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28.11.2018 | Gastbeitrag

Das Wasser wird knapp

In Malawi, einem der ruhigsten Länder Afrikas, setzt der Klimawandel Fischern und Bauern zu. Der größte See verlandet, die Ernten werden unberechenbar. Die Welthungerhilfe will die Krise mit Gemüsegärten und Pflanz-Aktionen bannen.

Das Mädchen Kathrina holt täglich Wasser vom Malawi-See.
Das Mädchen Kathrina holt täglich Wasser vom Malawi-See. © Peter Pauls
Peter Pauls DuMont Schauberg / Kölner Stadtanzeiger

Lange bevor das Wort „Klimawandel“ das Dorf Chilambwe im afrikanischen Malawi erreichte, hatte Cecilia Masina schon erkannt, dass etwas nicht stimmt. Hier, im südlichen Teil des Landes, das im Osten des Kontinents zwischen Tansania und Mosambik liegt, nahmen die Veränderungen Jahr um Jahr zu: Es konnte unerträglich heiß werden. Dann wieder, als der Mais schon hüfthoch gewachsen war, blieb plötzlich der Regen aus. Oder er kam mit der Kraft einer Sintflut und spülte Erde sowie Pflanzen fort. Auch das Muster, wonach im November zum Beginn der Regenzeit gepflanzt und im April geerntet wird, galt nicht mehr. Mal regnete es ein wenig, dann gar nicht, dann wie aus Kübeln. Jedes Jahr waren die Ernten schlechter geworden. 

Schädlinge und Klimawandel gefährden Existenzen

Hatte das Feld der Bäuerin früher 20 Säcke Mais à 50 Kilo im Jahr abgeworfen, schrumpfte der Ertrag Jahr um Jahr auf schließlich nur noch fünf Säcke. Als 2017 noch der „Heerwurm“, die Raupe des Eulenfalters, Malawi heimsuchte, fraßen die Schädlinge die Ernte. In 20 der 28 Distrikte rief die Regierung den Ausnahmezustand aus. Zwei Säcke Mais à 50 Kilo konnte die Frau retten. Zu wenig, als dass sie, ihr Mann und die zehn Kinder davon bis zur nächsten Ernte hätten leben können. Seither weiß Cecilia Masina, dass der Klimawandel eine Gefahr für ihr ohnehin nie üppiges Leben und das ihrer Familie ist.

Zwei bis dreimal die Woche geht die Bäuerin Feuerholz suchen. Das wird immer schwerer, denn die Bevölkerung Malawis wächst beständig. Seit 1950 hat sie sich von drei auf aktuell etwa 18 Millionen Menschen versechsfacht. Mitunter dauert es fast einen ganzen Arbeitstag, um genügend Brennmaterial zu finden. Zwei Stunden täglich werden fürs Wasserholen benötigt.

Männer arbeiten in einem illegalen Holzkohle-Meiler im Süden Malawis
Ein illegaler Meiler im Süden Malawis. Alle großen Bäume in der Umgebung sind abgeholzt worden. Der Wald schrumpft jährlich um drei Prozent. © Peter Pauls

Neue Hoffnung durch Permakulturen

Mit Permakulturen der Dürre trotzen.

Um fünf Uhr früh beginnt der Arbeitstag und endet erst nach Einbruch der Dunkelheit. Wenn man Cecilia Masina fragt, ob ihr Leben hart sei, dann bejaht sie das sofort. Was ihr Hoffnung und Zuversicht gibt, sind „Permakulturen“– der permanente Anbau von Feldfrüchten. In ausgeklügelter Reihenfolge werden Erbsen, Saubohnen, Kürbis, Okra und Tomaten angebaut. Selbst hinter der primitiven Dusche speist das ablaufende Wasser noch eine Bananenstaude. Kürzlich ist ein Kaninchenstall hinzugekommen.

Die Langohren liefern Fleisch, Dünger oder werden auf dem Markt verkauft. All das ist Teil eines Projekts der Welthungerhilfe und einheimischer Partner. Die 42-jährige Frau ist eine Art Musterbäuerin. Sie wendet alle Tricks an, die sie durch die Experten kennen gelernt hat, und so ist ein paradiesisch wirkender kleiner Gemüsegarten entstanden. 

Keine Fische, kein Wasser: Sorge um den Malawi-See

In alternativen Reiseführern wird Malawi als Geheimtipp empfohlen. Es ist landschaftlich vielfältig und für Touristen vergleichsweise unkompliziert. Doch die Idylle ist trügerisch, wie der fast 600 Kilometer lange Malawi-See zeigt. Neben dem Menschen, der das Gewässer rücksichtslos überfischt, setzt ihm nun auch der Klimawandel zu. Der Wasserstand sinkt beständig. Ein Dorf weiter steht Irene Pathiwi auf einem leuchtend grünen Feld. „Überall hier war vor zehn Jahren noch Wasser,“ sagt sie. Seit 2010 habe der See sich zurückgezogen. Das flache Wasser, das fast vor der Haustür der 60-jährigen lag, ist ausgetrocknet. Mit seinen Grasinseln war es Brutraum für Fische. In Irene Pathwis einfachem Haus leben ihre fünf Kinder und die Enkel, insgesamt sind sie elf Menschen. Inzwischen sei der Mangel an Nahrung ein ständiger Begleiter geworden.

Irene Pathiwi auf einem Feld
Irene Pathiwi auf einem leuchtend grünen Feld. Wo heute Land ist, war vor wenigen Jahren noch der Malawi-See, sagt sie. Fischbrut fand hier Schutz. © Peter Pauls

Hinter der nächsten Anhöhe erstreckt sich der Malawi-See. Menschen waschen sich hier, ein Streifen hellen Grüns säumt das Ufer und über dem silbern scheinenden Gewässer spannt sich blauer Himmel. Eigentlich eine Idylle. Doch die Fischer sind derzeit ohne Arbeit und überbrücken den Einnahmeausfall mit dem Verkauf von Sand. Für drei Monate, bis Anfang Februar, darf nicht gefischt werden, denn der Bestand schrumpft. Wie wenig das Gesetz befolgt wird, zeigen indes die jungen Burschen, die Autofahrern am Straßenrand frischen Fisch in jeder Größe verkaufen wollen. Idon Chadzuka, der Vorsitzende des Fischerkomittees, hält das Gesetz für notwendig. Es sei schon schwer geworden, kleine Köderfische zu fangen, die man braucht, um einen großen Fang zu machen. Schuld sei der Klimawandel, meint der 54-jährige fast reflexhaft. Aber schließlich räumt er dann doch ein, dass in diesem Fall Menschen die Hauptverantwortung tragen. Das Fangverbot werde ignoriert und die Brut der Fische mitunter sogar mit feinen Moskitonetzen aus dem Wasser geholt. 

Waldgärten und Baumschulen gegen Bodenerosion

Jedes Jahr verliert Malawi etwa drei Prozent seiner Bäume, Tendenz steigend. Die meisten enden in illegalen Meilern, wo sie zu Holzkohle verarbeitet werden. Selbst in der Hauptstadt Lilongwe oder der Großstadt Blantyre dient Holzkohle zur Zubereitung von Mahlzeiten, denn das Stromnetz ist überlastet und unzuverlässig. Immer wieder kommt es zu stundenlangen Ausfällen. Doch wo Bäume fehlen, deren Wurzeln das Erdreich halten und deren Blätter den Boden vor dem schnellen Austrocknen schützen, hat der Klimawandel umso leichteres Spiel. Regen wäscht fruchtbaren Boden und Ernten fort. Im Umkehrschluss werden Waldgärten propagiert, wo Gemüse im Schatten von Bäumen reift. Landesweit werden immer wieder Setzlinge gepflanzt. Die Welthungerhilfe unterstützt solche Projekte und kann sich engagierter lokaler Mitstreiter sicher sein.

Manemba Taim in einer Baumschule in Chilipa, Malawi
Manemba Taim, Oberhaupt mehrerer Dörfer, in einer durch die Welthungerhilfe eingerichteten Baumschule in Chilipa, Malawi. © Peter Pauls

Manemba Taim, Oberhaupt mehrerer Dörfer, ist einer von ihnen. Mit Hilfe der deutschen Organisation ist in Chilipa eine kleine Baumschule eingerichtet worden, die dem 58-jährigen sehr wichtig ist. Er führt die Besucher auf ein nahegelegenes Feld, das von einem so tiefen Erosionsgraben halbiert ist, dass man einen weiten Umweg gehen muss, um auf die andere Seite zu gelangen. „Das passiert, wenn wir nur zuschauen“, sagt er, „Viele hören die Botschaft nicht, denn sie sind arm“. Aber alle wüssten, dass sie die Zukunft ihrer Kinder aufs Spiel setzen, wenn sie rücksichtslos Wälder für Holzkohle abholzen. Wenn es so weiter gehe, habe das Dorf keine Zukunft. Wie faule Zahnstümpfe ragen aus dem ausgetrockneten Boden immer wieder Baumstümpfe empor.

Wenige Schritte weiter ist die Welt scheinbar wieder in Ordnung. Ein Knirps läuft mit einer langen Stange, an deren Spitze eine Art Netz befestigt ist, zu einem großen Mango-Baum und versucht, sich aus dem dichten Blattwerk eine der süßen Früchte zu angeln. Vielleicht müsse man eines Tages weiterziehen, sinniert der Dorfvorsteher, womöglich über die Grenze, ins benachbarte Mosambik. Denn dort stünden ja noch Bäume. Dann würden die Menschen fliehen. Nicht vor Krieg oder Verfolgung, sondern vor dem Klima. Spätestens damit wäre auch das ruhige Malawi in den Schlagzeilen.

Dieser Text ist eine gekürzte Version eines Artikels, der ursprünglich im Kölner Stadtanzeiger erschienen ist. 

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