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18.04.2016 | Blog

Die Lage ist weiter kritisch

Ein Jahr nach dem Erdbeben geht der Wiederaufbau in Nepal nur schleppend voran. Wie die Welthungerhilfe vor Ort unterstützt.

Nepalesen räumen Trümmer auf
Ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal warten viele Menschen immer noch auf das für den Wiederaufbau notwendige Geld. © Welthungerhilfe

Wir befinden uns gerade inmitten eines Projektbesuches, als plötzlich der Himmel schwarz wird und heftige Regenfälle über uns hereinbrechen. Einziger Zufluchtsort ist ein ausgedienter Klassenraum, doch allzu sicher fühlen wir uns hier nicht. Die Mauern sind überzogen von Rissen und die Decke ist voll von Löchern. Unaufhörlich werden wir immer nasser. Wir beginnen zu frieren. Dieser Moment lässt uns ahnen, wie es sich wohl bald schon für viele anfühlen wird, wenn der Monsun Nepal erreicht und man nur in einem Zelt oder einer Notunterkunft lebt.

Ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal ist die Situation für die meisten obdachlos gewordenen Menschen noch immer kritisch. Viele leben in vorübergehenden Behelfsunterkünften und kleinen Hütten. 200.000 Rupien versprach die nepalesische Regierung jeder betroffenen Familie für den Bau eines neuen Hauses. Das sind ca. 2.000 Euro. Doch bisher ist kaum etwas geschehen. Viele Familien warten bereits seit Monaten auf das Geld. Und das Eintreffen des Monsun mit seinen starken Regenfällen rückt von Tag zu Tag näher.

Wie können die Menschen von der Welthungerhilfe profitieren?

Ich bin nach Nepal gereist, um besser verstehen zu können, in welcher Lage die Bewohner Nepals sich heute befinden und wie die Menschen am besten von der Unterstützung und den Hilfsprogrammen der Welthungerhilfe profitieren können. Zuerst besuche ich Ramechhap, ein Distrikt, in dem die Welthungerhilfe schon seit Jahren aktiv ist. Zusammen mit unserem Partner Rural Reconstruction Nepal (RNN) hatten wir bereits wenige Tage nach dem Erdbeben Hilfe geleistet.

RNN hat damals Plastikplanen gegen den Regen, Hygiene-Packs und Geld verteilt, damit die Menschen Essen und das Notwendigste kaufen können. Schnell kamen wir mit der Bevölkerung ins Gespräch, welche Schritte notwendig wären, um die zerstörte Infrastruktur wieder zu reparieren: Straßen müssen her, um den Zugang zu vielen Dörfern wieder herzustellen, Trinkwasseranlagen und neue Bewässerungskanäle sind von Nöten, damit man schnellstmöglich wieder mit der Produktion von Nahrungsmitteln beginnen kann.

Bislang wurden jedoch noch kaum permanente Häuser gebaut, da jeder auf die Richtlinien der Regierung zur erdbebensicheren Neukonstruktion von Wohngebäuden, Schulen und Kliniken wartet. Auch die Welthungerhilfe war bisher noch nicht in der Lage, die sechs geplanten Schulen wiederaufzubauen – wie alle hier warten wir ungeduldig auf die Genehmigung der Nepal Reconstruction Agency. Auch der Ministerpräsident ist unglücklich über die schleppenden Auszahlungen der Gelder und den langsamen Genehmigungsprozess.

Der Wiederaufbau läuft im Schneckentempo

„Wir bewegen uns im Schneckentempo bei der Umsetzung des Wiederaufbaus“, klagt er. Ein erster Versuch, in einer Gemeinde die Geldmittel auszuzahlen, hat zu heftigen Konflikten geführt, weil manche Bewohner behaupten, ebenfalls Opfer des Erdbebens zu sein. Dies ist ein typisches Problem, mit dem alle NGOs nach Naturkatastrophen konfrontiert werden. Auf der einen Seite wollen wir so schnell wie möglich mit dem Wiederaufbau beginnen, um den Opfern zu helfen, ihr neues Leben zu starten. Auf der anderen Seite muss die lokale Regierung sicherstellen, dass die Hilfe auch diejenigen erreicht, die sie wirklich benötigen. Politische und ethische Spannungen dürfen in Krisenzeiten nicht dazu führen, dass Hilfsleistungen missbraucht werden.

Mein zweiter Trip führt mich nach Süden in den Chitwan Distrikt. Es ist eine sehr lebendige Gegend mit hoher ökonomischer Aktivität, allerdings existieren dort auch zahlreiche Gemeinden, die bislang noch nicht an der Entwicklung teilhaben. Hoch droben in den Bergen leben die Chipang und sind nur schwer zu erreichen. Felder und Farmfläche sind hier nur sehr begrenzt. Unterernährung von Frauen und Kindern ist dort in hohem Maß verbreitet. Daher starteten wir in Kooperation mit unseren Partnern Programme für Ernährung und Landwirtschaft.

Vor allem die Kinder leiden an Unterernährung

Die Chipang-Frauen erfahren so zum Beispiel mehr über die Vorteile des Stillens und wie wichtig es ist, sich während der Schwangerschaft gut zu ernähren und regelmäßig den Arzt aufzusuchen. Sie lernen außerdem, das verfügbare Essen zu kombinieren und es somit für die gesamte Familie gesünder und nahrhafter zu zubereiten. Das Kultivieren von Früchten und Gemüsen, die Aufzucht von Schweinen und Ziegen und das Halten von Fischen in Teichen gibt den Farmern die Möglichkeit, einen Teil ihrer Produktion zu verkaufen und gleichzeitig die Ernährung ihrer Familie zu verbessern.

Diese Bemühungen haben die Ernährungssituation erheblich verbessert, dennoch mussten wir feststellen, dass dort noch zahlreiche Familien leben, die wir noch nicht erreichen konnten. Wir besuchten ein Paar, das jung verheiratet wurde: er war 15 und sie 14 Jahre alt. Gemeinsam haben sie sieben Kinder. Eines davon wurde gerade erst geboren. Die Kinder leiden an Unterernährung. Ein Blick auf den Bauernhof, verrät, wie arm die Familie sein muss. Was können wir tun, um ihr Leben zu verbessern? Unsere Kollegen werden nächste Woche noch einmal bei dem Haus vorbeischauen und versuchen herauszufinden, was dort genau geschehen ist und wie wir sie besser in die aktuellen Programme integrieren können.

Ich verlasse Nepal mit gemischten Gefühlen

Ich bin davon überzeugt, dass wir hier einen guten Beitrag leisten, um den buchstäblich am Rand der Gesellschaft lebenden, schutzlosen Menschen in den sehr schwer zugänglichen Teilen des Landes zu helfen. Wir arbeiten mit Kleinbauern und gemeinsam mit unseren Partnern suchen wir nach Wegen, um den Hunger und die Armut aus diesen Gemeinden zu verbannen. Doch die politische Landschaft in Nepal ist kompliziert, die Bürokratie ist groß, die Infrastruktur muss erweitert und wieder aufgebaut werden. Ein weiteres Problem: viele junge Menschen verlassen Nepal und suchen Arbeit in den Golfstaaten, Indien oder anderen Ländern. Für ihre Heimat bedeutet die Abwanderung ein herber Verlust von menschlichen Ressourcen, Inspiration und Ideen, die aktuell dringend benötigt werden in Nepal.

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