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14.01.2020 | Gastbeitrag

„Wir müssen Menschenleben retten“

Simbabwe befindet sich in einer schweren humanitären Krise. Die Situation verschlechtert sich kontinuierlich. Landesdirektorin Regina Feindt erklärt die Hintergründe.

Regina Feindt im Gespräch
Regina Feindt, Landesdirektorin der Welthungerhilfe in Simbabwe, im Gespräch mit Kollegen und einem Youth Entrepreneur. © Thomas Heyland/Welthungerhilfe
Patricia Brandt Weser-Kurier, Die Norddeutsche

Immer zu Weihnachten fährt Regina Feindt nach Hause – zu ihrer Mutter nach Bremen. So sagt sie es. „Obwohl“, sagt die Landesdirektorin der Welthungerhilfe, „trotz aller Schwierigkeiten ist auch Simbabwe über die Jahre mein Zuhause geworden.“ Schwierigkeiten hat Simbabwe viele: Die Zahl der Hungernden ist weiter gestiegen, Brunnen sind trocken gefallen und zeitweise wütet die Cholera. „Simbabwe befindet sich in einer schweren humanitären Krise“, so die Entwicklungshelferin.

Landesdirektorin Regina Feindt im Landesbüro Simbabwe.

Wir rechnen damit, dass zu Beginn 2020 sieben Millionen Menschen auf Nahrungsmittel-Hilfe angewiesen sind.

Regina Feindt Landesdirektorin Simbabwe

Simbabwe droht eine Hungerkrise

„Mir persönlich geht es noch gut“, sagt sie am Telefon. „Weil ich finanzielle Ressourcen habe, aber mich belastet die Situation der Menschen.“ Die Afrikanistin wohnt in Simbabwes Hauptstadt Harare. Harare ist die größte Stadt im Land: Im Stadtgebiet sind 1,5 Millionen Menschen registriert. Derzeit habe sie ständig mit neuen Herausforderungen zu kämpfen. „Es sind lange Tage, in denen wir alle sehr beschäftigt sind“, sagt Regina Feindt und meint sich und ihre Kolleg*innen von der Welthungerhilfe. In Simbabwe gibt es zurzeit von allem viel zu wenig.

Es besteht die Gefahr, dass Millionen von Menschen bis Ende des Jahres von einer schweren Hungerkrise betroffen sind, wenn keine schnelle Hilfe erfolgt: „Wir rechnen damit, dass zu Beginn 2020 sieben Millionen Menschen auf Nahrungsmittel-Hilfe angewiesen sind. Wir bereiten uns darauf vor, Anfang 2020 Nahrung an die Haushalte zu verteilen“, berichtet die Mittfünfzigerin.

Klimawandel begünstigt Wetterextreme

Es gibt viele Gründe, die Schuld sind an der Misere, in der die Menschen in Simbabwe stecken. Ein Grund sei der Klimawandel und die daraus resultierende Dürre und die Auswirkungen des Wirbelsturms Idai. „Die Auswirkungen des Klimawandels sind seit vier Jahren spürbar. Wir hatten keine Regenzeit, die normal war.“ Entweder die Felder wurden überflutet und die Ernte dadurch zerstört oder die Trockenphasen dauerten zu lange. Im zweiten Jahr nacheinander erlebt Simbabwe nun eine Dürreperiode. Die Maiskolben seien viel zu klein, selbst dürreresistentere Pflanzen wie Hirse seien kaum gewachsen, berichtet die Entwicklungshelferin. Die Ernte-Ausfälle seien dramatisch hoch.

Mann auf präsentiert sein Maisfeld
Seit Jahren spüren die Menschen in Simbabwe die Auswirkungen des Klimawandels. Zum Beispiel fallen durch Wetterextreme die Ernten immer kleiner aus. © Grossmann

Regina Feindt spricht schnell. Sie schildert ihren Alltag, erzählt unter anderem von ihren Besuchen in Schulen. Manche Kinder bekämen nur einmal am Tag zu essen, andere nur alle zwei Tage. Zumeist gebe es Maisbrei, der zwar sättige, aber alles andere als eine ausgewogene Mahlzeit darstelle. Zunehmend mache den Familien der gravierende Wassermangel zu schaffen. Sie berichtet von Mädchen, die zu entfernten Wasserstellen geschickt werden und deshalb nicht mehr zur Schule kommen können.

Dürre und Misswirtschaft könnte zur Hungerkrise führen

Aufgrund der anhaltenden Dürre sei der Grundwasserspiegel abgesunken, Flüsse und Brunnen trocken gefallen. Regina Feindt: „Es gibt kein sauberes Trinkwasser mehr. Die Situation in den Krankenhäusern ist katastrophal. Letztes Jahr hatten wir einen Cholera-Ausbruch und Typhus. Das ist eine Zeitbombe.“

Nicht nur die humanitäre Situation ist in ihren Augen besorgniserregend. Auch wirtschaftlich gehe es Simbabwe nach jahrelanger Misswirtschaft schlecht. Es herrsche eine Hyperinflation vor, in der sich das Preisniveau sehr schnell erhöht. „Die Regierung hat die Veröffentlichung von Inflationszahlen eingestellt. Experten schätzen jedoch eine Bandbreite zwischen 300 und 800 Prozent pro Jahr“, berichtet Regina Feindt. Gleichzeitig hielten die Gehälter nicht mit der Inflation Schritt. Die Arbeitslosigkeit in der Hauptstadt sei zudem groß. „93 Prozent der Bevölkerung von Harare leben unterhalb der Armutsgrenze.“

Eine Frau mit einem Baby auf dem Rücken holt Wasser an einem Brunnen.
Um der Cholera und anderen durch Wasser uebertragenen Krankheiten vorzubeugen, hat die Welthungerhilfe 15 Bohrlöcher im Chitunguiza Distrikt wieder in Betrieb genommen. © Stefanie Glinski/Welthungerhilfe

Der Preis für Maismehl sei in den vergangenen 15 Tagen um 80 Prozent gestiegen (Stand: November 2019). Seit Jahresbeginn 2019 sei auch der Kraftstoffpreis um mehr als 750 Prozent gestiegen. Darüber hinaus hat das Land mit einem lähmenden Strommangel zu kämpfen. Regina Feindt spricht von langen Stromausfällen – in der Stadt dauern diese bis zu 20 Stunden, in ländlichen Regionen tagelang. Für die Entwicklungshelferin bedeutet das, dass sie ihre Waschmaschine oft nur nachts betreiben kann – wenn Strom vorhanden ist. „Ich habe mir eine Solaranlage zugelegt, damit ich zumindest den Kühlschrank betreiben kann.“ Selten war es trockener und heißer in Simbabwe als in diesen Tagen. Tagsüber herrschten bis zu 38 Grad. Doch das Solarsystem deckt den Bedarf kaum ab: Laptops, Internet, Drucker im Büro laufen nur zeitweise.

Für die Nordbremerin ist Simbabwe nicht nur eine globale Herausforderung, sondern auch eine persönliche. „Die Extremsituation ist mein Job. Das ist das, was mich antreibt. Deshalb sind wir hier: Um unseren Beitrag zu leisten. Wir haben eine humanitäre Verpflichtung, jetzt diese Menschenleben zu retten.“

Dieser Text ist eine gekürzte Version eines unabhängingen Artikels der Journalistin Patricia Brandt, der am 06. November 2019 im Weser Kurier erschienen ist. 

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