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18.06.2013 | Gastbeitrag

Ein Krieg gegen die Frauen

Im Jahr 2000 gründeten 15 engagierte Frauen die Hilfsorganisation Femmes Engagées pour la Promotion de la Santé Intégrale (FEPSI). Sie betreibt in Butembo ein Krankenhaus, das sich um vergewaltigte Frauen kümmert.

Marie Dolorose Masika-Kafanya steht im Türrahmen des FEPSI-Hospital im Kongo.
Krankenschwester und ehemalige Leiterin Marie Dolorose Masika-Kafanya ist Mitbegründerin vom FEPSI-Hospital. © Jens Grossmann/Welthungerhilfe
Andrea Kümpfbeck Journalist

Die Welthungerhilfe unterstützt das Hospital seit einigen Jahren. Marie Dolorose Masika-Kafanya, ehemalige Leiterin und Krankenschwester, berichtet vom Klinikalltag.

Wenn sie ein paar der Geschichten erzählt, die sie in den vergangenen zwölf Jahren gehört hat, wird die Stimme von Marie Dolorose Masika-Kafanya leise und der Ton sachlich. Ganz so, als könne sie ihren Worten damit den Schrecken nehmen. Und den Schicksalen vieler vergewaltigter Frauen in der DR Kongo das Grauen. Denn ihr eigenes Leben, sagt die 57-jährige Witwe und Mutter dreier Kinder, ist im Vergleich dazu ein gutes, ein gesegnetes Leben.

Nirgendwo werden so viele Frauen vergewaltigt wie im Ostkongo

An diesem Morgen führt sie Love Nziavake im »Centre Hospitalier FEPSI« den Gang entlang zum Labor. Die 21-Jährige kann kaum laufen, sie wirkt wie betäubt, den Blick hat sie starr auf den Boden gerichtet. Die Zuckerrohrhändlerin war am Tag zuvor auf dem Weg hinaus aufs Feld von einem Unbekannten ins Gebüsch gezogen und vergewaltigt worden. Ihr Peiniger war etwa 30 Jahre alt, ein Zivilist, aber er hatte eine Waffe, erzählt die verschreckte Frau. Der einzige Satz, den er ihr zuzischte, war: »Heute bist du dran.«

Nirgendwo auf der Welt werden so viele Frauen vergewaltigt wie im Ostkongo. Das belegt eine Statistik der Vereinten Nationen. Jeden Monat werden 67 von 1.000 Frauen Opfer massiver sexueller Gewalt. Nirgendwo auf der Welt wurde ein Land aber auch über Jahrzehnte hinweg derart ausgebeutet und von Kriegen zerfressen. Und nirgendwo auf der Welt gibt es deshalb so wenig Moral, Mitleid und Anstand.

Das FEPSI-Hospital in Butembo ist der einzige Ort in den beiden Landkreisen Lubeno und Beni mit rund zwei Millionen Einwohnern, wo vergewaltigte Frauen Hilfe finden – medizinische und psychologische. Butembo ist eine Stadt mit 700.000 Einwohnern, die größte im Ostkongo. Es ist zugleich die am schlechtesten entwickelte: Es gibt weder Wasser- noch Stromversorgung, am Abend brummen für zwei Stunden die Generatoren, dann legt sich Dunkelheit über die Lehmhütten.

»Viele überleben nicht«

Im Schnitt klopften jeden Tag zwei, drei, manchmal vier verzweifelte Frauen an die Tür des Hospitals, sagt Marie Dolorose Masika-Kafanya. Mehr als 5.600 hat sie in den vergangenen zwölf Jahren gezählt. Und jede Geschichte, jedes einzelne Schicksal ist niedergeschrieben in einem der dicken, blauen Schulhefte, die sich in einem Zimmer stapeln, über dessen Tür das Schild »Anmeldung« hängt. Viele Geschichten sind zu grausam, um je veröffentlicht zu werden. Die Umstände der Vergewaltigung eines zweijährigen Mädchens zum Beispiel, die Übergriffe auf eine 80-Jährige oder die dokumentierten Massenvergewaltigungen. »Viele überleben die grausame Prozedur nicht«, sagt Marie Dolorose.

15 kämpferische Frauen haben im Jahr 2000 das Projekt FEPSI gegründet. Marie Dolorose Masika-Kafanya ist eine von ihnen. »Wir konnten es nicht mehr ertragen, dass eine Gesellschaft, dass die ganze Welt wegschaut«, sagt sie. Kurz darauf haben die Frauen das »Centre Hospitalier FEPSI« eröffnet, das heute 63 Betten, 57 Angestellte und 125 Vertrauensleute zählt, die FEPSI in den Dörfern bekannt machen. 

Hilfe für schwangere Frauen

Love Nziavake hat im Radio von den FEPSI-Frauen gehört, eine erste Untersuchung hat sie nun hinter sich. In dem einfachen Labor, dessen modernstes Gerät ein Mikroskop ist, hat man ihr Blut abgenommen. Marie Dolorose gibt ihr einen Becher Wasser und die »Pille danach«. Später wird sie noch ein Anti-Aids-Mittel bekommen, das innerhalb von 48 Stunden eingenommen werden muss. Ob sie sich vorstellen kann, warum ein Mann vergewaltigt, fragt Marie Dolorose die verschüchterte junge Frau. »Um das Leben einer Frau zu zerstören«, sagt Love Nziavake – und schlägt die Hände vors Gesicht.

Den kompletten Bericht finden Sie in Ausgabe 4/12 der "Welternährung" - Zeitung der Welthungerhilfe.

In den Krankenzimmern, die sich fünf, manchmal acht Frauen teilen, ist es düster. Moskitonetze hängen von den Decken. Einige Frauen sind hochschwanger, sie warten auf die Geburt. 60 bis 80 Geburten betreuen die FEPSI-Frauen jeden Monat. Ein Viertel davon, sagt Marie Dolorose, ist das Ergebnis einer Vergewaltigung. Während des Bürgerkriegs wurden Vergewaltigungen als Kriegswaffe eingesetzt, um die Familie – und damit die Seele der Gegner – zu treffen.

Früher trug der typische Vergewaltiger Uniform und eine Waffe: Er gehörte einer Rebellengruppe an oder der kongolesischen Armee. Heute ist es auch der Nachbar, der Onkel, der Bruder. Brutalität, die Verrohung und die Gesetzlosigkeit ist in die Zivilgesellschaft übergegangen, erzählt Marie Dolorose.

Ein offenes Ohr und Unterstützung

Wirklich ändern können die Frauen von FEPSI die Situation in ihrem Land nicht, das weiß auch Marie Dolorose Masika-Kafanya. Aber die Hilfsorganisation kann die Situation der Frauen erträglicher machen. Da sein. Zuhören. »Der schönste Moment«, sagt Marie Dolorose, »ist, wenn eine Frau trotz all der Gewalt und des Grauens, die sie erlebt hat, nach ein paar Tagen im FEPSI-Hospital wieder lächelt.« Für diesen Moment kämpft sie.

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