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28.08.2015 | Blog

„Es ist meine Pflicht, für diese Menschen einzutreten“

Seit 2012 leistet die Welthungerhilfe humanitäre Hilfe für die Opfer des Bürgerkriegs in Syrien. Andrea Quaden arbeitet seit über einem Jahr mit Flüchtlingen in der Türkei. Für sie ist das mehr, als nur ein Job. Es ist ihre Berufung. Ein Interview mit The European.

Andrea Quaden im Gespräch mit einem syrischen Flüchtling
Andrea Quaden unterstützt Flüchtlinge in der Türkei. "Das ist meine Berufung." © Dickerhof
Andrea Quaden Landesbüro Irak (bis 2017)

The European: Wie organisiert die Welthungerhilfe auch für Flüchtlinge außerhalb der Camps Unterstützung?

Andrea Quaden: Nach den Kämpfen um Kobane letzten September kamen sehr viele Flüchtlinge in die Türkei. Innerhalb weniger Tage suchten 150.000 bis 200.000 Menschen Zuflucht in der Grenzstadt Suruç und den umliegenden Dörfern. Sofortige Hilfe und Unterstützung durch alle Akteure waren notwendig. Da die Welthungerhilfe über die nötige Kompetenz im Bereich Ernährungssicherung verfügt, waren wir in der Lage, sehr schnell mit warmen Mahlzeiten und Nahrungsmittelpaketen zu helfen. Wir setzten die Lebensmittelhilfe für einige Monate fort und unterstützten die Bedürftigen, während der kalten und nassen Wintermonate mit Winterpaketen.

Diese Menschen haben unbeschreibliches Leid durchgemacht und besitzen nichts mehr. Was sind ihre Gefühle und Erwartungen?

Die meisten Flüchtlinge, mit denen ich gesprochen habe, sind traumatisiert durch das, was sie erlebt haben. Viele von ihnen haben Familienmitglieder verloren und unvorstellbar schreckliche Dinge gesehen. Sie sind in die Türkei gekommen, um Schutz und Sicherheit zu finden. Die meisten von ihnen wollen aber unbedingt zurück nach Hause.

Immer wieder bin ich ergriffen von der Stärke, der Willenskraft und dem Optimismus der Menschen, denen ich begegne. Trotz allem, was sie durchgemacht haben. Ich habe vor ihnen den größten Respekt!

Was tut die Europäische Union, um die Lage der Flüchtlinge zu verbessern?

Die EU und insbesondere die Europäische Kommission/ECHO finanzieren verschiedene Programme und unterstützen internationale und nationale Organisationen in der Region. Geld in Form von humanitärer Hilfe ist jedoch nicht das Einzige, was nötig ist. Heute gibt es weltweit 60 Millionen vertriebene Menschen, und wir erkennen die Grenzen des europäischen Asylsystems. Da kein Ende der gewaltsamen Konflikte im Nahen Osten in Sicht ist und die Herausforderungen an die europäischen Gesellschaften weiter zunehmen werden, kann ich das nicht ignorieren. Ich will mich für humanitäre Hilfe und Schutz einsetzen.

Ich würde mir wünschen, dass die EU einen größeren Einfluss auf die Bemühungen für Frieden in Syrien nimmt und den notleidenden Menschen hilft.

Ich verstehe Ihre Enttäuschung darüber, dass es nicht möglich war, friedliche Lösungen zu finden, und dass sich Europa deshalb mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sieht. Nichtsdestotrotz hat die EU eine ganze Reihe sinnvoller Hilfsprogramme eingerichtet.

Ja, es stimmt, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten zu den wichtigsten Geldgebern verschiedener humanitärer Programme in der Region gehören. Aber wir müssen uns fragen, ob sie noch mehr tun können. Vor allem angesichts der Tatsache, dass es so gut wie keine sicheren Migrationsrouten gibt und die Menschen gezwungen sind, den gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu nehmen, oder dass die Zahl der Neuansiedlungsplätze für syrische Flüchtlinge sehr beschränkt ist. Die Mitgliedsstaaten könnten sich auf einen einheitlichen Ansatz und eine gemeinsame Strategie einigen und ihre Ressourcen bündeln, um die Asyl- und Migrationspolitik der EU zu verbessern.

Aufgrund meiner Erfahrungen würde ich sagen, dass der Anteil der Syrer, die darauf hoffen oder sogar wünschen, sich in Europa niederzulassen, relativ gering ist. Auch wenn es welche gibt, die Schutz brauchen oder in der EU schutzbedürftige Familienmitglieder haben. Meiner Ansicht nach wollen die meisten Flüchtlinge unbedingt so bald wie möglich nach Hause zurückkehren.

Sie sehen die Mängel in der Flüchtlingspolitik der Europäischen Union kritisch. Man hat den Eindruck, Sie würden sich hier Veränderungen wünschen.

Ich lerne viel von meinen Kollegen und Kolleginnen sowie den Hilfsempfängern. Eines Tages kann ich nach Europa zurückgehen und zu einer Veränderung unseres Systems beitragen – auf der Grundlage eines humanen und menschenwürdigen Ansatzes gegenüber schutzsuchenden Menschen.

Wie sehen Sie Ihre unmittelbare Zukunft? Sie haben einen Teil Ihrer Kindheit in Ankara verbracht und sprechen Türkisch. Werden Sie weiterhin hier arbeiten?

Ich habe vor, weiterhin mit Flüchtlingen in der Türkei zu arbeiten, obwohl das natürlich von verschiedenen Faktoren abhängt: Finanzierung, Verträge, Sicherheit etc. Es ist mehr als ein Beruf, für mich ist es eine Berufung. Als junge Deutsche und überzeugte Europäerin sehe ich es als meine Pflicht – erlauben Sie mir, dieses Wort zu verwenden –, für Flüchtlinge und Asylwerber/innen einzutreten, deren verbriefte Rechte leider allzu oft verletzt werden.

Dieses Interview erscheint in voller Länge und in Englisch Mitte September bei The European.

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