Chancengleichheit und Gleichberechtigung sind notwendig für die Bekämpfung von Hunger und Armut.
Unabhängigkeit dank Milch und Joghurt
Joghurtherstellung in der kenianischen Steppe? Der internationale Käsehändler Fromi ist erstaunt, mit welch einer Standhaftigkeit die Massai-Frauen eine neue Geschäftsidee umgesetzt haben. Der Unternehmenspartner der Welthungerhilfe hat die Frauengruppen in Kenia besucht.
Begrüßt werden wir mit Tanz und Gesang und vor und nach jedem Gespräch wird gebetet. Die Massai sind praktizierende Christen. Ich bin auf Projektbesuch in Kaijado in Kenia unterwegs mit Patricia Cothenet und Joelle Flajolet, Managerinnen des Käsehändlers Fromi. Das internationale Unternehmen aus dem Elsass unterstützt mit seinen Kund*innen seit 2018 die Massai dabei, trotz Klimawandel und zunehmender Zergliederung der Landschaft als Nomaden überleben zu können. Die Milchkomponente des Projektes ist für Fromi durch die Nähe zum Kerngeschäft besonders interessant.
Aus dem deutschen Winter kommend, scheint der kenianische Sommer um so heißer und wir sind froh, dass uns die Massai-Frauen ein Plätzchen im Schatten anbieten. Über zwei Stunden haben sie bereits auf uns gewartet. Ihr Weg zur Versammlungsstätte ist weit, für manche waren es zwei Stunden Fußmarsch. Die Frauen gehören zu zwei Gruppen, die durch das Projekt der regionalen Partnerorganisation der Welthungerhilfe PIA unterstützt werden. „Früher haben die Männer die ganze Herde mitgenommen und uns und die Kinder alleine zurückgelassen. Wir wussten dann nicht, wovon wir uns und die Kinder ernähren sollten,“ berichtet Beatrice Lamet, Chairlady einer der beiden Frauengruppen. „Jetzt teilen wir die Herde. Die Männer lassen die Kälber und deren Mütter bei uns Frauen. So haben wir Milch für uns und die Kinder, die überschüssige Milch können wir an die Kooperative verkaufen.“
Die Familien müssen nicht mehr hungern und sind gesünder
Voller Stolz berichtet sie, wie sehr sich ihr Leben damit zum Besseren verändert hat. Mit dem Geld, das sie erstmals verdienen, können sie nach Bedarf auf dem Markt Nahrung für sich und die Familie kaufen. Die Familien müssen nicht mehr hungern, sind gesünder, weil sie sich ausgewogener ernähren können. Man merkt den Frauen an, dass sie stolz sind, welche Kenntnisse sie sich über Hygiene, Milchproduktion, Viehzucht und Ernährung angeeignet haben. „Es ist das erste Mal, dass uns jemand etwas gezeigt und gelehrt hat. Wir wissen jetzt, wie wir es schaffen, die Milch hygienisch und frisch bis zur Sammlung aufzubewahren.“
Genau so stand es auch in den Projektberichten, mit denen ich Fromi und ihre Kund*innen über den Fortgang des Projektes berichtet habe. Und doch kann ich in den Gesichtern von Patricia und Joelle sehen, dass es ihnen genau so geht wie mir: Es vor Ort von den Frauen selbst zu hören, ist noch einmal etwas ganz anderes.
Unser Austausch ist lebhaft, wir haben viele Fragen und können und dürfen sie alle stellen. Aber auch unser Leben interessiert die Frauen. Wie wir in Deutschland als Familie zusammenleben, ob wir am Tag Zeit finden, uns einmal auszuruhen und wie viele Kinder wir haben. Auch unsere Käseproduktion finden sie besonders spannend. Wie das funktioniert? Ob wir ihnen das beibringen können? Und ob Fromi ihnen auch den Käse abkaufen würde, wenn sie dann so weit sind, eigenen zu produzieren? Es ist ein fröhlicher Austausch, mit viel Lachen fast ein bisschen wie bei einem Kaffeeklatsch, im Schatten eines schönen, großen Baumes. Die letzte Frage bewegt besonders: Wenn wir die Geschichte von ihnen nun mit nach Hause nehmen, was wir denn daraus für uns lernen können?
Der Milchmarkt in Kenia: Marktbeherrschende Verwerter bestimmen den Preis
Am zweiten Tag schauen wir uns die nächste Stufe der Milch-Wertschöpfungskette an. Wir besuchen das Sammelzentrum der Emparnat Kooperative. Emily Shibe, Vorsitzende der Kooperative, berichtet uns vom Wachstum der Genossenschaft von 90 auf 2000 Mitglieder, von den Investitionsentscheidungen für ein eigenes Gebäude und einem Sammelbehälter von 500 Litern. Die größte Herausforderung scheint die schwankende Milchmenge zu sein. Sie hängt von der Größe der Herde und der Anzahl der Kälber ab. Und diese wiederum steht immer in Zusammenhang mit der Futter- und Wassersituation für die Herden – also auch mit den Auswirkungen des Klimawandels.
Man merkt den Frauen an, dass sie stolz sind, welche Kenntnisse sie sich über Hygiene, Milchproduktion, Viehzucht und Ernährung angeeignet haben.
Patricia Niewels Beraterin UnternehmenskooperationDarüber hinaus hat der Milchmarkt in Kenia seine Besonderheiten. Es gibt zwei marktbeherrschende Milchverwerter. Der größere der beiden gehört der Präsidentenfamilie. Die Preisbildung hat mit meinen BWL-Kenntnissen aus dem Studium wenig zu tun: Mit zunehmender Menge steigt der Preis. Das liegt an der marktbeherrschenden Stellung der Verwerter, die ihre Macht nutzen und ihre gesamten Kosten für den Transport auf die Anzahl der einzusammelnden Liter umrechnen. In Zeiten der durch langanhaltende Dürren geschrumpften Herden ist dies eine schwierige Situation für die Frauen. Sie machen sich viele Gedanken, wie sie sich gegen die Unsicherheiten besser absichern können. Hoffnungsvoll erzählen sie uns von ihren Ideen, die Milch vor Ort zu pasteurisieren. Eine Kostenschätzung haben sie auch bereits durchgeführt. Wir nehmen die Denkanstöße mit und werden im Laufe der Reise noch häufiger überlegen, ob und wie Fromi vielleicht das anstehende Jubiläum nutzen kann, hier zusätzlich einen Beitrag zu leisten.
Eigene Joghurtherstellung für wirtschaftliche Unabhängigkeit
Veredelung von Milch ist etwas, dass die zweite Frauengruppe, die wir besuchen, mittlerweile sehr gut beherrscht. Eunice erklärt uns, wie sie Joghurt und fermentierte Milch herstellt. Da sie mit so gut wie keinen Hilfsmitteln arbeitet, beschreibt sie, woran sie die für die Herstellung wichtigen Temperaturen von 45 und 90 Grad erkennt und wie sie Mengen abmisst. Wir erleben, wie über dem offenen Feuer Wasser zur Sterilisation der Gerätschaften gekocht wird.
Der Käseproduzent FROMI unterstützt seit 2009 die Arbeit der Welthungerhilfe in Kenia.
In großen Eimern wird der vorbereitete Joghurt mit Vanille- oder Erdbeer-Aromen vermischt, anschließend dürfen wir alle probieren. Lecker und cremig – das ist mein Eindruck. Das Urteil der Milchexpertinnen von Fromi wird gespannt erwartet – und auch ihnen schmeckt es gut. Einmal in der Woche verkauft Eunice 10 Liter Joghurt auf dem Markt. Die Abgabe erfolgt tassenweise für 40 Kenianische Schillinge. Konsumiert wird direkt am Stand – quasi an der Milchbar. Die Einführung einer Verkaufspackung ist der nächste Schritt, den andere Frauengruppen bereits gemacht haben und dem Eunice und die übrigen Frauen freudig entgegenblicken. Das wird ihre Absatzchancen deutlich vergrößern.
Es ist toll zu sehen, wie aktiv die Frauen die Chance auf ein besseres Leben ergreifen, mit welch einfachen Angeboten eine nachhaltige Verbesserung erreicht werden kann und welch durchgreifende Wirkung dies auf die Gesundheit der gesamten Familie hat. Patricia und Joelle geht es ähnlich: „Es ist großartig zu sehen, wie gut dieses Projekt funktioniert. Wir werden unseren Kund*innen ausführlich davon berichten“.