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04.06.2019 | Gastbeitrag

Grün ist die Hoffnung in Haiti

Wie die Deutsche Welthungerhilfe gegen Dürreschäden und Erosion kämpft.

Kai A. Struthoff Hersfelder Zeitung

Zehn Jahre nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti hat Redaktionsleiter Kai A. Struthoff das Land besucht. Der Artikel erschien ursprünglich in der Hersfelder Zeitung.

Petit Lexi Franette wohnt mit ihrem Mann Charles in einem kleinen Haus mit Wellblechdach auf einem Hügel im Dorf La Valiere in der Gemeinde Jean Rabel im Norden von Haiti. Die 52-Jährige hat vier Töchter, eine davon, die 18-jährige Marie-Mikibelle, ist spastisch gelähmt. Das Mädchen mit den kleinen Zöpfen kauert in einem Kinderrollstuhl.

Petit Lexi nimmt ihre Tochter in den Arm. Doch mehr als Liebe kann sie ihr nicht geben. Für Medikamente gegen die Krampfanfälle fehlt ihr das Geld. Das überfüllte und schlecht ausgestattete Krankenhaus in Jean Rabel ist Stunden entfernt.

Im Hintergrund fegt Petit Lexi mit einem Besen. Im Vordergrund sitzt ihre Tochter Marie-Mikibelle in einem Rollstuhl.
Die Familie von Petit Lexi Franette (52) hat im nahegelegenen Bewässerungsgebiet, das von der Welthungerhilfe erweitert und instandgesetzt wurde, ein Feld gepachtet. Lexi ist verheiratet und hat vier Kinder. Die 18-jährige Marie-Mikibelle ist körperlich und geistig behindert. © Thomas Rommel

Folgen des Klimawandels sind spürbar

Die Welthungerhilfe ist seit 1974 in Haiti tätig. Alle wichtigen Fakten über die Projekte im Land auf einen Blick.

Doch Petit Lexi gibt nicht auf. „Früher war die Landwirtschaft noch leichter, es gab mehr Bäume“, erzählt Lexi. Sie spüre die Folgen des Klimawandels: Dürren, Extremwetterlagen, das Vieh verendet. Seit Lexi für die Welthungerhilfe arbeitet und dort auch an Schulungen teilnimmt, habe sich ihr Leben verbessert. Jetzt gibt es meist zwei Mahlzeiten am Tag, die Familie hat eine Ziege, Hühner scharren im Sand. „Es ist, als wäre Gott zu uns herabgestiegen“, sagt Ehemann Charles.

Das klingt pathetisch, aber so äußern sich viele der Landwirt*innen, die durch die Unterstützung der Welthungerhilfe zumindest eine Perspektive haben. Es sind vor allem Bewässerungskanäle und Rückhaltebecken, die mit den Hilfsgeldern aus Deutschland gebaut werden. Die Agrarexpert*innen der Welthungerhilfe unterstützen die Landwirt*innen mit Rat und Tat. Dank des Wassers gelingt es den Menschen, ein wenig Obst und Gemüse auf den ausgelaugten Böden anzubauen. Die Bäuer*innen sind dazu in Komitees organisiert und entscheiden gemeinsam über ihr Vorgehen.

Aufforstung soll Bodenerosion aufhalten

„Wir versuchen, Denkweisen, Gewohnheiten und die lokalen Strukturen behutsam zu verändern“, erklärt Joseph Edner, Projektleiter der Welthungerhilfe in Jean Rabel. Ein mühsames Unterfangen. Jahrzehntelanger Raubbau an der Natur und das Abholzen der Wälder haben die Erosion vorangetrieben. Überall am Wegesrand rauchen die Holzkohlemeiler. Mit bloßen Händen klauben Frauen die Kohle hervor, die dann als Brennstoff auf den Märkten verkauft wird. Fast jeder kocht in Haiti auf Holzkohleherden. Der Einsatz von Gas scheitert oft daran, dass Herde und Gasflaschen viel zu teuer sind. Inzwischen sind die einst dicht bewaldeten Berge Haitis meist kahl. Jeder Regen spült die Ackerkrume hinweg.

Holzkohle-Produktion in Haiti: Frauen sortieren fertige Holzkohle und packen sie in große Säcke, die sie dann an Händler auf dem Markt verkaufen.
Holzkohle-Produktion in Haiti: Frauen sortieren fertige Holzkohle und packen sie in große Säcke, die sie dann an Händler auf dem Markt verkaufen. © Thomas Rommel

In Valliere pflanzt die Welthungerhilfe deshalb Bäume. Das Dorf liegt im haitianischen Hochland nahe der betriebsamen Kleinstadt Ouanaminthe an der streng bewachten Grenze zur Dominikanischen Republik. In einer ordentlichen Schlange stehen die Landwirt*innen in der sengenden Hitze. Oft waren sie stundenlang zu Fuß oder zu dritt auf dem Mofa unterwegs, um von der Welthungerhilfe Saatgut für Bäume und Gießkannen zu erhalten. Einige setzen ihren Fingerabdruck unter die Liste, auf der der Empfang quittiert wird. Es sind kleine Schritte, aber sie führen zum Erfolg.

Durch die Aufforstung haben wir wieder landwirtschaftliche Erträge: Holz, Obstbäume und zugleich Erosionsschutz.

Saint Louis Theomacvon Bauer in Valliere, Haiti

Wenn Saint Louis Theomacvon seiner Veranda blickt,dann sieht er zartes Grün – Haitis Farbe der Hoffnung. Der 62-Jährige hat seine Parzelle ganz weit oben am Berg. Jeden Tag steigt er zu Fuß hinauf und kontrolliert seine Felder. „Durch die Aufforstung haben wir wieder landwirtschaftliche Erträge: Holz, Obstbäume und zugleich Erosionsschutz“, erklärt er. Von staatlicher Seite gebe es keine vergleichbaren Programme. Mit den Erträgen kann erseine sieben Kinder zur Schule schicken. „Sie sollen einmal besser leben können“, sagt er.

Kahle Landschaft neben aufgeforsteten grünen Feldern.
Im Rahmen eines Projekts der Welthungerhilfe werden Felder wieder aufgeforstet. Es geht vor allem um Erosionsschutz und Ressourcen-Management. © Thomas Rommel

Mit Sorge denkt Saint Louisan die Zeit, wenn die Welthungerhilfe nicht mehr im Dorf sein wird. Natürlich wolle man die Arbeit fortsetzen, „deshalb bin ich auch in dem Komitee aktiv“, erzählt er. Trotzdem hofft er, dass die Welthungerhilfe noch lange bleibt. „Wenn die Henne zu früh geht, dann leiden die Küken“, sagt er alte Bauer.

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