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24.04.2014 | Gastbeitrag

Burkina Faso: Wer lesen kann, erntet mehr

Das Leben in Burkina Faso ist hart. Die wichtigsten Güter des Landes sind Gold und Baumwolle. Die meisten Baumwollbauern sind Analphabeten, die mehr schlecht als recht über die Runde kommen. Damit sich dies ändern kann, müssen die Bauern lesen und schreiben können, um an landwirtschaftlichen Fortbildungen teilnehmen zu können und beim Handeln nicht benachteiligt zu sein.

Mutter mit Baby bei Alphabetisierungskurs in Burkina Faso
Adjarata Bembamba mit ihrem Sohn beim Unterricht in Burkina Faso. © Phillip Hedemann
Philipp Hedemann Journalist

Amadou ist schnaufend an der Brust seiner Mutter eingeschlafen, während sie konzentriert die Buchstaben von der Tafel abschreibt. Erst als Adjarata Bembamba mit ihrem Sohn auf dem Arm aufsteht, um laut die Sätze an der Tafel vorzulesen, wacht Amadou auf. Amadou ist sechs Monate alt, seine Mutter 35 Jahre. Vor zwei Monaten hat sie angefangen, lesen und schreiben zu lernen. „Ich muss lesen können, damit ich weiß, wie viel Dünger ich den Pflanzen geben muss. Ich muss schreiben können, damit ich mir notieren kann, wie man am besten anbaut. Ich muss rechnen können, damit ich nicht betrogen werde, wenn ich meine Ernte verkaufe“, erklärt sie.

Bembamba ist eine von 5.000 Baumwollbauern im Süden Burkina Faso, die bereits mit Unterstützung von Organic, der Partnerorganisation der Welthungerhilfe, Lesen und Schreiben gelernt haben. Wichtiger Nebeneffekt des Unterrichts: Eltern, die lernen, schicken auch ihre Kinder zur Schule – und nicht auf das Feld. Die im Baumwollsektor immer noch weitverbreitete Kinderarbeit soll so bekämpft werden.

Baumwolle ist eines der wichtigsten Exportgüter

Im fünftärmsten Land der Welt liegt das durchschnittliche Monatseinkommen umgerechnet bei rund 90 Euro. Damit der Anbau von Baumwolle in Zukunft zu einer Überwindung der Armut beitragen kann, müssen die Bauern ihre Erträge mit verbesserten Anbaumethoden steigern, ohne den schon jetzt oft übernutzten Boden weiter auszulaugen. 

Auch Madi Tendrbeoogo will dazu beitragen. Zusammen mit knapp 30 Jungen und Mädchen, Männern und Frauen sitzt er in einer aus Baumstämmen und Bastmatten errichteten Hütte. Lehrer Ilbouda schreibt das Wort „Saaga“ an die Tafel. „Saaga“ heißt in Mòoré, einer der vielen Sprachen Burkina Fasos, „Regen“. Immer seltener und immer unregelmäßiger fällt er hier im Süden des Landes in der Sahelzone. Wissenschaftler sind überzeugt, dass der Klimawandeldaran schuld ist. Madi Tendrbeoogo weiß nicht, was in den Berichten der Wissenschaftler steht, aber er weiß, dass es seit Jahren immer weniger regnet und er sich daran anpassen muss: „Als ich klein war, war es nicht wichtig, lesen und schreiben zu können. Unsere Väter haben uns gesagt, wie sie es gemacht haben, und so haben wir es auch gemacht. Aber heutzutage läuft ja alles schriftlich.“

Kleinbauern lernen lesen und schreiben

Und Tendrbeoogo will sich weiterentwickeln. Deshalb besuchte er vor einem Jahr ein Training, bei welchem er erfuhr, wie man seine Ernte mit neuen Anbaumethoden und verbessertemSaatgutund Dünger steigern kann. Tendrbeoogo erschien das alles sehr einleuchtend. Er nickte viel, doch er machte sich keine einzige Notiz und las nie wieder nach, was er gelernt hatte. Denn beides – Schreiben und Lesen – konnte er damals nicht. Vieles, was er sich merken wollte, hat Tendrbeoogo mittlerweile wieder vergessen. „Wenn ich lesen und schreiben kann, mache ich den Kurs noch mal. Und dann notiere ich alles, was wichtig ist“, sagt der Mann, den es nicht stört, dass er mit Abstand der älteste Schüler der Klasse ist.

Investition in Bildung

 „Viele Baumwollbauern, die an den Alphabetisierungskursen und unseren technischen Fortbildungen teilgenommen haben, haben ihre Ernte mehr als verdoppeln können“, sagt Issa Quedraogo von der Baumwollgesellschaft Faso Coton – ein Partner von Compace und der Welthungerhilfe.  Alizeta Sempoore ist eine dieser Bäuerinnen: „Endlich bin ich nicht mehr ständig auf andere angewiesen. Wenn ich etwas kaufen oder verkaufen möchte, kann mich niemand mehr übers Ohr hauen“, sagt die ehemals unsichere Frau, die durch den Kurs zu einer selbstbewussten und wissensdurstigen Frau geworden ist.

Weil die offizielle Sprache in Burkina Faso Französisch ist, möchte Sempoore jetzt auch noch einen Französischkurs belegen. Bislang hat sie nur gelernt, ihre Muttersprache Mòoré zu schreiben und zu lesen. Um den Hals trägt Frau, die ihre sechs Kinder lieber zur Schule schickt, als sie auf dem Feld schuften zu lassen, seit kurzem einen Beutel. Darin schützt sie ihr Handy vor Staub. Weil sie ihre Baumwollernte von 250 auf 375 Kilo pro Hektar steigern konnte, konnte sie sich endlich ein Mobiltelefon leisten. Zuvor hätte die 42-Jährige damit allerdings auch nichts anfangen können. Sie hätte nicht gewusst, wie man Nummern und Namen im Telefonbuch speichert.

Dieses Projekt lief von 2009 bis 2014. Maßnahmen wurden u.a. von der Aid by Trade Foundation und der Deutschen Entwicklungsgesellschaft im Rahmen der Initiative Cotton made in Africa finanziell unterstützt.

Den vollständigen Bericht finden Sie in der Welternährung 2/2013 (Seite 12).

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