Nothilfe reicht nicht aus
Bürgerkrieg und nun noch Dürre - der extreme Wassermangel entzieht dem Südsudan, seinen Menschen und Tieren seit ein paar Wochen den letzten Lebensfunken. Eine Hungersnot droht. Seit Jahren scheint sich dieser Teufelskreis zu wiederholen. Ein Bericht aus dem Projekt in Ganyiel zeigt, wie die Menschen dennoch Hoffnung finden.
Schon in den frühen Morgenstunden laufen hunderte Frauen über die dürre Steppe, ihre Gestalten kaum erkennbar im trüben Licht der noch nicht aufgegangenen Sonne. Erschöpft hält Nyakuma ihren in Tücher gewickelten Säugling fest im Arm. Immer mehr Frauen treffen ein. Ihre bunten Kleider wehen im Morgenwind; die Luft ist erfüllt von aufgeregtem Geflüster. Für Nyakuma ist dies die erste Lebensmittelverteilung. „Im letzten Jahr habe ich nichts ernten können, denn unsere Felder waren überflutet. Auch auf dem Markt konnten wir nichts zu essen finden“, erzählt sie. Weder Wasser noch Proviant hat die junge Mutter auf ihre heutige Wanderung mitgenommen.
Nahrungsmittelverteilungen sind lebensnotwendig
„Mein Mann ist tot. Er wurde letztes Jahr erschossen und nun bin ich mit meinen zwei Kindern allein. Vor zwei Jahren ist auch meine kranke Tochter gestorben. So viele Menschen verlieren hier täglich ihr Leben. Ich habe Angst um meine Familie“, sagt sie leise. Nyakuma sitzt im Schatten einer auf Stöcken aufgespannten Plastikplane. Um sie herum hunderte Frauen – die meisten von ihnen Mütter, die ihre Familien versorgen wollen. Sie halten Registrierungskarten in der Hand, die sie vor der Essensverteilung zeigen müssen.
Niemand, der hier ist, konnte im letzten Jahr ausreichend ernten, um sich und seine Familie zu ernähren. Schuld waren die Überflutungen und die Kämpfe, die Familien immer wieder zur Flucht zwangen. Hoffnungsvoll beobachtet Nyakuma das Flugzeug. Hoch über ihnen öffnen sich die Ladeklappen und Tausende Tonnen Essen gleiten in Paketen an Fallschirmen befestigt zu Boden. Die Gegend ist von Sümpfen umgeben und über Straßen nicht erreichbar. Theoretisch wäre der Transport über den Nil möglich, doch wegen der Kämpfe ist auch dies nicht denkbar. Am meisten freut sich Nyakuma auf die Mais-Soja-Mischung, die sie heute erhält und die für ihren dreijährigen Sohn James bestimmt ist. „Er ist schrecklich mager, denn ich kann ihm kaum mehr als Reis und ein wenig Bohnen bieten“, sagt sie bedrückt.
Kämpfe erschweren die Nothilfe
Welthungerhilfe-Mitarbeiter Moses Ntambara ist verantwortlich dafür, dass rund 70.000 Menschen ihre Nahrungsmittel erhalten: „Diese Gegend hier wird von der Opposition kontrolliert, trotzdem brauchen wir die Genehmigung der Regierung, das erschwert unsere Arbeit sehr. Wir sind neutral und halten uns an das Gesetz der Menschlichkeit, das gebietet, in einem Kriegsgebiet allen Zivilisten zu dienen.“
Auch die junge Mutter Nyakul wartet voller Anspannung auf die Verteilung der Lebensmittel. Seit sechs Tagen hält sie sich mit ihrer kleinen Tochter Sabit im Krankenhaus von Ganyiel auf. Das Mädchen hatte tagelang Durchfall und so machte sich Nyakul mit ihr auf den fünfstündigen Fußmarsch. „Die Reise war sehr schwer, ich konnte sehen, wie schlecht es Sabit ging. Ich hatte Angst. “, sagt die junge Frau erschöpft. Tochter Sabit geht es nun endlich etwas besser, doch Nyakuls Sorgen bleiben: „Für uns ist das Leben nicht einfach. Der Krieg macht mir Angst und oft haben wir Hunger. Wir sind immer auf die Hilfe anderer angewiesen. Ich wünsche mir so sehr, dass hier Frieden herrschen kann und wir endlich beginnen können, unser Leben aufzubauen.“
Gemüsegärten für eine gesündere Ernährung
Für die Bäuerin Hannah Nyarira hat sich zumindest der zweite Teil dieses Wunsches erfüllt. In einer Gruppe von Frauen steht sie in der Mitte des braunen Ackers. Gemeinsam umringen sie das tiefgrüne Beet, voll mit Tomaten und Grünkohl. „Wir haben gelernt, einen Garten anzubauen, jetzt haben wir unsere eigene erste Ernte“, sagt Hannah stolz. Sie ist eine von 1.500 Frauen, die an einem Ernährungsprojekt der Welthungerhilfe teilnehmen.
Landwirtschaft ist wieder möglich
Dreimal in der Woche finden Treffen statt, auch mit Ernährungsexpertin Nyakor Peter: „Zuerst lernen die Frauen landwirtschaftliche Techniken, also wie sie Gemüse anpflanzen und ernten können. Dann beginnen meine Kurse: Ich zeige, wie man Gemüse zubereitet und erkläre, warum es so wichtig und nährreich ist.“ Für Hannah ist die Gartenarbeit zur Leidenschaft geworden. „Die Frauengruppe hat mein Leben verändert“, sagt die sechsfache Mutter. „Wir haben zum ersten Mal in unserem Leben genug zu essen. Unsere Familien sind gesünder, und die Kinder können sich in der Schule viel besser konzentrieren."
Die Frauengruppe hat mein Leben verändert. Wir haben zum ersten Mal in unserem Leben genug zu essen.
Hannah Nyarira Kleinbäuerin aus GanyielDas Leben in Hannahs Heimat Ganyiel entwickelte sich in den letzten Jahren schwierig: „Immer wieder wurde unsere Ernte durch Überflutung zerstört. Wir haben zwar gutes Land, aber ständig litten wir Hunger. Meine Kinder waren mager, und ich war schwach.“ Was in diesem Jahr anders ist, sind nicht nur die grünen Gärten der Frauen, sondern auch kilometerlange Deiche, die sich durch die sumpfartige Landschaft schlängeln. Bis zu 1,5 Meter sind sie hoch, gefüllt mit schweren Sandsäcken, die das Wasser zurückhalten und Überflutungen verhindern.
Seit neun Monaten ist Hannah nun schon eine Landwirtin in der Frauengruppe. Das Gelernte gibt sie an ihre Nachbar*innen und Freund*innen weiter. Nachmittags, wenn die Schule aus ist, laufen Hannahs Kinder an dem grünen Garten ihrer Mutter vorbei. „Wenn ich älter bin, möchte ich Mama im Garten helfen. Wir haben jetzt neues Gemüse, das ich vorher noch nie gesehen habe“, erzählt der siebenjährige Jong. „Ich bin stolz auf meine Mama!“
Projektnummer: SSD 1040-16