Wie Küken in Simbabwe neue Hoffnung schenken
Die Idee ist simpel, gut durchdacht und durch die EU mitfinanziert: 11.000 Küken werden an rund 70 Kleinbäuerinnen und -bauern ausgegeben. Sie sind mit die zuverlässigsten in der Region.
Es ist 3:30 Uhr, als der Wecker unter meinem Moskitonetz in Gokwe, Simbabwe klingelt. Schnell bereiten wir uns einen Kaffee auf dem Gasherd und trinken diesen im Mondschein vor dem Haus. Bereits seit drei Tagen gibt es keinen Strom in der Kleinstadt in den Midlands, rund 350 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Harare. Mitten in der Nacht machen wir uns auf dem Weg zum Büro der Welthungerhilfe vor Ort, Zentrale der Projekte SIMBA (Sustainable Intensification of Market Based Agriculture) , EXTRA (Extension and Training for Rural Agriculture) und CmiA (Cotton made in Africa).
11.000 Boshveld-Küken für Kleinbauern
Wir erwarten an diesem Morgen rund 11.000 Boshveld-Küken, eine in Simbabwe und Südafrika gezüchtete Rasse aus robusten, lokalen Hühnern, die sowohl regelmäßig Eier legen, als auch Fleisch ansetzen und optimal an das mitunter raue Klima der Midlands angepasst sind. Im Büro ist alles perfekt organisiert: Der riesige Transporter fährt um kurz nach vier auf den dunklen Hof, mindestens zehn Außendienstler des Projekts beladen nach und nach die Ladeflächen ihrer Geländewagen und brechen zu den kleinen Höfen im Umkreis auf.
In den vergangenen Wochen haben sie an verschiedenen Trainings und Workshops teilgenommen. Die Themen:
Hintergrund und Basisinformationen rund um die Rasse „Boshveld“
Ernährung und Haltung
Sicherheit und Schutz vor Raubtieren, Schlangen, Ratten etc.
Lokale Krankheiten, Impfungen, Medikation
60 US-Dollar (in Simbabwe die Landeswährung) zahlen die Farmer als kleinen Beitrag für die Küken. Dafür werden sie mit Spezial-Futter für die Aufzucht und Materialien für den Laufstall versorgt.
Die Aktion „Küken-Lieferung“ beginnt
Ich springe mit in einen Wagen, der die Region Ndjele 3 ansteuert. Wir müssen uns beeilen, haben wir doch elf Familien entlang einer holprigen Schotterpiste zu beliefern. Für acht Uhr ist starker Regen vorhergesagt. Regen, den das Land dringend benötigt, nachdem in den vergangenen Monaten kaum welcher fiel. Regen, der aber den jungen Küken auf der Ladefläche nicht gut tun würde.
Es ist noch nicht einmal viertel nach fünf, als wir die ersten Frauen entlang der Straße warten sehen. In jedem Karton piepen ihnen 100 kleine Küken entgegen, alle gerade einmal 24 Stunden alt. Mit letzten Hinweisen, wie die Küken zu füttern und zu halten sind, ziehen die Familien strahlend zu ihren Höfen.
El Niño in Simbabwe: Unterstützung für die, die Not leiden
In vier bis acht Wochen werden die Familien je 20 kleine Hühner an sechs besonders notleidende Haushalte abgeben. Dies sind in erster Linie Familien mit alleinerziehenden Müttern, die verwitwet sind oder deren Männer verschwunden sind. Manche der Männer gingen, um illegal Gold zu schürfen. Sie hatten die Hoffnung, den großen Fund zu machen. Viele von ihnen kommen nie, andere erst nach vielen Jahren und häufig dennoch mit leeren Händen zurück.
Mit den Hühnern und Eiern soll in erster Linie die Ernährungssituation dieser besonders benachteiligten Familien verbessert werden. Nach circa zwölf Wochen können die Familien erkennen, ob aus den Küken Hennen oder Hähne heranwachsen. Die Empfehlung lautet, etwa sechs Hennen pro Hahn zu halten. Wer zu viele Hähne hat, kann selbst entscheiden, ob er sie verkaufen möchte. Für einen gesunden, ausgewachsenen Hahn bekommt man zur Zeit knapp 15 Dollar. Oder man tauscht ihn gegen drei Säcke mit je 10 Kilogramm Mieli-Meal, Maismehl, das zur Zubereitung des Hauptnahrungsmittel „Sadza“ verwendet wird. Gerade jetzt, wo die Dürre ausgelöst durch El Niño die eigene Ernte vieler Kleinbauern schmälert oder gar zerstört, können dies entscheidende Rationen sein.
Eine Henne bringt auf dem lokalen Markt zur Zeit rund 10 Dollar oder zwei 10-Kilo-Säcke. Bleibt sie auf dem Hof, legt sie täglich ein Ei oder brütet weitere Küken aus.
Liebevolle Kükenpflege und die Hoffnung auf Regen
Mittlerweile ist die Sonne aufgegangen und am Horizont türmen sich ein paar schwarze Wolken auf. Bedrohlich und vielversprechend zugleich sieht das aus. Ein bis zwei richtige Regenfälle könnten zumindest die relativ dürreresistenten Pflanzen Hirse und Mungbohnen noch retten und zu einer kleinen Ernte oder etwas Einkommen verhelfen.
Da jede einzelne Familie pünktlich am Wegesrand auf die Ankunft der Küken gewartet hat, haben wir auf dem Rückweg Zeit. Wir halten daher noch einmal an einigen Haushalten an, die wir in der Morgendämmerung belieferten. Wir sehen putzmuntere Küken in schönen, ordentlichen Ställen. Auch die Außendienstler, die in den vergangenen Tagen unterwegs waren, berichten erfreuliches:
Alle Küken haben überlebt, manche Familien teilen sich in Nachtschichten ein und schlafen in den neugebauten Ställen, um die Küken zu wärmen und sie vor möglichen Feinden zu schützen.
Der Regen kommt an diesem Tag um zehn nach acht, doch leider ist es erneut nur ein kleiner Schauer, aus einer einzigen dunklen Wolke.