Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Seiteninhalt springen Zum Footer springen

15.02.2017 | Blog

Ohne Vieh kein Überleben

Eine Dürreperiode in Äthiopien führt zur Zerstörung der Lebensgrundlage – dem Vieh. Andrea Padberg über die Auswirkungen des Klimawandels.

Eine Viehhirtin mit ihrem geschwächten Vieh.
Eine Viehhirtin in Borana. Ihre Tiere sind aufgrund der Dürre sichtlich geschwächt. © Welthungerhilfe
Andrea Padberg Regionaldirektion Asien/Südamerika

Ich stehe mit dem Projektteam der Welthungerhilfe da und beobachte die Herden der Viehhirten in Borana. Ich denke zurück an die Ereignisse von vor fünf Jahren am Horn von Afrika. Es war während  der großen Dürre 2011/2012. Insgesamt 12 Millionen Menschen – unter anderem aus den Ländern Somalia, Äthiopien, Kenia – waren damals auf externe Unterstützung angewiesen. Ich war für die Welthungerhilfe vor Ort, um zu helfen. Jetzt bin ich wieder hier und wieder ist Dürre.

Ich sehe Kühe auf dem Weg zur Wasserstelle zusammenbrechen. Die Tiere sind geschwächt durch Unterernährung und Krankheiten und haben nicht mehr die Kraft, die zunehmend längeren Wege zu den Wasserstellen zu bewältigen.  Verzweifelt versuchen die Menschen immer wieder, ihre Kühe aufzurichten. Die Vielzahl der Tierkadaver um uns herum deutet darauf hin, dass diese Versuche nicht weit führen.

Klimawandel zerstört Lebensgrundlage der Pastoralisten

 

Wir sind im Süden von Äthiopien in einer Region namens Borana. Die Menschen hier sind zumeist Pastoralisten, also Hirten, die ihr Vieh in der natürlichen Landschaft weiden lassen. Die Aufzucht von Nutztieren stellt ihre Lebensgrundlage dar. Die Kühe, die in dieser Region gezüchtet werden, galten einst als eine besonders große und kräftige Rasse. Das Fleisch wurde sehr geschätzt. Der Handel mit den Tieren, ihrem Fell und Fleisch ist Lebensgrundlage der Pastoralisten seit Jahrhunderten.

Doch der in der Region deutlich spürbare Klimawandel  führt dazu, dass die Intervalle zwischen den Dürreperioden zunehmend kürzer werden. Oft zu kurz: Die Viehbestände haben kaum noch eine Chance auf Erholung.

Der offensichtlich schlechte Zustand der Rinder ist die sichtbarste Auswirkung der aktuellen Dürre.  Wir haben Gespräche mit vielen Familien vor Ort geführt. Sie haben uns eindrucksvoll geschildert, wie sich der Verlust der Tiere und damit ihrer Einkommensmöglichkeiten auf ihr Leben auswirkt:  Das Essen reicht nur noch für eine Mahlzeit am Tag, das verfügbare, saubere Trinkwasser wird knapp. Oft werden die Kinder zum Wasserholen geschickt. Sie müssen jetzt immer häufiger lange Wege zurücklegen, um den Bedarf der Familie zu decken. Dies geht zu Lasten der Schulbildung. In den meisten Familien, mit denen wir gesprochen haben, gehen die Kinder nicht mehr zur Schule. Denn auch dort fehlt es an Nahrung und Trinkwasser.

Trinkwasser, Futter und tierärztliche Versorgen lindern akute Not

Die Regierung in Äthiopien hat auf die aktuelle Situation reagiert. Sie unterstützt die Menschen mit Trinkwasser und Zusatznahrung für die Rinder. Es gibt zudem Programme für subventionierte Schlachtungen, um den Bestand der Rinder insgesamt zu verringern. Auf dem freien Markt sind die Preise für Rinder dramatisch gefallen. Zu hoch ist das Angebot, zu schlecht der Zustand der einst stolzen Tiere.

Leider reichen die Maßnahmen nicht aus. Zu viele Menschen sind inzwischen betroffen: Das Welternährungsprogram hat Anfang Februar einen Bericht herausgegeben mit alarmierenden Zahlen.  Hiernach sind bereits 11,2 Millionen Menschen in der Region von den Auswirkungen der Dürre betroffen. Davon alleine 5,6 Millionen Menschen in Äthiopien, 2,7 Millionen Menschen in Kenia und 5,6 Millionen in Somalia. Was also können wir tun, um diesen Menschen zu helfen?

Die Antwort erscheint einfach in der Theorie, ist aber komplex in der Umsetzung. In den von Dürre betroffenen Regionen haben wir eine akute Krise, also brauchen wir schnelle Nothilfemaßnahmen, um darauf zu reagieren. Zum Beispiel: Bereitstellung von Trinkwasser, Verteilung von Zusatzfutter für die Nutztiere, für einen verbesserten Zugang zur tierärztlichen Versorgung sorgen. Diese einfachen Maßnahmen könnten die akute Not lindern.

Langfristige Hilfe durch alternative Einkommensquellen

Ebenso dringend erforderlich ist jedoch eine langfristige Arbeit mit den betroffenen Gemeinden. Durch angepasste Viehhaltung können und müssen sich die Pastoralisten auf die veränderten klimatischen Bedingungen vorbereiten. Außerdem ist es wichtig, den Menschen alternative Einkommensquellen zu erschließen und den Zugang zu sauberem Trinkwasser nachhaltig zu verbessern. Um diese Ideen umzusetzen, ist ein Engagement auf Jahre nötig. Der Erfolg wird sich nicht unmittelbar in den nächsten Monaten einstellen – die Pastoralisten müssten immerhin ihre gesamte bisherige Lebensweise umstellen.

Gemeinsam mit äthiopischen Partnern und der Schweizer Organisation HELVETAS startet die Welthungerhilfe ein Projekt, in dem die genannten Maßnahmen umgesetzt werden sollen. In den kommenden Jahren wird im Rahmen des gemeinschaftlichen Programms, daran gearbeitet, die Position der Pastoralisten zu stärken.

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit der Schweiz (DEZA) finanziert dieses Projekt und hat sich dabei nicht nur in ihrer Bereitschaft zu einer langen Zusammenarbeit Maßstäbe gesetzt. Auch die eingeräumte Möglichkeit durch einen Reservefond auf akute Krisen im Rahmen des Projektes unmittelbar zu reagieren ist ungewöhnlich und zeigt Weitsicht.  Erste Nothilfemaßnahmen konnten somit bereits begonnen werden.

Die Menschen in Borana hoffen jetzt auf eine ergiebige Regenzeit, die mit Glück schon Ende März, Anfang April einsetzen wird.  Leider ist schon jetzt klar, dass sich Lage nicht unmittelbar bessern wird:  Geschwächte Rinder werden durch den Regen noch anfälliger für Krankheiten. Weitere Tiere werden sterben. Sollte die Regenzeit – so wie die beiden vorangegangenen Regenzeiten – nicht ausreichend sein, wird die Situation in der Region noch dramatischer.

Das könnte Sie auch interessieren