Völkerrechtes ausgesetzt.

„Wir wollen weniger humanitäre Hilfe“

Humanitäre Hilfe ist in erster Hilfe Ausdruck eines ethischen Prinzips. Ihr Leitmotiv waren einmal Wohltätigkeit und Barmherzigkeit, ihre Grundprinzipien Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit. Humanitäre Hilfe soll Leben retten. Das geht nur ohne politische Agenda - denn diese überfordert das Prinzip der Humanitären Hilfe komplett.

Entwicklungspolitik kann dagegen mehr: Im Konzert mit kohärenter Außen- und Wirtschaftspolitik trägt sie zu mehr Entwicklungsmöglichkeiten im globalen Süden bei. Wenn zum Beispiel mehr faire und nachhaltige Arbeitsplätze im Landwirtschaftssektor geschaffen werden, erhalten die Menschen eine Lebensgrundlage und Perspektive. Die Lösungen für die Krisen und Kriege dieser Welt müssen von den politischen Entscheidern kommen, nicht von den humanitären Helfer*innen - im Süden genauso wie im Norden.

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