Aufstände, IS, Hunger: Die Situation vieler Menschen in Mali hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Ende Juli 2018 finden Wahlen statt - ein Lichtblick?
Wendepunkt in Mali?
Seit 50 Jahren arbeitet die Welthungerhilfe in Mali. Zwar gibt es deutliche Erfolge bei der Reduzierung von Armut und Hunger, doch innerstaatliche Konflikte und die instabile Sicherheitslage bedrohen die erzielten Vorschritte. Ende Juli wählt das Land einen neuen Präsidenten. Welche Erwartungen verbinden sich mit der Wahl?
Der Fortschritt bei der Ernährungssituation in Mali wird durch die Krise seit 2012 und die politischen Entwicklungen im Land in den letzten sechs Jahren gefährdet. Mali ist ein Beispiel dafür, dass es ohne politische Lösungen keine nachhaltige Hungerbekämpfung geben kann und es dafür die Bereitschaft auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene braucht.
Das haben Sy Kadiatou Sow, politische Analystin und frühere Außen- und Bauministerin, und Elmehdi Ag Wakina, Programmdirektor der Association Malienne pour la Survie au Sahel, einer Partnerorganisation der Welthungerhilfe, bei einem Fachgespräch im Deutschen Bundestag mit dramatischen Worten bestätigt. Seit 2011 habe der Staat nicht mehr alle Gebiete unter Kontrolle und es seien mehrere bewaffnete Gruppen im Land aktiv. Zu dem Gespräch hatten Frijthof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) und Matern von Marschall (CDU/CSU) eingeladen.
Unbestellte Felder führen zu Hunger in Mali
Angesichts der prekären Sicherheitslage und der Abwesenheit von staatlichen Sicherheitsorganen haben kleinbäuerliche Landwirt*innen Angst, ihre Felder zu bestellen, was die landwirtschaftliche Produktion beeinträchtigt und die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln verringert. Bürgermeister*innen, Polizist*innen, Lehrer*innen und Ärzt*innen im Staatsdienst kehren aus Sorge um ihr Leben oftmals nicht an ihre Arbeitsplätze im ländlichen Raum am Nigerbogen und im Binnendelta Malis zurück. Deshalb bleiben dort viele Schulen und Sanitätsstationen aber auch Polizeiposten und staatliche Behörden unbesetzt. Die Bevölkerung in den ländlichen Regionen ist oftmals sich selbst überlassen - mit verheerenden Folgen.
Die Landbevölkerung verliert nicht nur Zugang zu Bildung und Gesundheit, sondern zunehmend das Vertrauen in den malischen Staat und seine Institutionen. Zugleich fehlt es oftmals an staatlichen Instanzen, um Konflikte zwischen Pastoralist*innen und kleinbäuerliche Landwirt*innen friedlich zu regeln. Angesichts dieses staatlichen Kontrollverlustes nutzen terroristische und extremistische Gruppen die vom Staatszerfall bedrohten Räume zunehmend als Rückzugs- und Rekrutierungsraum.
Internationale Bemühungen in Mali reichen nicht aus
Auf diese Herausforderungen gelingt es der internationalen Gemeinschaft derzeit kaum, eine wirksame Antwort zu geben. Zwar hat die UN-Friedensmission MINUSMA zur Stabilisierung Malis einen erheblichen Beitrag geleistet, gleichzeitig muss die lokale Zivilbevölkerung jedoch vielerorts mit einer prekären Sicherheitslage umgehen. Daran konnten auch die europäischen Ausbildungsmissionen für das malische Militär (EUTM) und für die malische Polizei und Gendarmerie (EUCAP) bisher kaum etwas ändern. Auch die multinationale Sahel-Eingreiftruppe der G5-Sahel-Staaten konnte den terroristischen Gruppen in Zentralmali bislang nichts entgegensetzen.
Ausschlaggebend hierfür sind oftmals mangelnder Reformwille, schlechte Regierungsführung und Korruption. So kommt weder die Reform des Sicherheitssektors nennenswert voran, noch die der Justiz. Gleichzeitig stocken der Friedensprozess mit der Umsetzung des Abkommens von Algier und vor allem die vorgesehene Regionalisierung des Staates. Eine Friedensdividende ist bei den Malier*innen bisher nicht angekommen und auch die Aussichten auf eine ökonomische Entwicklung und die Bekämpfung der Armut sind derzeit alles andere als vielversprechend.
In diesem schwierigen Umfeld sollen nun Präsidentschaftswahlen durchgeführt werden. Es gibt Befürchtungen, dass Menschen in Regionen, wo der Staat großenteils abwesend ist, nicht abstimmen können geschweige denn eine Registrierung der Wähler*innen möglich sein wird. Zugleich besteht eine hohe Unzufriedenheit mit dem erneut antretenden bisherigen Amtsinhaber, Präsident Ibrahim Boubacar Keïta und seiner Regierung. Die Frustration insbesondere der jungen Generation zeigte sich jüngst unter anderem in der Hauptstadt Bamako bei einer gewaltsam aufgelösten Demonstration.
"Gebt nicht auf"
Gerade Frauen haben es in Mali oft schwer. Die Welthungerhilfe vermittelt landwirtschaftliches Know-How.
Viele Malier*innen erwarten, dass in der nächsten Wahlperiode endlich Wege gefunden werden, Frieden und Sicherheit wieder zu garantieren, Armut im Land zu bekämpfen, sowie die Ernährungssicherheit, Grundbildung und Gesundheitsversorgung in Mali angemessen sicherzustellen und die Infrastruktur zu verbessern. Darüber hinaus erwarten die Menschen eine bessere Regierungsführung und eine Regierung, die aktiv gegen Korruption vorgeht.
„Gebt nicht auf!“, appellierten Sy Kadiatou Sow und Elmehdi Ag Wakina während des Gesprächs im Bundestag an Deutschland und die internationale Gemeinschaft. „Auch wenn viele Menschen die Nachrichten von Konflikt und Hungerkrise in Mali nicht mehr hören wollen brauchen die Malier*innen auch in Zukunft internationale Unterstützung. Die Probleme sind angesichts einer immer stärker zusammenrückenden Welt nicht alleine ein Problem von Mali.“
Autorin: Justyna Szambelan